Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite
Daß ein Lied, das nie erwärmte,
Mir doch noch die Hände wärmt
Und wofür sonst niemand schwärmte,
Eine Motte noch umschwärmt.

Diese Strophen, die mir auch in diesem Augenblick noch ziemlich gelungen erscheinen, verfehlten nicht ihren Eindruck auf meinen guten Doktor und er antwortete mir umgehend in sehr schmeichelhafter Weise:

Wackrer Jünger, brav gesungen,
Sieh, das schmeckt schon nach Idee,
Jetzt, wo Du Dich selbst bezwungen,
Spare Dein Autodafe.

Noch zwei weitere Strophen folgten, und er war von jenem Tag an mein Gönner und Protektor. Wir blieben im besten Verhältnis bis zu meinem Fortgange von Leipzig. Dann brach der Verkehr ab, und erst viele Jahre später hörte ich von seinem Ausgang. In demselben Hospital, in dem er, glaub ich, lange Zeit als Arzt gewirkt hatte, war er als Hospitalit gestorben. Aber der Respekt, den man seinen ungewöhnlichen Gaben, seiner Klugheit und seinem lauteren Charakter schuldete, dieser Respekt war ihm bis zu seinem traurigen Ende verblieben.



Daß ein Lied, das nie erwärmte,
Mir doch noch die Hände wärmt
Und wofür sonst niemand schwärmte,
Eine Motte noch umschwärmt.

Diese Strophen, die mir auch in diesem Augenblick noch ziemlich gelungen erscheinen, verfehlten nicht ihren Eindruck auf meinen guten Doktor und er antwortete mir umgehend in sehr schmeichelhafter Weise:

Wackrer Jünger, brav gesungen,
Sieh, das schmeckt schon nach Idee,
Jetzt, wo Du Dich selbst bezwungen,
Spare Dein Autodafé.

Noch zwei weitere Strophen folgten, und er war von jenem Tag an mein Gönner und Protektor. Wir blieben im besten Verhältnis bis zu meinem Fortgange von Leipzig. Dann brach der Verkehr ab, und erst viele Jahre später hörte ich von seinem Ausgang. In demselben Hospital, in dem er, glaub ich, lange Zeit als Arzt gewirkt hatte, war er als Hospitalit gestorben. Aber der Respekt, den man seinen ungewöhnlichen Gaben, seiner Klugheit und seinem lauteren Charakter schuldete, dieser Respekt war ihm bis zu seinem traurigen Ende verblieben.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0134" n="125"/>
            <lg n="5">
              <l>Daß ein Lied, das nie erwärmte,</l><lb/>
              <l>Mir doch noch die Hände wärmt</l><lb/>
              <l>Und wofür sonst niemand schwärmte,</l><lb/>
              <l>Eine Motte noch umschwärmt.</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
          <p>Diese Strophen, die mir auch in diesem Augenblick noch ziemlich gelungen erscheinen, verfehlten nicht ihren Eindruck auf meinen guten Doktor und er antwortete mir umgehend in sehr schmeichelhafter Weise:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Wackrer Jünger, brav gesungen,</l><lb/>
            <l>Sieh, das schmeckt schon nach Idee,</l><lb/>
            <l>Jetzt, wo Du Dich selbst bezwungen,</l><lb/>
            <l>Spare Dein Autodafé.</l><lb/>
          </lg>
          <p>Noch zwei weitere Strophen folgten, und er war von jenem Tag an mein Gönner und Protektor. Wir blieben im besten Verhältnis bis zu meinem Fortgange von Leipzig. Dann brach der Verkehr ab, und erst viele Jahre später hörte ich von seinem Ausgang. In demselben Hospital, in dem er, glaub ich, lange Zeit als Arzt gewirkt hatte, war er als Hospitalit gestorben. Aber der Respekt, den man seinen ungewöhnlichen Gaben, seiner Klugheit und seinem lauteren Charakter schuldete, dieser Respekt war ihm bis zu seinem traurigen Ende verblieben.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[125/0134] Daß ein Lied, das nie erwärmte, Mir doch noch die Hände wärmt Und wofür sonst niemand schwärmte, Eine Motte noch umschwärmt. Diese Strophen, die mir auch in diesem Augenblick noch ziemlich gelungen erscheinen, verfehlten nicht ihren Eindruck auf meinen guten Doktor und er antwortete mir umgehend in sehr schmeichelhafter Weise: Wackrer Jünger, brav gesungen, Sieh, das schmeckt schon nach Idee, Jetzt, wo Du Dich selbst bezwungen, Spare Dein Autodafé. Noch zwei weitere Strophen folgten, und er war von jenem Tag an mein Gönner und Protektor. Wir blieben im besten Verhältnis bis zu meinem Fortgange von Leipzig. Dann brach der Verkehr ab, und erst viele Jahre später hörte ich von seinem Ausgang. In demselben Hospital, in dem er, glaub ich, lange Zeit als Arzt gewirkt hatte, war er als Hospitalit gestorben. Aber der Respekt, den man seinen ungewöhnlichen Gaben, seiner Klugheit und seinem lauteren Charakter schuldete, dieser Respekt war ihm bis zu seinem traurigen Ende verblieben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2018-07-25T10:02:20Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-25T10:02:20Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

  • Bogensignaturen: nicht übernommen;
  • Druckfehler: dokumentiert;
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet;
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert;
  • langes s (ſ): als s transkribiert;
  • Normalisierungen: keine;
  • Seitenumbrüche markiert: ja;
  • Silbentrennung: aufgelöst;
  • Vollständigkeit: vollständig erfasst;
  • Zeichensetzung: wie Vorlage;
  • Zeilenumbrüche markiert: nein.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/134
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/134>, abgerufen am 24.11.2024.