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Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883.

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machen. Begegnungen und Geplauder sollten ihn
zerstreuen, ihm seine Ruhe wiedergeben. Was
war es denn schließlich? Ein kleinlicher Akt der
Rache.

Die Frische draußen that ihm wohl; er atmete
freier und hatte seine gute Laune fast schon wieder¬
gewonnen, als er vom Wilhelmsplatz her in die Linden
einbiegend, auf die schattigere Seite der Straße hinüber¬
ging, um hier ein paar Bekannte, die des Wegs kamen,
anzusprechen. Sie vermieden aber ein Gespräch und
wurden sichtlich verlegen. Auch Zieten kam, grüßte
nonchalant und wenn nicht alles täuschte sogar mit
hämischer Miene. Schach sah ihm nach, und sann und
überlegte noch, was die Suffisance des einen und die
verlegenen Gesichter der andern bedeutet haben mochten,
als er, einige Hundert Schritte weiter aufwärts, einer
ungewöhnlich großen Menschenmenge gewahr wurde, die
vor einem kleinen Bilderladen stand. Einige lachten,
andre schwatzten, alle jedoch schienen zu fragen "was
es eigentlich sei?" Schach ging im Bogen um die
Zuschauermenge herum, warf einen Blick über ihre
Köpfe weg, und wußte genug. An dem Mittelfenster
hing dieselbe Karrikatur, und der absichtlich niedrig
normierte Preis war mit Rotstift groß darunter ge¬
schrieben.

Also eine Verschwörung.

Schach hatte nicht die Kraft mehr seinen Spazier¬

machen. Begegnungen und Geplauder ſollten ihn
zerſtreuen, ihm ſeine Ruhe wiedergeben. Was
war es denn ſchließlich? Ein kleinlicher Akt der
Rache.

Die Friſche draußen that ihm wohl; er atmete
freier und hatte ſeine gute Laune faſt ſchon wieder¬
gewonnen, als er vom Wilhelmsplatz her in die Linden
einbiegend, auf die ſchattigere Seite der Straße hinüber¬
ging, um hier ein paar Bekannte, die des Wegs kamen,
anzuſprechen. Sie vermieden aber ein Geſpräch und
wurden ſichtlich verlegen. Auch Zieten kam, grüßte
nonchalant und wenn nicht alles täuſchte ſogar mit
hämiſcher Miene. Schach ſah ihm nach, und ſann und
überlegte noch, was die Suffiſance des einen und die
verlegenen Geſichter der andern bedeutet haben mochten,
als er, einige Hundert Schritte weiter aufwärts, einer
ungewöhnlich großen Menſchenmenge gewahr wurde, die
vor einem kleinen Bilderladen ſtand. Einige lachten,
andre ſchwatzten, alle jedoch ſchienen zu fragen „was
es eigentlich ſei?“ Schach ging im Bogen um die
Zuſchauermenge herum, warf einen Blick über ihre
Köpfe weg, und wußte genug. An dem Mittelfenſter
hing dieſelbe Karrikatur, und der abſichtlich niedrig
normierte Preis war mit Rotſtift groß darunter ge¬
ſchrieben.

Alſo eine Verſchwörung.

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[146/0158] machen. Begegnungen und Geplauder ſollten ihn zerſtreuen, ihm ſeine Ruhe wiedergeben. Was war es denn ſchließlich? Ein kleinlicher Akt der Rache. Die Friſche draußen that ihm wohl; er atmete freier und hatte ſeine gute Laune faſt ſchon wieder¬ gewonnen, als er vom Wilhelmsplatz her in die Linden einbiegend, auf die ſchattigere Seite der Straße hinüber¬ ging, um hier ein paar Bekannte, die des Wegs kamen, anzuſprechen. Sie vermieden aber ein Geſpräch und wurden ſichtlich verlegen. Auch Zieten kam, grüßte nonchalant und wenn nicht alles täuſchte ſogar mit hämiſcher Miene. Schach ſah ihm nach, und ſann und überlegte noch, was die Suffiſance des einen und die verlegenen Geſichter der andern bedeutet haben mochten, als er, einige Hundert Schritte weiter aufwärts, einer ungewöhnlich großen Menſchenmenge gewahr wurde, die vor einem kleinen Bilderladen ſtand. Einige lachten, andre ſchwatzten, alle jedoch ſchienen zu fragen „was es eigentlich ſei?“ Schach ging im Bogen um die Zuſchauermenge herum, warf einen Blick über ihre Köpfe weg, und wußte genug. An dem Mittelfenſter hing dieſelbe Karrikatur, und der abſichtlich niedrig normierte Preis war mit Rotſtift groß darunter ge¬ ſchrieben. Alſo eine Verſchwörung. Schach hatte nicht die Kraft mehr ſeinen Spazier¬

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/158>, abgerufen am 25.11.2024.