Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883.

Bild:
<< vorherige Seite

mehrmals durch die Luft, um die Störenfriede wieder
hinauszujagen. Aber das unter diesem Jagen und
Schlagen immer nur ängstlicher werdende Geziefer,
schien sich zu verdoppeln, und summte nur dichter
und lauter als vorher um ihn herum. An Schlaf
war nicht mehr zu denken, und so trat er denn ans
offne Fenster und sprang hinaus, um, draußen um¬
hergehend, den Morgen abzuwarten.

Er sah nach der Uhr. Halb zwei. Die dicht
vor dem Salon gelegene Gartenanlage bestand aus
einem Rondeel mit Sonnenuhr, um das herum, in
meist dreieckigen und von Buchsbaum eingefaßten
Beeten, allerlei Sommerblumen blühten: Reseda und
Rittersporn, und Lilien und Levkojen. Man sah leicht,
daß eine ordnende Hand hier neuerdings gefehlt hatte,
trotzdem Krist zu seinen vielfachen Ämtern auch das
eines Gärtners zählte; die Zeit indeß, die seit dem
Tode der Gnädigen vergangen war, war andrerseits
eine viel zu kurze noch, um schon zu vollständiger
Verwilderung geführt zu haben. Alles hatte nur
erst den Charakter eines wuchernden Blühens ange¬
nommen, und ein schwerer und doch zugleich auch
erquicklicher Levkojenduft lag über den Beeten, den
Schach in immer volleren Zügen einsog.

Er umschritt das Rondeel, einmal, zehnmal, und
balancierte, während er einen Fuß vor den andern
setzte, zwischen den nur handbreiten Stegen hin. Er

mehrmals durch die Luft, um die Störenfriede wieder
hinauszujagen. Aber das unter dieſem Jagen und
Schlagen immer nur ängſtlicher werdende Geziefer,
ſchien ſich zu verdoppeln, und ſummte nur dichter
und lauter als vorher um ihn herum. An Schlaf
war nicht mehr zu denken, und ſo trat er denn ans
offne Fenſter und ſprang hinaus, um, draußen um¬
hergehend, den Morgen abzuwarten.

Er ſah nach der Uhr. Halb zwei. Die dicht
vor dem Salon gelegene Gartenanlage beſtand aus
einem Rondeel mit Sonnenuhr, um das herum, in
meiſt dreieckigen und von Buchsbaum eingefaßten
Beeten, allerlei Sommerblumen blühten: Reſeda und
Ritterſporn, und Lilien und Levkojen. Man ſah leicht,
daß eine ordnende Hand hier neuerdings gefehlt hatte,
trotzdem Kriſt zu ſeinen vielfachen Ämtern auch das
eines Gärtners zählte; die Zeit indeß, die ſeit dem
Tode der Gnädigen vergangen war, war andrerſeits
eine viel zu kurze noch, um ſchon zu vollſtändiger
Verwilderung geführt zu haben. Alles hatte nur
erſt den Charakter eines wuchernden Blühens ange¬
nommen, und ein ſchwerer und doch zugleich auch
erquicklicher Levkojenduft lag über den Beeten, den
Schach in immer volleren Zügen einſog.

Er umſchritt das Rondeel, einmal, zehnmal, und
balancierte, während er einen Fuß vor den andern
ſetzte, zwiſchen den nur handbreiten Stegen hin. Er

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0170" n="158"/>
mehrmals durch die Luft, um die Störenfriede wieder<lb/>
hinauszujagen. Aber das unter die&#x017F;em Jagen und<lb/>
Schlagen immer nur äng&#x017F;tlicher werdende Geziefer,<lb/>
&#x017F;chien &#x017F;ich zu verdoppeln, und &#x017F;ummte nur dichter<lb/>
und lauter als vorher um ihn herum. An Schlaf<lb/>
war nicht mehr zu denken, und &#x017F;o trat er denn ans<lb/>
offne Fen&#x017F;ter und &#x017F;prang hinaus, um, draußen um¬<lb/>
hergehend, den Morgen abzuwarten.</p><lb/>
        <p>Er &#x017F;ah nach der Uhr. Halb zwei. Die dicht<lb/>
vor dem Salon gelegene Gartenanlage be&#x017F;tand aus<lb/>
einem Rondeel mit Sonnenuhr, um das herum, in<lb/>
mei&#x017F;t dreieckigen und von Buchsbaum eingefaßten<lb/>
Beeten, allerlei Sommerblumen blühten: Re&#x017F;eda und<lb/>
Ritter&#x017F;porn, und Lilien und Levkojen. Man &#x017F;ah leicht,<lb/>
daß eine ordnende Hand hier neuerdings gefehlt hatte,<lb/>
trotzdem Kri&#x017F;t zu &#x017F;einen vielfachen Ämtern auch das<lb/>
eines Gärtners zählte; die Zeit indeß, die &#x017F;eit dem<lb/>
Tode der Gnädigen vergangen war, war andrer&#x017F;eits<lb/>
eine viel zu kurze noch, um &#x017F;chon zu voll&#x017F;tändiger<lb/>
Verwilderung geführt zu haben. Alles hatte nur<lb/>
er&#x017F;t den Charakter eines wuchernden Blühens ange¬<lb/>
nommen, und ein &#x017F;chwerer und doch zugleich auch<lb/>
erquicklicher Levkojenduft lag über den Beeten, den<lb/>
Schach in immer volleren Zügen ein&#x017F;og.</p><lb/>
        <p>Er um&#x017F;chritt das Rondeel, einmal, zehnmal, und<lb/>
balancierte, während er einen Fuß vor den andern<lb/>
&#x017F;etzte, zwi&#x017F;chen den nur handbreiten Stegen hin. Er<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[158/0170] mehrmals durch die Luft, um die Störenfriede wieder hinauszujagen. Aber das unter dieſem Jagen und Schlagen immer nur ängſtlicher werdende Geziefer, ſchien ſich zu verdoppeln, und ſummte nur dichter und lauter als vorher um ihn herum. An Schlaf war nicht mehr zu denken, und ſo trat er denn ans offne Fenſter und ſprang hinaus, um, draußen um¬ hergehend, den Morgen abzuwarten. Er ſah nach der Uhr. Halb zwei. Die dicht vor dem Salon gelegene Gartenanlage beſtand aus einem Rondeel mit Sonnenuhr, um das herum, in meiſt dreieckigen und von Buchsbaum eingefaßten Beeten, allerlei Sommerblumen blühten: Reſeda und Ritterſporn, und Lilien und Levkojen. Man ſah leicht, daß eine ordnende Hand hier neuerdings gefehlt hatte, trotzdem Kriſt zu ſeinen vielfachen Ämtern auch das eines Gärtners zählte; die Zeit indeß, die ſeit dem Tode der Gnädigen vergangen war, war andrerſeits eine viel zu kurze noch, um ſchon zu vollſtändiger Verwilderung geführt zu haben. Alles hatte nur erſt den Charakter eines wuchernden Blühens ange¬ nommen, und ein ſchwerer und doch zugleich auch erquicklicher Levkojenduft lag über den Beeten, den Schach in immer volleren Zügen einſog. Er umſchritt das Rondeel, einmal, zehnmal, und balancierte, während er einen Fuß vor den andern ſetzte, zwiſchen den nur handbreiten Stegen hin. Er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/170
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/170>, abgerufen am 04.12.2024.