Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883.

Bild:
<< vorherige Seite

zessinnen der königlichen Familie: la petite princesse
Charlotte, et la petite princesse Alexandrine
, die
sie gelegentlich in den Zimmern einer ihr befreundeten
französischen Erzieherin sah, und mit denen sie sich
derartig liiert fühlte, daß, als eines Tages die Bran¬
denburger Thorwache beim Vorüberfahren von la
princesse Alexandrine
versäumt hatte, rechtzeitig
ins Gewehr zu treten und die Trommel zu rühren,
sie nicht nur das allgemeine Gefühl der Empörung
teilte, sondern das Ereignis überhaupt ansah, als ob
Berlin ein Erdbeben gehabt habe.

Das war das Tantchen, das eben eintrat.

Frau von Carayon ging ihr entgegen und hieß
sie herzlich willkommen, herzlicher als sonst wohl,
und das einfach deshalb, weil durch ihr Erscheinen
ein Gespräch unterbrochen worden war, das selbst
fallen zu lassen, sie nicht mehr die Kraft gehabt hatte.
Tante Marguerite fühlte sofort heraus, wie günstig
heute die Dinge für sie lagen, und begann denn auch
in demselben Augenblicke, wo sie sich gesetzt und die
Seidenhandschuh in ihren Pompadour gesteckt hatte,
sich dem hohen Adel königlicher Residenzien zuzuwen¬
den, diesmal mit Umgehung der "Allerhöchsten Herr¬
schaften". Ihre Mitteilungen aus der Adelssphäre waren
ihren Hofanekdoten in der Regel weit vorzuziehn,
und hätten ein für allemal passieren können, wenn
sie nicht die Schwäche gehabt hätte, die doch immer¬

zeſſinnen der königlichen Familie: la petite princesse
Charlotte, et la petite princesse Alexandrine
, die
ſie gelegentlich in den Zimmern einer ihr befreundeten
franzöſiſchen Erzieherin ſah, und mit denen ſie ſich
derartig liiert fühlte, daß, als eines Tages die Bran¬
denburger Thorwache beim Vorüberfahren von la
princesse Alexandrine
verſäumt hatte, rechtzeitig
ins Gewehr zu treten und die Trommel zu rühren,
ſie nicht nur das allgemeine Gefühl der Empörung
teilte, ſondern das Ereignis überhaupt anſah, als ob
Berlin ein Erdbeben gehabt habe.

Das war das Tantchen, das eben eintrat.

Frau von Carayon ging ihr entgegen und hieß
ſie herzlich willkommen, herzlicher als ſonſt wohl,
und das einfach deshalb, weil durch ihr Erſcheinen
ein Geſpräch unterbrochen worden war, das ſelbſt
fallen zu laſſen, ſie nicht mehr die Kraft gehabt hatte.
Tante Marguerite fühlte ſofort heraus, wie günſtig
heute die Dinge für ſie lagen, und begann denn auch
in demſelben Augenblicke, wo ſie ſich geſetzt und die
Seidenhandſchuh in ihren Pompadour geſteckt hatte,
ſich dem hohen Adel königlicher Reſidenzien zuzuwen¬
den, diesmal mit Umgehung der „Allerhöchſten Herr¬
ſchaften“. Ihre Mitteilungen aus der Adelsſphäre waren
ihren Hofanekdoten in der Regel weit vorzuziehn,
und hätten ein für allemal paſſieren können, wenn
ſie nicht die Schwäche gehabt hätte, die doch immer¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0053" n="41"/>
ze&#x017F;&#x017F;innen der königlichen Familie: <hi rendition="#aq">la petite princesse<lb/>
Charlotte, et la petite princesse Alexandrine</hi>, die<lb/>
&#x017F;ie gelegentlich in den Zimmern einer ihr befreundeten<lb/>
franzö&#x017F;i&#x017F;chen Erzieherin &#x017F;ah, und mit denen &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
derartig liiert fühlte, daß, als eines Tages die Bran¬<lb/>
denburger Thorwache beim Vorüberfahren von <hi rendition="#aq">la<lb/>
princesse Alexandrine</hi> ver&#x017F;äumt hatte, rechtzeitig<lb/>
ins Gewehr zu treten und die Trommel zu rühren,<lb/>
&#x017F;ie nicht nur das allgemeine Gefühl der Empörung<lb/>
teilte, &#x017F;ondern das Ereignis überhaupt an&#x017F;ah, als ob<lb/>
Berlin ein Erdbeben gehabt habe.</p><lb/>
        <p>Das war das Tantchen, das eben eintrat.</p><lb/>
        <p>Frau von Carayon ging ihr entgegen und hieß<lb/>
&#x017F;ie herzlich willkommen, herzlicher als &#x017F;on&#x017F;t wohl,<lb/>
und das einfach deshalb, weil durch ihr Er&#x017F;cheinen<lb/>
ein Ge&#x017F;präch unterbrochen worden war, das &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
fallen zu la&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ie nicht mehr die Kraft gehabt hatte.<lb/>
Tante Marguerite fühlte &#x017F;ofort heraus, wie gün&#x017F;tig<lb/>
heute die Dinge für &#x017F;ie lagen, und begann denn auch<lb/>
in dem&#x017F;elben Augenblicke, wo &#x017F;ie &#x017F;ich ge&#x017F;etzt und die<lb/>
Seidenhand&#x017F;chuh in ihren Pompadour ge&#x017F;teckt hatte,<lb/>
&#x017F;ich dem hohen Adel königlicher Re&#x017F;idenzien zuzuwen¬<lb/>
den, diesmal mit Umgehung der &#x201E;Allerhöch&#x017F;ten Herr¬<lb/>
&#x017F;chaften&#x201C;. Ihre Mitteilungen aus der Adels&#x017F;phäre waren<lb/>
ihren Hofanekdoten in der Regel weit vorzuziehn,<lb/>
und hätten ein für allemal pa&#x017F;&#x017F;ieren können, wenn<lb/>
&#x017F;ie nicht die Schwäche gehabt hätte, die doch immer¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[41/0053] zeſſinnen der königlichen Familie: la petite princesse Charlotte, et la petite princesse Alexandrine, die ſie gelegentlich in den Zimmern einer ihr befreundeten franzöſiſchen Erzieherin ſah, und mit denen ſie ſich derartig liiert fühlte, daß, als eines Tages die Bran¬ denburger Thorwache beim Vorüberfahren von la princesse Alexandrine verſäumt hatte, rechtzeitig ins Gewehr zu treten und die Trommel zu rühren, ſie nicht nur das allgemeine Gefühl der Empörung teilte, ſondern das Ereignis überhaupt anſah, als ob Berlin ein Erdbeben gehabt habe. Das war das Tantchen, das eben eintrat. Frau von Carayon ging ihr entgegen und hieß ſie herzlich willkommen, herzlicher als ſonſt wohl, und das einfach deshalb, weil durch ihr Erſcheinen ein Geſpräch unterbrochen worden war, das ſelbſt fallen zu laſſen, ſie nicht mehr die Kraft gehabt hatte. Tante Marguerite fühlte ſofort heraus, wie günſtig heute die Dinge für ſie lagen, und begann denn auch in demſelben Augenblicke, wo ſie ſich geſetzt und die Seidenhandſchuh in ihren Pompadour geſteckt hatte, ſich dem hohen Adel königlicher Reſidenzien zuzuwen¬ den, diesmal mit Umgehung der „Allerhöchſten Herr¬ ſchaften“. Ihre Mitteilungen aus der Adelsſphäre waren ihren Hofanekdoten in der Regel weit vorzuziehn, und hätten ein für allemal paſſieren können, wenn ſie nicht die Schwäche gehabt hätte, die doch immer¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/53
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/53>, abgerufen am 27.11.2024.