Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.daß er seine Sache mit seinem Leben bezahlt habe. Sein Wesen war immer von einer gewissen Feierlichkeit getragen. Einmal kamen die Hallenser und Leipziger Burschenschafter in Lütschena - halber Weg zwischen beiden Städten - zusammen, und ich durfte mit dabei sein. Kriege, ganz in pontificalibus, präsidierte. Sein schöner Kopf machte großen Eindruck auf mich, aber alles, was er sagte, desto weniger, trotzdem oder vielleicht auch weil es nichts anderes war, als was aus meinen eigenen Freiheitsliedern schmetterte. Bis Sommer 1842 war ich mit Kriege zusammen. Dann kam die Trennung, und nicht lange danach erfuhr ich, daß er, um sein Jahr abzudienen, in ein, wenn ich nicht irre, westfälisches Regiment eingetreten und dort durch Auflehnung oder vielleicht auch bloß durch Hervorkehrung seiner freiheitlichen Anschauungen in eine sehr üble Lage gekommen sei. Natürlich empörte mich das. Ich sah so was wie Märtyrertum in seinem Auftreten, das ich heute einfach als Dummheit bezeichnen würde, und gab meiner Empörung in forschen Reimzeilen Ausdruck. Ueberschrift: "An Hermann Kriege". Dann hieß es Du kanntest nicht dies Institut der Stummen, Die hohe Schule des Gendarmentroß, Auf der ein freies Denken sich vermummen Und unter Riegel halten muß und Schloß . . daß er seine Sache mit seinem Leben bezahlt habe. Sein Wesen war immer von einer gewissen Feierlichkeit getragen. Einmal kamen die Hallenser und Leipziger Burschenschafter in Lütschena – halber Weg zwischen beiden Städten – zusammen, und ich durfte mit dabei sein. Kriege, ganz in pontificalibus, präsidierte. Sein schöner Kopf machte großen Eindruck auf mich, aber alles, was er sagte, desto weniger, trotzdem oder vielleicht auch weil es nichts anderes war, als was aus meinen eigenen Freiheitsliedern schmetterte. Bis Sommer 1842 war ich mit Kriege zusammen. Dann kam die Trennung, und nicht lange danach erfuhr ich, daß er, um sein Jahr abzudienen, in ein, wenn ich nicht irre, westfälisches Regiment eingetreten und dort durch Auflehnung oder vielleicht auch bloß durch Hervorkehrung seiner freiheitlichen Anschauungen in eine sehr üble Lage gekommen sei. Natürlich empörte mich das. Ich sah so was wie Märtyrertum in seinem Auftreten, das ich heute einfach als Dummheit bezeichnen würde, und gab meiner Empörung in forschen Reimzeilen Ausdruck. Ueberschrift: „An Hermann Kriege“. Dann hieß es Du kanntest nicht dies Institut der Stummen, Die hohe Schule des Gendarmentroß, Auf der ein freies Denken sich vermummen Und unter Riegel halten muß und Schloß . . <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0146" n="137"/> daß er seine Sache mit seinem Leben bezahlt habe. Sein Wesen war immer von einer gewissen Feierlichkeit getragen. Einmal kamen die Hallenser und Leipziger Burschenschafter in Lütschena – halber Weg zwischen beiden Städten – zusammen, und ich durfte mit dabei sein. Kriege, ganz <hi rendition="#aq">in pontificalibus</hi>, präsidierte. Sein schöner Kopf machte großen Eindruck auf mich, aber alles, was er sagte, desto weniger, trotzdem oder vielleicht auch <hi rendition="#g">weil</hi> es nichts anderes war, als was aus meinen eigenen Freiheitsliedern schmetterte.</p><lb/> <p>Bis Sommer 1842 war ich mit Kriege zusammen. Dann kam die Trennung, und nicht lange danach erfuhr ich, daß er, um sein Jahr abzudienen, in ein, wenn ich nicht irre, westfälisches Regiment eingetreten und dort durch Auflehnung oder vielleicht auch bloß durch Hervorkehrung seiner freiheitlichen Anschauungen in eine sehr üble Lage gekommen sei. Natürlich empörte mich das. Ich sah so was wie Märtyrertum in seinem Auftreten, das ich heute einfach als Dummheit bezeichnen würde, und gab meiner Empörung in forschen Reimzeilen Ausdruck. Ueberschrift: „An Hermann Kriege“. Dann hieß es</p><lb/> <lg type="poem"> <l>Du kanntest nicht dies Institut der Stummen,</l><lb/> <l>Die hohe Schule des Gendarmentroß,</l><lb/> <l>Auf der ein freies Denken sich vermummen</l><lb/> </lg> <p>Und unter Riegel halten muß und Schloß . .</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [137/0146]
daß er seine Sache mit seinem Leben bezahlt habe. Sein Wesen war immer von einer gewissen Feierlichkeit getragen. Einmal kamen die Hallenser und Leipziger Burschenschafter in Lütschena – halber Weg zwischen beiden Städten – zusammen, und ich durfte mit dabei sein. Kriege, ganz in pontificalibus, präsidierte. Sein schöner Kopf machte großen Eindruck auf mich, aber alles, was er sagte, desto weniger, trotzdem oder vielleicht auch weil es nichts anderes war, als was aus meinen eigenen Freiheitsliedern schmetterte.
Bis Sommer 1842 war ich mit Kriege zusammen. Dann kam die Trennung, und nicht lange danach erfuhr ich, daß er, um sein Jahr abzudienen, in ein, wenn ich nicht irre, westfälisches Regiment eingetreten und dort durch Auflehnung oder vielleicht auch bloß durch Hervorkehrung seiner freiheitlichen Anschauungen in eine sehr üble Lage gekommen sei. Natürlich empörte mich das. Ich sah so was wie Märtyrertum in seinem Auftreten, das ich heute einfach als Dummheit bezeichnen würde, und gab meiner Empörung in forschen Reimzeilen Ausdruck. Ueberschrift: „An Hermann Kriege“. Dann hieß es
Du kanntest nicht dies Institut der Stummen,
Die hohe Schule des Gendarmentroß,
Auf der ein freies Denken sich vermummen
Und unter Riegel halten muß und Schloß . .
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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