Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.seit einer ganzen Reihe von Jahren nur noch Transportdampfer für Hammel und hatte nur für dies eine Mal, - ich weiß nicht, um sich oder uns zu ehren, - seine Fracht wieder gewechselt. Als wir Cuxhaven zur Seite hatten, wurde das zweite Frühstück genommen; ich war rasch damit fertig und begab mich wieder auf Deck, um von der Szenerie nichts zu verlieren. Und hier auf Deck, auf einem Berg zusammengerollter Taue sitzend, sog ich jetzt die heranwehende Seeluft ein. Ein Gefühl hohen Glückes überkam mich, und ich erschien mir minutenlang unendlich bevorzugt und beneidenswert; aber freilich, inmitten meines Glückes, wurde ich mir doch auch plötzlich wieder der erdrückenden Kleinheit meiner Lage bewußt. Ich war in jedem Augenblicke nicht bloß abhängig von der Gutthat eines Anderen, ich war auch, außerdem noch, sehr sonderbar ausgerüstet für ein Auftreten in der ersten und reichsten Stadt der Welt. Gepäck existierte für mich nicht, nicht Plaid, nicht Reisedecke; mein Beinkleid war eine Militär-Kommißhose mit der roten Bise daran und ein kleines braunes Röckchen, das ich trug, hatte mich nicht bloß gegen alle Witterungsunbilden zu schützen, sondern auch noch für meine Repräsentation in "Albion" zu sorgen. Und dazu nichts als das "Billet"! So froh ich war, es zu seit einer ganzen Reihe von Jahren nur noch Transportdampfer für Hammel und hatte nur für dies eine Mal, – ich weiß nicht, um sich oder uns zu ehren, – seine Fracht wieder gewechselt. Als wir Cuxhaven zur Seite hatten, wurde das zweite Frühstück genommen; ich war rasch damit fertig und begab mich wieder auf Deck, um von der Szenerie nichts zu verlieren. Und hier auf Deck, auf einem Berg zusammengerollter Taue sitzend, sog ich jetzt die heranwehende Seeluft ein. Ein Gefühl hohen Glückes überkam mich, und ich erschien mir minutenlang unendlich bevorzugt und beneidenswert; aber freilich, inmitten meines Glückes, wurde ich mir doch auch plötzlich wieder der erdrückenden Kleinheit meiner Lage bewußt. Ich war in jedem Augenblicke nicht bloß abhängig von der Gutthat eines Anderen, ich war auch, außerdem noch, sehr sonderbar ausgerüstet für ein Auftreten in der ersten und reichsten Stadt der Welt. Gepäck existierte für mich nicht, nicht Plaid, nicht Reisedecke; mein Beinkleid war eine Militär-Kommißhose mit der roten Bise daran und ein kleines braunes Röckchen, das ich trug, hatte mich nicht bloß gegen alle Witterungsunbilden zu schützen, sondern auch noch für meine Repräsentation in „Albion“ zu sorgen. Und dazu nichts als das „Billet“! So froh ich war, es zu <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0237" n="228"/> seit einer ganzen Reihe von Jahren nur noch Transportdampfer für Hammel und hatte nur für dies eine Mal, – ich weiß nicht, um sich oder uns zu ehren, – seine Fracht wieder gewechselt. Als wir Cuxhaven zur Seite hatten, wurde das zweite Frühstück genommen; ich war rasch damit fertig und begab mich wieder auf Deck, um von der Szenerie nichts zu verlieren. Und hier auf Deck, auf einem Berg zusammengerollter Taue sitzend, sog ich jetzt die heranwehende Seeluft ein. Ein Gefühl hohen Glückes überkam mich, und ich erschien mir minutenlang unendlich bevorzugt und beneidenswert; aber freilich, inmitten meines Glückes, wurde ich mir doch auch plötzlich wieder der erdrückenden Kleinheit meiner Lage bewußt. Ich war in jedem Augenblicke nicht bloß abhängig von der Gutthat eines Anderen, ich war auch, außerdem noch, sehr sonderbar ausgerüstet für ein Auftreten in der ersten und reichsten Stadt der Welt. Gepäck existierte für mich nicht, nicht Plaid, nicht Reisedecke; mein Beinkleid war eine Militär-Kommißhose mit der roten Bise daran und ein kleines braunes Röckchen, das ich trug, hatte mich nicht bloß gegen alle Witterungsunbilden zu schützen, sondern auch noch für meine Repräsentation in „Albion“ zu sorgen. Und dazu nichts als das „Billet“! So froh ich war, es zu<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [228/0237]
seit einer ganzen Reihe von Jahren nur noch Transportdampfer für Hammel und hatte nur für dies eine Mal, – ich weiß nicht, um sich oder uns zu ehren, – seine Fracht wieder gewechselt. Als wir Cuxhaven zur Seite hatten, wurde das zweite Frühstück genommen; ich war rasch damit fertig und begab mich wieder auf Deck, um von der Szenerie nichts zu verlieren. Und hier auf Deck, auf einem Berg zusammengerollter Taue sitzend, sog ich jetzt die heranwehende Seeluft ein. Ein Gefühl hohen Glückes überkam mich, und ich erschien mir minutenlang unendlich bevorzugt und beneidenswert; aber freilich, inmitten meines Glückes, wurde ich mir doch auch plötzlich wieder der erdrückenden Kleinheit meiner Lage bewußt. Ich war in jedem Augenblicke nicht bloß abhängig von der Gutthat eines Anderen, ich war auch, außerdem noch, sehr sonderbar ausgerüstet für ein Auftreten in der ersten und reichsten Stadt der Welt. Gepäck existierte für mich nicht, nicht Plaid, nicht Reisedecke; mein Beinkleid war eine Militär-Kommißhose mit der roten Bise daran und ein kleines braunes Röckchen, das ich trug, hatte mich nicht bloß gegen alle Witterungsunbilden zu schützen, sondern auch noch für meine Repräsentation in „Albion“ zu sorgen. Und dazu nichts als das „Billet“! So froh ich war, es zu
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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