Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883.Kritik?" "Es muß sehr schön sein," antwortete dieser. Und kommt der Mai dann wieder so lind, Dann bricht er die Wiege von Schnee, Er schüttelt die Blüte "Wach' auf geschwind Du welkendes Kind." Und es hebt die Äuglein, es thut ihm weh Und steigt hinauf in die leuchtende Höh Wo strahlend die Brüderlein blühn. Ein lebhafter Beifall blieb nicht aus. Aber er Nur Bülow schwieg. Er hatte, wie die meisten Wider Wissen und Willen, war er ein Kind Noch ein zweites und drittes Lied wurde ge¬ Kritik?“ „Es muß ſehr ſchön ſein,“ antwortete dieſer. Und kommt der Mai dann wieder ſo lind, Dann bricht er die Wiege von Schnee, Er ſchüttelt die Blüte „Wach‘ auf geſchwind Du welkendes Kind.“ Und es hebt die Äuglein, es thut ihm weh Und ſteigt hinauf in die leuchtende Höh Wo ſtrahlend die Brüderlein blühn. Ein lebhafter Beifall blieb nicht aus. Aber er Nur Bülow ſchwieg. Er hatte, wie die meiſten Wider Wiſſen und Willen, war er ein Kind Noch ein zweites und drittes Lied wurde ge¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0033" n="21"/> Kritik?“ „Es muß ſehr ſchön ſein,“ antwortete dieſer.<lb/> „Ich verſteh es nicht. Aber hören wir weiter. Die<lb/> Blüte, die vorläufig noch ſchläft, wird doch wohl mal<lb/> erwachen.“</p><lb/> <lg type="poem"> <l>Und kommt der Mai dann wieder ſo lind,</l><lb/> <l>Dann bricht er die Wiege von Schnee,</l><lb/> <l>Er ſchüttelt die Blüte „Wach‘ auf geſchwind</l><lb/> <l>Du welkendes Kind.“</l><lb/> <l>Und es hebt die Äuglein, es thut ihm weh</l><lb/> <l>Und ſteigt hinauf in die leuchtende Höh</l><lb/> <l>Wo ſtrahlend die Brüderlein blühn.</l><lb/> </lg> <p>Ein lebhafter Beifall blieb nicht aus. Aber er<lb/> galt ausſchließlich Victoiren und der Kompoſition, und<lb/> als ſchließlich auch der Text an die Reihe kam, be¬<lb/> kannte ſich Alles zu Sanders ketzeriſchen Anſichten.</p><lb/> <p>Nur Bülow ſchwieg. Er hatte, wie die meiſten<lb/> mit Staatenuntergang beſchäftigten Frondeurs, auch<lb/> ſeine ſchwachen Seiten, und eine davon war durch<lb/> das Lied getroffen worden. An dem halbumwölkten<lb/> Himmel draußen funkelten ein paar Sterne, die<lb/> Mondſichel ſtand dazwiſchen, und er wiederholte,<lb/> während er durch die Scheiben der hohen Balkonthür<lb/> hinaufblickte: „wo ſtrahlend die Brüderlein blühn.“</p><lb/> <p>Wider Wiſſen und Willen, war er ein Kind<lb/> ſeiner Zeit, und romantiſierte.</p><lb/> <p>Noch ein zweites und drittes Lied wurde ge¬<lb/> ſungen, aber das Urteil blieb dasſelbe. Dann trennte<lb/> man ſich zu nicht allzu ſpäter Stunde.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [21/0033]
Kritik?“ „Es muß ſehr ſchön ſein,“ antwortete dieſer.
„Ich verſteh es nicht. Aber hören wir weiter. Die
Blüte, die vorläufig noch ſchläft, wird doch wohl mal
erwachen.“
Und kommt der Mai dann wieder ſo lind,
Dann bricht er die Wiege von Schnee,
Er ſchüttelt die Blüte „Wach‘ auf geſchwind
Du welkendes Kind.“
Und es hebt die Äuglein, es thut ihm weh
Und ſteigt hinauf in die leuchtende Höh
Wo ſtrahlend die Brüderlein blühn.
Ein lebhafter Beifall blieb nicht aus. Aber er
galt ausſchließlich Victoiren und der Kompoſition, und
als ſchließlich auch der Text an die Reihe kam, be¬
kannte ſich Alles zu Sanders ketzeriſchen Anſichten.
Nur Bülow ſchwieg. Er hatte, wie die meiſten
mit Staatenuntergang beſchäftigten Frondeurs, auch
ſeine ſchwachen Seiten, und eine davon war durch
das Lied getroffen worden. An dem halbumwölkten
Himmel draußen funkelten ein paar Sterne, die
Mondſichel ſtand dazwiſchen, und er wiederholte,
während er durch die Scheiben der hohen Balkonthür
hinaufblickte: „wo ſtrahlend die Brüderlein blühn.“
Wider Wiſſen und Willen, war er ein Kind
ſeiner Zeit, und romantiſierte.
Noch ein zweites und drittes Lied wurde ge¬
ſungen, aber das Urteil blieb dasſelbe. Dann trennte
man ſich zu nicht allzu ſpäter Stunde.
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