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Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.

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gesichts dieser, ich weiß nicht ob mehr pittoresken oder grotesken Steinmassen, ein gewisses Gruseln. Wovon ich damals den größten Eindruck empfing, ob von Traitors Gate oder von der mit weißen Steinen ausgelegten Stelle, darauf das Schaffot der Jane Gray stand oder von dem Block, auf dem das Haupt Anna Bulens fiel, weiß ich nicht mehr sicher, glaube aber fast, daß ich einem sonderbaren Internierungsort in Gestalt eines etwas flachgedrückten Backofens, den Preis zuerkennen mußte. Dieser unter einer Treppenbiegung angebrachte Backofen war, zwanzig oder dreißig Jahre lang, das Gefängnis eines unter Heinrich VIII. lebenden Höflings, des Lords Cholmondoley, der zu zweifacher Berühmtheit gelangt ist, erstens historisch durch seinen qualvollen Backofen-Aufenthalt, zweitens linguistisch durch die etwas verflixte Aussprache seines Namens. Cholmondoley wird nämlich "Dschumli" ausgesprochen und spielt dadurch in allen englischen Grammatiken eine Rolle.

Das war im Osten von London. Tages darauf waren wir im Westen und zwar in Westminster. Von dem "Palast von Westminster" - den Parlamentshäusern - war bis auf einen nach dem großen Feuer im Anfang der vierziger Jahre stehengebliebenen Rest, nichts mehr zu sehen, aber Westminster-Hall

gesichts dieser, ich weiß nicht ob mehr pittoresken oder grotesken Steinmassen, ein gewisses Gruseln. Wovon ich damals den größten Eindruck empfing, ob von Traitors Gate oder von der mit weißen Steinen ausgelegten Stelle, darauf das Schaffot der Jane Gray stand oder von dem Block, auf dem das Haupt Anna Bulens fiel, weiß ich nicht mehr sicher, glaube aber fast, daß ich einem sonderbaren Internierungsort in Gestalt eines etwas flachgedrückten Backofens, den Preis zuerkennen mußte. Dieser unter einer Treppenbiegung angebrachte Backofen war, zwanzig oder dreißig Jahre lang, das Gefängnis eines unter Heinrich VIII. lebenden Höflings, des Lords Cholmondoley, der zu zweifacher Berühmtheit gelangt ist, erstens historisch durch seinen qualvollen Backofen-Aufenthalt, zweitens linguistisch durch die etwas verflixte Aussprache seines Namens. Cholmondoley wird nämlich „Dschumli“ ausgesprochen und spielt dadurch in allen englischen Grammatiken eine Rolle.

Das war im Osten von London. Tages darauf waren wir im Westen und zwar in Westminster. Von dem „Palast von Westminster“ – den Parlamentshäusern – war bis auf einen nach dem großen Feuer im Anfang der vierziger Jahre stehengebliebenen Rest, nichts mehr zu sehen, aber Westminster-Hall

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[240/0249] gesichts dieser, ich weiß nicht ob mehr pittoresken oder grotesken Steinmassen, ein gewisses Gruseln. Wovon ich damals den größten Eindruck empfing, ob von Traitors Gate oder von der mit weißen Steinen ausgelegten Stelle, darauf das Schaffot der Jane Gray stand oder von dem Block, auf dem das Haupt Anna Bulens fiel, weiß ich nicht mehr sicher, glaube aber fast, daß ich einem sonderbaren Internierungsort in Gestalt eines etwas flachgedrückten Backofens, den Preis zuerkennen mußte. Dieser unter einer Treppenbiegung angebrachte Backofen war, zwanzig oder dreißig Jahre lang, das Gefängnis eines unter Heinrich VIII. lebenden Höflings, des Lords Cholmondoley, der zu zweifacher Berühmtheit gelangt ist, erstens historisch durch seinen qualvollen Backofen-Aufenthalt, zweitens linguistisch durch die etwas verflixte Aussprache seines Namens. Cholmondoley wird nämlich „Dschumli“ ausgesprochen und spielt dadurch in allen englischen Grammatiken eine Rolle. Das war im Osten von London. Tages darauf waren wir im Westen und zwar in Westminster. Von dem „Palast von Westminster“ – den Parlamentshäusern – war bis auf einen nach dem großen Feuer im Anfang der vierziger Jahre stehengebliebenen Rest, nichts mehr zu sehen, aber Westminster-Hall

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Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2018-07-25T10:02:20Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-25T10:02:20Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/249>, abgerufen am 17.05.2024.