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Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883.

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wollte dabei seine Geschicklichkeit proben und die Zeit
mit guter Manier hinter sich bringen. Aber diese
Zeit wollte nicht schwinden, und als er wieder nach
der Uhr sah, war erst eine Viertelstunde vergangen.

Er gab nun die Blumen auf und schritt auf
einen der beiden Laubengänge zu, die den großen
Parkgarten flankierten und von der Höhe bis fast an
den Fuß des Schloßhügels herniederstiegen. An
mancher Stelle waren die Gänge nach obenhin über¬
wachsen, an andern aber offen, und es unterhielt ihn
eine Weile den abwechselnd zwischen Dunkel und Licht
liegenden Raum in Schritten auszumessen. Ein paarmal
erweiterte sich der Gang zu Nischen und Tempelrun¬
dungen, in denen allerhand Sandsteinfiguren standen:
Götter und Göttinnen, an denen er früher viele hundert¬
male vorübergegangen war, ohne sich auch nur im ge¬
ringsten um sie zu kümmern oder ihrer Bedeutung nach¬
zuforschen; heut aber blieb er stehn und freute sich be¬
sonders aller derer, denen die Köpfe fehlten, weil sie
die dunkelsten und unverständlichsten waren, und sich
am schwersten erraten ließen. Endlich war er den
Laubengang hinunter, stieg ihn wieder hinauf und
wieder hinunter, und stand nun am Dorfausgang und
hörte daß es zwei schlug. Oder bedeuteten die beiden
Schläge halb? War es halb drei? Nein, es war
erst zwei.

Er gab es auf, das Auf und Nieder seiner

wollte dabei ſeine Geſchicklichkeit proben und die Zeit
mit guter Manier hinter ſich bringen. Aber dieſe
Zeit wollte nicht ſchwinden, und als er wieder nach
der Uhr ſah, war erſt eine Viertelſtunde vergangen.

Er gab nun die Blumen auf und ſchritt auf
einen der beiden Laubengänge zu, die den großen
Parkgarten flankierten und von der Höhe bis faſt an
den Fuß des Schloßhügels herniederſtiegen. An
mancher Stelle waren die Gänge nach obenhin über¬
wachſen, an andern aber offen, und es unterhielt ihn
eine Weile den abwechſelnd zwiſchen Dunkel und Licht
liegenden Raum in Schritten auszumeſſen. Ein paarmal
erweiterte ſich der Gang zu Niſchen und Tempelrun¬
dungen, in denen allerhand Sandſteinfiguren ſtanden:
Götter und Göttinnen, an denen er früher viele hundert¬
male vorübergegangen war, ohne ſich auch nur im ge¬
ringſten um ſie zu kümmern oder ihrer Bedeutung nach¬
zuforſchen; heut aber blieb er ſtehn und freute ſich be¬
ſonders aller derer, denen die Köpfe fehlten, weil ſie
die dunkelſten und unverſtändlichſten waren, und ſich
am ſchwerſten erraten ließen. Endlich war er den
Laubengang hinunter, ſtieg ihn wieder hinauf und
wieder hinunter, und ſtand nun am Dorfausgang und
hörte daß es zwei ſchlug. Oder bedeuteten die beiden
Schläge halb? War es halb drei? Nein, es war
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[159/0171] wollte dabei ſeine Geſchicklichkeit proben und die Zeit mit guter Manier hinter ſich bringen. Aber dieſe Zeit wollte nicht ſchwinden, und als er wieder nach der Uhr ſah, war erſt eine Viertelſtunde vergangen. Er gab nun die Blumen auf und ſchritt auf einen der beiden Laubengänge zu, die den großen Parkgarten flankierten und von der Höhe bis faſt an den Fuß des Schloßhügels herniederſtiegen. An mancher Stelle waren die Gänge nach obenhin über¬ wachſen, an andern aber offen, und es unterhielt ihn eine Weile den abwechſelnd zwiſchen Dunkel und Licht liegenden Raum in Schritten auszumeſſen. Ein paarmal erweiterte ſich der Gang zu Niſchen und Tempelrun¬ dungen, in denen allerhand Sandſteinfiguren ſtanden: Götter und Göttinnen, an denen er früher viele hundert¬ male vorübergegangen war, ohne ſich auch nur im ge¬ ringſten um ſie zu kümmern oder ihrer Bedeutung nach¬ zuforſchen; heut aber blieb er ſtehn und freute ſich be¬ ſonders aller derer, denen die Köpfe fehlten, weil ſie die dunkelſten und unverſtändlichſten waren, und ſich am ſchwerſten erraten ließen. Endlich war er den Laubengang hinunter, ſtieg ihn wieder hinauf und wieder hinunter, und ſtand nun am Dorfausgang und hörte daß es zwei ſchlug. Oder bedeuteten die beiden Schläge halb? War es halb drei? Nein, es war erſt zwei. Er gab es auf, das Auf und Nieder ſeiner

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/171>, abgerufen am 09.11.2024.