Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883.gelehrt, mich über derlei Dinge nicht zu kümmern "Und bei diesem Entscheide soll es bleiben, "Ja. Die Götter balancieren. Und wie mir Schach sah verwundert auf die Sprecherin. gelehrt, mich über derlei Dinge nicht zu kümmern „Und bei dieſem Entſcheide ſoll es bleiben, „Ja. Die Götter balancieren. Und wie mir Schach ſah verwundert auf die Sprecherin. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0118" n="106"/> gelehrt, mich über derlei Dinge nicht zu kümmern<lb/> und zu grämen. Und hat ſie nicht Recht? Ich frage<lb/> Sie, lieber Schach, was würd aus uns, ganz ſpeziell<lb/> aus uns zwei Frauen, wenn wir uns innerhalb<lb/> unſrer Umgangs- und Geſellſchaftsſphäre zu Sitten¬<lb/> richtern aufwerfen und Männlein und Weiblein auf<lb/> die Korrektheit ihres Wandels hin prüfen wollten?<lb/> Etwa durch eine Waſſer- und Feuerprobe. Die Ge¬<lb/> ſellſchaft iſt ſouverän. Was ſie gelten läßt, gilt, was<lb/> ſie verwirft, iſt verwerflich. Außerdem liegt hier alles<lb/> exzeptionell. Der Prinz iſt ein Prinz, Frau von<lb/> Carayon iſt eine Witwe, und ich . . bin ich.“</p><lb/> <p>„Und bei dieſem Entſcheide ſoll es bleiben,<lb/> Victoire?“</p><lb/> <p>„Ja. Die Götter balancieren. Und wie mir<lb/> Liſette Perbandt eben ſchreibt: ,wem genommen wird,<lb/> dem wird auch gegeben‘. In meinem Falle liegt der<lb/> Tauſch etwas ſchmerzlich, und ich wünſchte wohl, ihn<lb/> nicht gemacht zu haben. Aber andrerſeits geh ich<lb/> nicht blind an dem eingetauſchtem Guten vorüber,<lb/> und freue mich meiner Freiheit. Wovor andre meines<lb/> Alters und Geſchlechts erſchrecken, das darf ich. An<lb/> dem Abende bei Maſſows, wo man mir zuerſt<lb/> huldigte, war ich, ohne mir deſſen bewußt zu ſein,<lb/> eine Sklavin. Oder doch abhängig von hundert<lb/> Dingen. Jetzt bin ich frei.“</p><lb/> <p>Schach ſah verwundert auf die Sprecherin.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [106/0118]
gelehrt, mich über derlei Dinge nicht zu kümmern
und zu grämen. Und hat ſie nicht Recht? Ich frage
Sie, lieber Schach, was würd aus uns, ganz ſpeziell
aus uns zwei Frauen, wenn wir uns innerhalb
unſrer Umgangs- und Geſellſchaftsſphäre zu Sitten¬
richtern aufwerfen und Männlein und Weiblein auf
die Korrektheit ihres Wandels hin prüfen wollten?
Etwa durch eine Waſſer- und Feuerprobe. Die Ge¬
ſellſchaft iſt ſouverän. Was ſie gelten läßt, gilt, was
ſie verwirft, iſt verwerflich. Außerdem liegt hier alles
exzeptionell. Der Prinz iſt ein Prinz, Frau von
Carayon iſt eine Witwe, und ich . . bin ich.“
„Und bei dieſem Entſcheide ſoll es bleiben,
Victoire?“
„Ja. Die Götter balancieren. Und wie mir
Liſette Perbandt eben ſchreibt: ,wem genommen wird,
dem wird auch gegeben‘. In meinem Falle liegt der
Tauſch etwas ſchmerzlich, und ich wünſchte wohl, ihn
nicht gemacht zu haben. Aber andrerſeits geh ich
nicht blind an dem eingetauſchtem Guten vorüber,
und freue mich meiner Freiheit. Wovor andre meines
Alters und Geſchlechts erſchrecken, das darf ich. An
dem Abende bei Maſſows, wo man mir zuerſt
huldigte, war ich, ohne mir deſſen bewußt zu ſein,
eine Sklavin. Oder doch abhängig von hundert
Dingen. Jetzt bin ich frei.“
Schach ſah verwundert auf die Sprecherin.
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