Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.Schulen ein Musterschüler gewesen und vor allem weil er der Sohn seines berühmten Vaters war. Daß er diesen Vater an Weltansehen einst überholen würde, davon ahnten unsre Seelen natürlich nichts. Ich war ihm von Anfang an herzlich zugethan, aber in ein näheres Verhältnis kamen wir erst drei Jahre später, als wir beide schon einige Zeit in Berlin waren, er bei seinen Sanskritstudien, ich als Kaiser Franz-Grenadier. Er wohnte damals drei Treppen hoch in einem Eckhause der Oberwall- und Rosenstraße - dicht an der Werderschen Kirche - wo er sich bei einem Schuhmacher, sehr zu seiner Zufriedenheit, eingemietet hatte. Wenn nur nicht die Werkstatt nebenan gewesen wäre! Da ging den ganzen Tag das Lederklopfen, und Müller hätte wohl die Geduld verloren, wenn nicht, neben manch andrem, die wundervolle Aussicht gewesen wäre. Der ganze Stadtteil lag wie ein Panorama um ihn her, besonders die königlichen Gebäude mit ihren mit den prächtigsten Bäumen besetzten Parkgärten, die sich im Rücken und zur Seite des Prinzessinnen-Palais hinzogen. Da hinüber zu blicken, das gab ihm wieder Trost und er hielt aus. Er war damals schon stark ein "Werdender" und erfreute sich besonderer Auszeichnungen von Seiten Friedrich Rückerts, der in jenen Jahren - wie bekannt nur dem Wunsche des Schulen ein Musterschüler gewesen und vor allem weil er der Sohn seines berühmten Vaters war. Daß er diesen Vater an Weltansehen einst überholen würde, davon ahnten unsre Seelen natürlich nichts. Ich war ihm von Anfang an herzlich zugethan, aber in ein näheres Verhältnis kamen wir erst drei Jahre später, als wir beide schon einige Zeit in Berlin waren, er bei seinen Sanskritstudien, ich als Kaiser Franz-Grenadier. Er wohnte damals drei Treppen hoch in einem Eckhause der Oberwall- und Rosenstraße – dicht an der Werderschen Kirche – wo er sich bei einem Schuhmacher, sehr zu seiner Zufriedenheit, eingemietet hatte. Wenn nur nicht die Werkstatt nebenan gewesen wäre! Da ging den ganzen Tag das Lederklopfen, und Müller hätte wohl die Geduld verloren, wenn nicht, neben manch andrem, die wundervolle Aussicht gewesen wäre. Der ganze Stadtteil lag wie ein Panorama um ihn her, besonders die königlichen Gebäude mit ihren mit den prächtigsten Bäumen besetzten Parkgärten, die sich im Rücken und zur Seite des Prinzessinnen-Palais hinzogen. Da hinüber zu blicken, das gab ihm wieder Trost und er hielt aus. Er war damals schon stark ein „Werdender“ und erfreute sich besonderer Auszeichnungen von Seiten Friedrich Rückerts, der in jenen Jahren – wie bekannt nur dem Wunsche des <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0162" n="153"/> Schulen ein Musterschüler gewesen und vor allem weil er der Sohn seines berühmten Vaters war. Daß er diesen Vater an Weltansehen einst überholen würde, davon ahnten unsre Seelen natürlich nichts.</p><lb/> <p>Ich war ihm von Anfang an herzlich zugethan, aber in ein näheres Verhältnis kamen wir erst drei Jahre später, als wir beide schon einige Zeit in Berlin waren, er bei seinen Sanskritstudien, ich als Kaiser Franz-Grenadier. Er wohnte damals drei Treppen hoch in einem Eckhause der Oberwall- und Rosenstraße – dicht an der Werderschen Kirche – wo er sich bei einem Schuhmacher, sehr zu seiner Zufriedenheit, eingemietet hatte. Wenn nur nicht die Werkstatt nebenan gewesen wäre! Da ging den ganzen Tag das Lederklopfen, und Müller hätte wohl die Geduld verloren, wenn nicht, neben manch andrem, die wundervolle Aussicht gewesen wäre. Der ganze Stadtteil lag wie ein Panorama um ihn her, besonders die königlichen Gebäude mit ihren mit den prächtigsten Bäumen besetzten Parkgärten, die sich im Rücken und zur Seite des Prinzessinnen-Palais hinzogen. Da hinüber zu blicken, das gab ihm wieder Trost und er hielt aus. Er war damals schon stark ein „Werdender“ und erfreute sich besonderer Auszeichnungen von Seiten Friedrich Rückerts, der in jenen Jahren – wie bekannt nur dem Wunsche des<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [153/0162]
Schulen ein Musterschüler gewesen und vor allem weil er der Sohn seines berühmten Vaters war. Daß er diesen Vater an Weltansehen einst überholen würde, davon ahnten unsre Seelen natürlich nichts.
Ich war ihm von Anfang an herzlich zugethan, aber in ein näheres Verhältnis kamen wir erst drei Jahre später, als wir beide schon einige Zeit in Berlin waren, er bei seinen Sanskritstudien, ich als Kaiser Franz-Grenadier. Er wohnte damals drei Treppen hoch in einem Eckhause der Oberwall- und Rosenstraße – dicht an der Werderschen Kirche – wo er sich bei einem Schuhmacher, sehr zu seiner Zufriedenheit, eingemietet hatte. Wenn nur nicht die Werkstatt nebenan gewesen wäre! Da ging den ganzen Tag das Lederklopfen, und Müller hätte wohl die Geduld verloren, wenn nicht, neben manch andrem, die wundervolle Aussicht gewesen wäre. Der ganze Stadtteil lag wie ein Panorama um ihn her, besonders die königlichen Gebäude mit ihren mit den prächtigsten Bäumen besetzten Parkgärten, die sich im Rücken und zur Seite des Prinzessinnen-Palais hinzogen. Da hinüber zu blicken, das gab ihm wieder Trost und er hielt aus. Er war damals schon stark ein „Werdender“ und erfreute sich besonderer Auszeichnungen von Seiten Friedrich Rückerts, der in jenen Jahren – wie bekannt nur dem Wunsche des
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).
(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |