Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.Während des Sommers hatten die Morgenspaziergänge mit ihrem Baden im Fluß und den Träumereien bei Kinschy viel zu meinem Vergnügen beigetragen, als dann aber der Herbst kam, kamen andere Freuden, unter denen für mich das Ausflügemachen auf das Leipziger Schlachtfeld hinaus obenan stand. Historischen Grund und Boden zu betreten, hatte zu jeder Zeit einen besonderen Zauber für mich, und Schlachtfelder werd' ich denn auch wohl in Westeuropa nicht viel weniger als hundert gesehen haben. Das Völkerschlachtfeld war natürlich nicht auf einmal zu bewältigen, weshalb ich, von meinem Leipziger Mittelpunkt aus, Radien zog und an einem Tage Gohlis und Möckern, an einem andern Connewitz und Stötteritz, an einem dritten Liebertwolkwitz, Markleeberg und Wachau besuchte. Ob ich auf diese Weise den ganzen Kreis abgemacht habe, weiß ich nicht mehr, nur das weiß ich noch, daß der Wachau-Markleeberger Tag den größten Eindruck auf mich machte, vielleicht weil es grade der Jahrestag der Schlacht, der 18. Oktober, war. Ich sehe noch den Luftton, den Abendhimmel und die Blätter, die der Westwind die lange Pappelallee hinauffegte, und weil mich damals außer meiner Schlachtfeldbegeisterung, auch das in etwas kindlichen Formen auftretende Verlangen nach deutscher Freiheit erfüllte, so machte Während des Sommers hatten die Morgenspaziergänge mit ihrem Baden im Fluß und den Träumereien bei Kinschy viel zu meinem Vergnügen beigetragen, als dann aber der Herbst kam, kamen andere Freuden, unter denen für mich das Ausflügemachen auf das Leipziger Schlachtfeld hinaus obenan stand. Historischen Grund und Boden zu betreten, hatte zu jeder Zeit einen besonderen Zauber für mich, und Schlachtfelder werd’ ich denn auch wohl in Westeuropa nicht viel weniger als hundert gesehen haben. Das Völkerschlachtfeld war natürlich nicht auf einmal zu bewältigen, weshalb ich, von meinem Leipziger Mittelpunkt aus, Radien zog und an einem Tage Gohlis und Möckern, an einem andern Connewitz und Stötteritz, an einem dritten Liebertwolkwitz, Markleeberg und Wachau besuchte. Ob ich auf diese Weise den ganzen Kreis abgemacht habe, weiß ich nicht mehr, nur das weiß ich noch, daß der Wachau-Markleeberger Tag den größten Eindruck auf mich machte, vielleicht weil es grade der Jahrestag der Schlacht, der 18. Oktober, war. Ich sehe noch den Luftton, den Abendhimmel und die Blätter, die der Westwind die lange Pappelallee hinauffegte, und weil mich damals außer meiner Schlachtfeldbegeisterung, auch das in etwas kindlichen Formen auftretende Verlangen nach deutscher Freiheit erfüllte, so machte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0135" n="126"/> <p>Während des Sommers hatten die Morgenspaziergänge mit ihrem Baden im Fluß und den Träumereien bei Kinschy viel zu meinem Vergnügen beigetragen, als dann aber der Herbst kam, kamen andere Freuden, unter denen für mich das Ausflügemachen auf das Leipziger Schlachtfeld hinaus obenan stand. Historischen Grund und Boden zu betreten, hatte zu jeder Zeit einen besonderen Zauber für mich, und Schlachtfelder werd’ ich denn auch wohl in Westeuropa nicht viel weniger als hundert gesehen haben.</p><lb/> <p>Das Völkerschlachtfeld war natürlich nicht auf einmal zu bewältigen, weshalb ich, von meinem Leipziger Mittelpunkt aus, Radien zog und an einem Tage Gohlis und Möckern, an einem andern Connewitz und Stötteritz, an einem dritten Liebertwolkwitz, Markleeberg und Wachau besuchte. Ob ich auf diese Weise den ganzen Kreis abgemacht habe, weiß ich nicht mehr, nur das weiß ich noch, daß der Wachau-Markleeberger Tag den größten Eindruck auf mich machte, vielleicht weil es grade der Jahrestag der Schlacht, der 18. Oktober, war. Ich sehe noch den Luftton, den Abendhimmel und die Blätter, die der Westwind die lange Pappelallee hinauffegte, und weil mich damals außer meiner Schlachtfeldbegeisterung, auch das in etwas kindlichen Formen auftretende Verlangen nach deutscher Freiheit erfüllte, so machte<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [126/0135]
Während des Sommers hatten die Morgenspaziergänge mit ihrem Baden im Fluß und den Träumereien bei Kinschy viel zu meinem Vergnügen beigetragen, als dann aber der Herbst kam, kamen andere Freuden, unter denen für mich das Ausflügemachen auf das Leipziger Schlachtfeld hinaus obenan stand. Historischen Grund und Boden zu betreten, hatte zu jeder Zeit einen besonderen Zauber für mich, und Schlachtfelder werd’ ich denn auch wohl in Westeuropa nicht viel weniger als hundert gesehen haben.
Das Völkerschlachtfeld war natürlich nicht auf einmal zu bewältigen, weshalb ich, von meinem Leipziger Mittelpunkt aus, Radien zog und an einem Tage Gohlis und Möckern, an einem andern Connewitz und Stötteritz, an einem dritten Liebertwolkwitz, Markleeberg und Wachau besuchte. Ob ich auf diese Weise den ganzen Kreis abgemacht habe, weiß ich nicht mehr, nur das weiß ich noch, daß der Wachau-Markleeberger Tag den größten Eindruck auf mich machte, vielleicht weil es grade der Jahrestag der Schlacht, der 18. Oktober, war. Ich sehe noch den Luftton, den Abendhimmel und die Blätter, die der Westwind die lange Pappelallee hinauffegte, und weil mich damals außer meiner Schlachtfeldbegeisterung, auch das in etwas kindlichen Formen auftretende Verlangen nach deutscher Freiheit erfüllte, so machte
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).
(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |