Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883.

Bild:
<< vorherige Seite

"Wem gehört es?"

"Dem König."

"Und wie heißt es?"

"Das Marmor-Palais."

"Ah das Marmor-Palais. Das ist also das
Palais . . ."

"Zu dienen, gnädige Frau. Das ist das Palais,
in dem weiland Seine Majestät König Friedrich
Wilhelm der Zweite seiner langen und schmerzlichen
Wassersucht allerhöchst erlag. Und steht auch noch
alles ebenso, wies damals gestanden hat. Ich kenne
das Zimmer ganz genau, wo der gute gnädige Herr
immer ,den Lebensgas' trank, den ihm der Geheim¬
rat Hufeland in einem kleinen Ballon ans Bett brin¬
gen ließ oder vielleicht auch bloß in einer Kalbsblase.
Wollen die gnädige Frau das Zimmer sehn? Es ist
freilich schon spät. Aber ich kenne den Kammerdiener,
und er thut es, denk ich, auf meinen Empfehl . .
versteht sich . . Und ist auch dasselbe kleine Zimmer,
worin sich eine Figur von der Frau Rietz oder wie
manche sagen von der Mamsell Encken oder der
Gräfin Lichtenau befindet, das heißt, nur eine kleine
Figur, so bloß bis an die Hüften oder noch weniger."

Frau von Carayon dankte. Sie war bei dem
Gange, der ihr für morgen bevorstand, nicht in der
Laune, das Allerheiligste der Rietz oder auch nur
ihre Porträtbüste kennen lernen zu wollen. Sie sprach

„Wem gehört es?“

„Dem König.“

„Und wie heißt es?“

„Das Marmor-Palais.“

„Ah das Marmor-Palais. Das iſt alſo das
Palais . . .“

„Zu dienen, gnädige Frau. Das iſt das Palais,
in dem weiland Seine Majeſtät König Friedrich
Wilhelm der Zweite ſeiner langen und ſchmerzlichen
Waſſerſucht allerhöchſt erlag. Und ſteht auch noch
alles ebenſo, wies damals geſtanden hat. Ich kenne
das Zimmer ganz genau, wo der gute gnädige Herr
immer ,den Lebensgas‘ trank, den ihm der Geheim¬
rat Hufeland in einem kleinen Ballon ans Bett brin¬
gen ließ oder vielleicht auch bloß in einer Kalbsblaſe.
Wollen die gnädige Frau das Zimmer ſehn? Es iſt
freilich ſchon ſpät. Aber ich kenne den Kammerdiener,
und er thut es, denk ich, auf meinen Empfehl . .
verſteht ſich . . Und iſt auch dasſelbe kleine Zimmer,
worin ſich eine Figur von der Frau Rietz oder wie
manche ſagen von der Mamſell Encken oder der
Gräfin Lichtenau befindet, das heißt, nur eine kleine
Figur, ſo bloß bis an die Hüften oder noch weniger.“

Frau von Carayon dankte. Sie war bei dem
Gange, der ihr für morgen bevorſtand, nicht in der
Laune, das Allerheiligſte der Rietz oder auch nur
ihre Porträtbüſte kennen lernen zu wollen. Sie ſprach

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0197" n="185"/>
        <p>&#x201E;Wem gehört es?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Dem König.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und wie heißt es?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das Marmor-Palais.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ah das Marmor-Palais. Das i&#x017F;t al&#x017F;o das<lb/>
Palais . . .&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Zu dienen, gnädige Frau. Das i&#x017F;t das Palais,<lb/>
in dem weiland Seine Maje&#x017F;tät König Friedrich<lb/>
Wilhelm der Zweite &#x017F;einer langen und &#x017F;chmerzlichen<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;ucht allerhöch&#x017F;t erlag. Und &#x017F;teht auch noch<lb/>
alles eben&#x017F;o, wies damals ge&#x017F;tanden hat. Ich kenne<lb/>
das Zimmer ganz genau, wo der gute gnädige Herr<lb/>
immer ,den Lebensgas&#x2018; trank, den ihm der Geheim¬<lb/>
rat Hufeland in einem kleinen Ballon ans Bett brin¬<lb/>
gen ließ oder vielleicht auch bloß in einer Kalbsbla&#x017F;e.<lb/>
Wollen die gnädige Frau das Zimmer &#x017F;ehn? Es i&#x017F;t<lb/>
freilich &#x017F;chon &#x017F;pät. Aber ich kenne den Kammerdiener,<lb/>
und er thut es, denk ich, auf meinen Empfehl . .<lb/>
ver&#x017F;teht &#x017F;ich . . Und i&#x017F;t auch das&#x017F;elbe kleine Zimmer,<lb/>
worin &#x017F;ich eine Figur von der Frau Rietz oder wie<lb/>
manche &#x017F;agen von der Mam&#x017F;ell Encken oder der<lb/>
Gräfin Lichtenau befindet, das heißt, nur eine kleine<lb/>
Figur, &#x017F;o bloß bis an die Hüften oder noch weniger.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Frau von Carayon dankte. Sie war bei dem<lb/>
Gange, der ihr für morgen bevor&#x017F;tand, nicht in der<lb/>
Laune, das Allerheilig&#x017F;te der Rietz oder auch nur<lb/>
ihre Porträtbü&#x017F;te kennen lernen zu wollen. Sie &#x017F;prach<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[185/0197] „Wem gehört es?“ „Dem König.“ „Und wie heißt es?“ „Das Marmor-Palais.“ „Ah das Marmor-Palais. Das iſt alſo das Palais . . .“ „Zu dienen, gnädige Frau. Das iſt das Palais, in dem weiland Seine Majeſtät König Friedrich Wilhelm der Zweite ſeiner langen und ſchmerzlichen Waſſerſucht allerhöchſt erlag. Und ſteht auch noch alles ebenſo, wies damals geſtanden hat. Ich kenne das Zimmer ganz genau, wo der gute gnädige Herr immer ,den Lebensgas‘ trank, den ihm der Geheim¬ rat Hufeland in einem kleinen Ballon ans Bett brin¬ gen ließ oder vielleicht auch bloß in einer Kalbsblaſe. Wollen die gnädige Frau das Zimmer ſehn? Es iſt freilich ſchon ſpät. Aber ich kenne den Kammerdiener, und er thut es, denk ich, auf meinen Empfehl . . verſteht ſich . . Und iſt auch dasſelbe kleine Zimmer, worin ſich eine Figur von der Frau Rietz oder wie manche ſagen von der Mamſell Encken oder der Gräfin Lichtenau befindet, das heißt, nur eine kleine Figur, ſo bloß bis an die Hüften oder noch weniger.“ Frau von Carayon dankte. Sie war bei dem Gange, der ihr für morgen bevorſtand, nicht in der Laune, das Allerheiligſte der Rietz oder auch nur ihre Porträtbüſte kennen lernen zu wollen. Sie ſprach

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/197
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/197>, abgerufen am 09.11.2024.