Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.begannen mit dem Osten, weil uns dieser wie vor der Thüre lag. Das erste war der Tunnel. Er bereitete mir eine große Enttäuschung. Ein so kühn gedachtes und auch ausgeführtes Unternehmen dieser unter das Flußbett getriebene Stollen war, so machte derselbe doch unmittelbar bloß den Eindruck, als schritte man durch einen etwas verlängerten Festungs-Thorweg. Großen Eindruck macht immer nur das, was einem im Moment auf die Sinne fällt, man muß die Größe direkt fühlen; ist man aber gezwungen, sich diese Größe erst herauszurechnen, kommt man erst auf Umwegen und mit Hülfe von allerlei Vorstellungen zu der Erkenntnis: "ja wohl, das ist eigentlich was Großes", so ist es um die Wirkung geschehen. Der Tunnel versagte, desto mächtiger wirkte der Tower. Im allgemeinen geht es freilich auch bei historischen Punkten ohne Zuhülfenahme von Vorstellungen, ohne Heraufbeschwörung bestimmter Bilder nicht gut ab; es giebt aber doch Oertlichkeiten, denen man ihre historische Bedeutung auch ohne Kommentar sofort abfühlt. Und dazu gehört ganz eminent der Tower, mehr als irgend ein anderer Punkt, den ich kennen gelernt habe, selbst das Kapitol, das Forum und den Palatin nicht ausgenommen. Auch den, der nichts von englischer Geschichte weiß, überkommt an- begannen mit dem Osten, weil uns dieser wie vor der Thüre lag. Das erste war der Tunnel. Er bereitete mir eine große Enttäuschung. Ein so kühn gedachtes und auch ausgeführtes Unternehmen dieser unter das Flußbett getriebene Stollen war, so machte derselbe doch unmittelbar bloß den Eindruck, als schritte man durch einen etwas verlängerten Festungs-Thorweg. Großen Eindruck macht immer nur das, was einem im Moment auf die Sinne fällt, man muß die Größe direkt fühlen; ist man aber gezwungen, sich diese Größe erst herauszurechnen, kommt man erst auf Umwegen und mit Hülfe von allerlei Vorstellungen zu der Erkenntnis: „ja wohl, das ist eigentlich was Großes“, so ist es um die Wirkung geschehen. Der Tunnel versagte, desto mächtiger wirkte der Tower. Im allgemeinen geht es freilich auch bei historischen Punkten ohne Zuhülfenahme von Vorstellungen, ohne Heraufbeschwörung bestimmter Bilder nicht gut ab; es giebt aber doch Oertlichkeiten, denen man ihre historische Bedeutung auch ohne Kommentar sofort abfühlt. Und dazu gehört ganz eminent der Tower, mehr als irgend ein anderer Punkt, den ich kennen gelernt habe, selbst das Kapitol, das Forum und den Palatin nicht ausgenommen. Auch den, der nichts von englischer Geschichte weiß, überkommt an- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0248" n="239"/> begannen mit dem Osten, weil uns dieser wie vor der Thüre lag. Das erste war der <hi rendition="#g">Tunnel</hi>. Er bereitete mir eine große Enttäuschung. Ein so kühn gedachtes und auch ausgeführtes Unternehmen dieser unter das Flußbett getriebene Stollen war, so machte derselbe doch unmittelbar bloß den Eindruck, als schritte man durch einen etwas verlängerten Festungs-Thorweg. Großen Eindruck macht immer nur <hi rendition="#g">das</hi>, was einem im Moment auf die Sinne fällt, man muß die Größe direkt <hi rendition="#g">fühlen</hi>; ist man aber gezwungen, sich diese Größe erst herauszurechnen, kommt man erst auf Umwegen und mit Hülfe von allerlei Vorstellungen zu der Erkenntnis: „ja wohl, das ist eigentlich was Großes“, so ist es um die Wirkung geschehen.</p><lb/> <p>Der Tunnel versagte, desto mächtiger wirkte der <hi rendition="#g">Tower</hi>. Im allgemeinen geht es freilich auch bei historischen Punkten ohne Zuhülfenahme von Vorstellungen, ohne Heraufbeschwörung bestimmter Bilder nicht gut ab; es giebt aber doch Oertlichkeiten, denen man ihre historische Bedeutung auch ohne Kommentar sofort <hi rendition="#g">abfühlt</hi>. Und dazu gehört ganz eminent der Tower, mehr als irgend ein anderer Punkt, den ich kennen gelernt habe, selbst das Kapitol, das Forum und den Palatin nicht ausgenommen. Auch den, der nichts von englischer Geschichte weiß, überkommt an-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [239/0248]
begannen mit dem Osten, weil uns dieser wie vor der Thüre lag. Das erste war der Tunnel. Er bereitete mir eine große Enttäuschung. Ein so kühn gedachtes und auch ausgeführtes Unternehmen dieser unter das Flußbett getriebene Stollen war, so machte derselbe doch unmittelbar bloß den Eindruck, als schritte man durch einen etwas verlängerten Festungs-Thorweg. Großen Eindruck macht immer nur das, was einem im Moment auf die Sinne fällt, man muß die Größe direkt fühlen; ist man aber gezwungen, sich diese Größe erst herauszurechnen, kommt man erst auf Umwegen und mit Hülfe von allerlei Vorstellungen zu der Erkenntnis: „ja wohl, das ist eigentlich was Großes“, so ist es um die Wirkung geschehen.
Der Tunnel versagte, desto mächtiger wirkte der Tower. Im allgemeinen geht es freilich auch bei historischen Punkten ohne Zuhülfenahme von Vorstellungen, ohne Heraufbeschwörung bestimmter Bilder nicht gut ab; es giebt aber doch Oertlichkeiten, denen man ihre historische Bedeutung auch ohne Kommentar sofort abfühlt. Und dazu gehört ganz eminent der Tower, mehr als irgend ein anderer Punkt, den ich kennen gelernt habe, selbst das Kapitol, das Forum und den Palatin nicht ausgenommen. Auch den, der nichts von englischer Geschichte weiß, überkommt an-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).
(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |