Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883.gen einverstanden. Ich will Ihr Urteil über das "Es hat mich nicht befriedigt." "Und warum nicht?" "Weil es alles auf den Kopf stellt. Solchen "Gut. Das ist Luther. Aber ich wiederhole, "Luther ist das Stück. Das andre bedeutet nichts. Victoire senkte den Blick und ihre Hand zitterte. gen einverſtanden. Ich will Ihr Urteil über das „Es hat mich nicht befriedigt.“ „Und warum nicht?“ „Weil es alles auf den Kopf ſtellt. Solchen „Gut. Das iſt Luther. Aber ich wiederhole, „Luther iſt das Stück. Das andre bedeutet nichts. Victoire ſenkte den Blick und ihre Hand zitterte. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0126" n="114"/> gen einverſtanden. Ich will Ihr Urteil über das<lb/> Stück.“</p><lb/> <p>„Es hat mich <hi rendition="#g">nicht</hi> befriedigt.“</p><lb/> <p>„Und warum nicht?“</p><lb/> <p>„Weil es alles auf den Kopf ſtellt. <hi rendition="#g">Solchen</hi><lb/> Luther hat es Gott ſei Dank nie gegeben, und wenn<lb/> ein ſolcher je käme, ſo würd er uns einfach dahin<lb/> zurückführen, von wo der echte Luther uns ſeinerzeit<lb/> wegführte. Jede Zeile widerſtreitet dem Geiſt und<lb/> Jahrhundert der Reformation; alles iſt Jeſuitismus<lb/> oder Myſticismus, und treibt ein unerlaubtes und<lb/> beinah kindiſches Spiel mit Wahrheit und Geſchichte.<lb/> Nichts paßt. Ich wurde beſtändig an das Bild<lb/> Albrecht Dürers erinnert, wo Pilatus mit Piſtolen¬<lb/> halftern reitet oder an ein ebenſo bekanntes Altarblatt<lb/> in Soeſt, wo ſtatt des Oſterlamms ein weſtfäliſcher<lb/> Schinken in der Schüſſel liegt. In dieſem ſein-wol¬<lb/> lenden Lutherſtück aber liegt ein allerpfäffichſter Pfaff in<lb/> der Schüſſel. Es iſt ein Anachronismus von Anfang<lb/> bis Ende.“</p><lb/> <p>„Gut. Das iſt Luther. Aber ich wiederhole,<lb/> das <hi rendition="#g">Stück</hi>?“</p><lb/> <p>„Luther <hi rendition="#g">iſt</hi> das Stück. Das andre bedeutet nichts.<lb/> Oder ſoll ich mich für Katharina von Bora begeiſtern,<lb/> für eine Nonne, die ſchließlich keine war“.</p><lb/> <p>Victoire ſenkte den Blick und ihre Hand zitterte.<lb/> Schach ſah es, und über ſeinen <hi rendition="#aq">faux pas</hi> erſchreckend,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [114/0126]
gen einverſtanden. Ich will Ihr Urteil über das
Stück.“
„Es hat mich nicht befriedigt.“
„Und warum nicht?“
„Weil es alles auf den Kopf ſtellt. Solchen
Luther hat es Gott ſei Dank nie gegeben, und wenn
ein ſolcher je käme, ſo würd er uns einfach dahin
zurückführen, von wo der echte Luther uns ſeinerzeit
wegführte. Jede Zeile widerſtreitet dem Geiſt und
Jahrhundert der Reformation; alles iſt Jeſuitismus
oder Myſticismus, und treibt ein unerlaubtes und
beinah kindiſches Spiel mit Wahrheit und Geſchichte.
Nichts paßt. Ich wurde beſtändig an das Bild
Albrecht Dürers erinnert, wo Pilatus mit Piſtolen¬
halftern reitet oder an ein ebenſo bekanntes Altarblatt
in Soeſt, wo ſtatt des Oſterlamms ein weſtfäliſcher
Schinken in der Schüſſel liegt. In dieſem ſein-wol¬
lenden Lutherſtück aber liegt ein allerpfäffichſter Pfaff in
der Schüſſel. Es iſt ein Anachronismus von Anfang
bis Ende.“
„Gut. Das iſt Luther. Aber ich wiederhole,
das Stück?“
„Luther iſt das Stück. Das andre bedeutet nichts.
Oder ſoll ich mich für Katharina von Bora begeiſtern,
für eine Nonne, die ſchließlich keine war“.
Victoire ſenkte den Blick und ihre Hand zitterte.
Schach ſah es, und über ſeinen faux pas erſchreckend,
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