Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.zehnjährige Bühnendame zu interessieren begann. Diese junge Dame, Philippine Sohm, das schon mehrgenannte "Tante Pinchen", war die Tochter des ehemaligen Theaterdirektors Sohm, der ein ziemlich merkwürdiges Leben hinter sich hatte. Sohm, etwa 1770 geboren, war Göttinger oder Hallenser Student gewesen und hatte, nach allerhand Scheiterungen, schließlich seinen Unterschlupf beim Theater gefunden. Er war ein guter Schauspieler. Dies und vielleicht mehr noch das Imponierende seiner Persönlichkeit, eroberten ihm auf ein halbes Jahrzehnt hin eine glänzende Lebensstellung: er wurde, gleich nach Ernennung Jeromes zum König von Westfalen, als Hoftheaterintendant oder vielleicht auch bloß als Direktor nach Kassel berufen. "Morgen wieder lustick sein", - an dieser Maxime hielt er gerade so wie sein königlicher Herr fest und nahm die guten Tage mit, so lange der Mummenschanz dauerte. Während dieser Zeit, mutmaßlich 1809, verheiratete er sich auch. Er verfuhr dabei ganz in dem Stil, der am Jeromeschen Hofe herrschte. Nach einer Festaufführung, in der auch ein dreizehnjähriger Backfisch mitgewirkt und ihn durch Uebermut entzückt hatte, nahm er dies junge Ding beim Schopf und sagte: "Du sollst meine Frau werden." Es war ihm auch Ernst damit und das kleine Fräulein zehnjährige Bühnendame zu interessieren begann. Diese junge Dame, Philippine Sohm, das schon mehrgenannte „Tante Pinchen“, war die Tochter des ehemaligen Theaterdirektors Sohm, der ein ziemlich merkwürdiges Leben hinter sich hatte. Sohm, etwa 1770 geboren, war Göttinger oder Hallenser Student gewesen und hatte, nach allerhand Scheiterungen, schließlich seinen Unterschlupf beim Theater gefunden. Er war ein guter Schauspieler. Dies und vielleicht mehr noch das Imponierende seiner Persönlichkeit, eroberten ihm auf ein halbes Jahrzehnt hin eine glänzende Lebensstellung: er wurde, gleich nach Ernennung Jérômes zum König von Westfalen, als Hoftheaterintendant oder vielleicht auch bloß als Direktor nach Kassel berufen. „Morgen wieder lustick sein“, – an dieser Maxime hielt er gerade so wie sein königlicher Herr fest und nahm die guten Tage mit, so lange der Mummenschanz dauerte. Während dieser Zeit, mutmaßlich 1809, verheiratete er sich auch. Er verfuhr dabei ganz in dem Stil, der am Jérômeschen Hofe herrschte. Nach einer Festaufführung, in der auch ein dreizehnjähriger Backfisch mitgewirkt und ihn durch Uebermut entzückt hatte, nahm er dies junge Ding beim Schopf und sagte: „Du sollst meine Frau werden.“ Es war ihm auch Ernst damit und das kleine Fräulein <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0181" n="172"/> zehnjährige Bühnendame zu interessieren begann. Diese junge Dame, Philippine Sohm, das schon mehrgenannte „Tante Pinchen“, war die Tochter des ehemaligen Theaterdirektors Sohm, der ein ziemlich merkwürdiges Leben hinter sich hatte. Sohm, etwa 1770 geboren, war Göttinger oder Hallenser Student gewesen und hatte, nach allerhand Scheiterungen, schließlich seinen Unterschlupf beim Theater gefunden. Er war ein guter Schauspieler. Dies und vielleicht mehr noch das Imponierende seiner Persönlichkeit, eroberten ihm auf ein halbes Jahrzehnt hin eine glänzende Lebensstellung: er wurde, gleich nach Ernennung Jérômes zum König von Westfalen, als Hoftheaterintendant oder vielleicht auch bloß als Direktor nach Kassel berufen. „Morgen wieder lustick sein“, – an dieser Maxime hielt er gerade so wie sein königlicher Herr fest und nahm die guten Tage mit, so lange der Mummenschanz dauerte. Während dieser Zeit, mutmaßlich 1809, verheiratete er sich auch. Er verfuhr dabei ganz in dem Stil, der am Jérômeschen Hofe herrschte. Nach einer Festaufführung, in der auch ein dreizehnjähriger Backfisch mitgewirkt und ihn durch Uebermut entzückt hatte, nahm er dies junge Ding beim Schopf und sagte: „Du sollst meine Frau werden.“ Es war ihm auch Ernst damit und das kleine Fräulein<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [172/0181]
zehnjährige Bühnendame zu interessieren begann. Diese junge Dame, Philippine Sohm, das schon mehrgenannte „Tante Pinchen“, war die Tochter des ehemaligen Theaterdirektors Sohm, der ein ziemlich merkwürdiges Leben hinter sich hatte. Sohm, etwa 1770 geboren, war Göttinger oder Hallenser Student gewesen und hatte, nach allerhand Scheiterungen, schließlich seinen Unterschlupf beim Theater gefunden. Er war ein guter Schauspieler. Dies und vielleicht mehr noch das Imponierende seiner Persönlichkeit, eroberten ihm auf ein halbes Jahrzehnt hin eine glänzende Lebensstellung: er wurde, gleich nach Ernennung Jérômes zum König von Westfalen, als Hoftheaterintendant oder vielleicht auch bloß als Direktor nach Kassel berufen. „Morgen wieder lustick sein“, – an dieser Maxime hielt er gerade so wie sein königlicher Herr fest und nahm die guten Tage mit, so lange der Mummenschanz dauerte. Während dieser Zeit, mutmaßlich 1809, verheiratete er sich auch. Er verfuhr dabei ganz in dem Stil, der am Jérômeschen Hofe herrschte. Nach einer Festaufführung, in der auch ein dreizehnjähriger Backfisch mitgewirkt und ihn durch Uebermut entzückt hatte, nahm er dies junge Ding beim Schopf und sagte: „Du sollst meine Frau werden.“ Es war ihm auch Ernst damit und das kleine Fräulein
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).
(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |