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Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883.

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"Wohl möglich."

"Aber sie verstanden nicht, was das Poltern
und Rollen bedeutete" fuhr die Kleine fort. "Und
so ging es bis das Jahr, wo der russische General,
dessen Namen ich immer vergesse, hier auf dem Tempel¬
hofer Felde lag. Da kam einen Sonnabend der
vorige Küster und wollte die Singezahlen wegwischen
und neue für den Sonntag anschreiben. Und nahm
auch schon das Kreidestück. Aber da sah er mit einem
Male, daß die Zahlen schon weggewischt und neue
Gesangbuchzahlen und auch die Zahlen von einem
Bibelspruch, Kapitel und Vers, mit angeschrieben
waren. Alles altmodisch und undeutlich, und nur so
grade noch zu lesen. Und als sie nachschlugen, da
fanden sie: ,Du sollst Deinen Todten in Ehren halten
und ihn nicht schädigen an seinem Antlitz.' Und nun
wußten sie, wer die Zahlen geschrieben, und nahmen
den Stein auf, und mauerten ihn in diesen Pfeiler."

"Ich finde doch," sagte Tante Marguerite, die,
je schrecklicher sie sich vor Gespenstern fürchtete, desto
lebhafter ihr Vorhandensein bestritt, "ich finde doch,
die Regierung sollte mehr gegen dem Aberglauben
thun." Und dabei wandte sie sich ängstlich von dem
unheimlichen Steinbild ab, und ging mit Frau
von Carayon, die, was Gespensterfurcht anging, mit
dem Tantchen wetteifern konnte, wieder dem Aus¬
gange zu.

„Wohl möglich.“

„Aber ſie verſtanden nicht, was das Poltern
und Rollen bedeutete“ fuhr die Kleine fort. „Und
ſo ging es bis das Jahr, wo der ruſſiſche General,
deſſen Namen ich immer vergeſſe, hier auf dem Tempel¬
hofer Felde lag. Da kam einen Sonnabend der
vorige Küſter und wollte die Singezahlen wegwiſchen
und neue für den Sonntag anſchreiben. Und nahm
auch ſchon das Kreideſtück. Aber da ſah er mit einem
Male, daß die Zahlen ſchon weggewiſcht und neue
Geſangbuchzahlen und auch die Zahlen von einem
Bibelſpruch, Kapitel und Vers, mit angeſchrieben
waren. Alles altmodiſch und undeutlich, und nur ſo
grade noch zu leſen. Und als ſie nachſchlugen, da
fanden ſie: ‚Du ſollſt Deinen Todten in Ehren halten
und ihn nicht ſchädigen an ſeinem Antlitz.‘ Und nun
wußten ſie, wer die Zahlen geſchrieben, und nahmen
den Stein auf, und mauerten ihn in dieſen Pfeiler.“

„Ich finde doch,“ ſagte Tante Marguerite, die,
je ſchrecklicher ſie ſich vor Geſpenſtern fürchtete, deſto
lebhafter ihr Vorhandenſein beſtritt, „ich finde doch,
die Regierung ſollte mehr gegen dem Aberglauben
thun.“ Und dabei wandte ſie ſich ängſtlich von dem
unheimlichen Steinbild ab, und ging mit Frau
von Carayon, die, was Geſpenſterfurcht anging, mit
dem Tantchen wetteifern konnte, wieder dem Aus¬
gange zu.

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[56/0068] „Wohl möglich.“ „Aber ſie verſtanden nicht, was das Poltern und Rollen bedeutete“ fuhr die Kleine fort. „Und ſo ging es bis das Jahr, wo der ruſſiſche General, deſſen Namen ich immer vergeſſe, hier auf dem Tempel¬ hofer Felde lag. Da kam einen Sonnabend der vorige Küſter und wollte die Singezahlen wegwiſchen und neue für den Sonntag anſchreiben. Und nahm auch ſchon das Kreideſtück. Aber da ſah er mit einem Male, daß die Zahlen ſchon weggewiſcht und neue Geſangbuchzahlen und auch die Zahlen von einem Bibelſpruch, Kapitel und Vers, mit angeſchrieben waren. Alles altmodiſch und undeutlich, und nur ſo grade noch zu leſen. Und als ſie nachſchlugen, da fanden ſie: ‚Du ſollſt Deinen Todten in Ehren halten und ihn nicht ſchädigen an ſeinem Antlitz.‘ Und nun wußten ſie, wer die Zahlen geſchrieben, und nahmen den Stein auf, und mauerten ihn in dieſen Pfeiler.“ „Ich finde doch,“ ſagte Tante Marguerite, die, je ſchrecklicher ſie ſich vor Geſpenſtern fürchtete, deſto lebhafter ihr Vorhandenſein beſtritt, „ich finde doch, die Regierung ſollte mehr gegen dem Aberglauben thun.“ Und dabei wandte ſie ſich ängſtlich von dem unheimlichen Steinbild ab, und ging mit Frau von Carayon, die, was Geſpenſterfurcht anging, mit dem Tantchen wetteifern konnte, wieder dem Aus¬ gange zu.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/68>, abgerufen am 26.11.2024.