Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.hielt er sich in seiner Kritik innerhalb bestimmter Grenzen, als er aber der Führung der sechsten Kompagnie gedachte, goß er, immer heftiger werdend, die Schalen seines Zornes über meinen unglücklichen Hauptmann aus. Nichts war gut und es gereicht mir noch in diesem Augenblick zum Troste, daß wenigstens meiner in die Irre gegangenen Patrouille gar nicht dabei gedacht wurde; die Hauptfehler - wenn es Fehler waren, denn auch Bataillons-Kommandeure können irren - schienen nach ganz anderer Seite hin zu liegen. Armer Hauptmann! Da stand er nun am rechten Flügel, die Augen zur Erde gerichtet, mit einem Ausdruck von Bitterkeit und Sorge, ja auch von Sorge, weil er, neben dem Tadel, auch noch allerhand anderes Unliebsame mit herausgehört haben mochte. Das furchtbar Schwere dieses so beneideten und auch so beneidenswerten Berufes kam mir in jener Minute zu vollem Bewußtsein. Immer schweigen und sich höchstens an dem Satze "heute mir, morgen Dir" aufrichten zu müssen, - das ist hart und nicht jedermanns Sache. Man muß es hinnehmen wie sein Schicksal, oder jene berühmte "Wurschtigkeit" haben, die Lob und Tadel gleichmäßig als Ulk auffaßt, - sonst geht es nicht. Im Sommerhalbjahr, oder was dasselbe sagen hielt er sich in seiner Kritik innerhalb bestimmter Grenzen, als er aber der Führung der sechsten Kompagnie gedachte, goß er, immer heftiger werdend, die Schalen seines Zornes über meinen unglücklichen Hauptmann aus. Nichts war gut und es gereicht mir noch in diesem Augenblick zum Troste, daß wenigstens meiner in die Irre gegangenen Patrouille gar nicht dabei gedacht wurde; die Hauptfehler – wenn es Fehler waren, denn auch Bataillons-Kommandeure können irren – schienen nach ganz anderer Seite hin zu liegen. Armer Hauptmann! Da stand er nun am rechten Flügel, die Augen zur Erde gerichtet, mit einem Ausdruck von Bitterkeit und Sorge, ja auch von Sorge, weil er, neben dem Tadel, auch noch allerhand anderes Unliebsame mit herausgehört haben mochte. Das furchtbar Schwere dieses so beneideten und auch so beneidenswerten Berufes kam mir in jener Minute zu vollem Bewußtsein. Immer schweigen und sich höchstens an dem Satze „heute mir, morgen Dir“ aufrichten zu müssen, – das ist hart und nicht jedermanns Sache. Man muß es hinnehmen wie sein Schicksal, oder jene berühmte „Wurschtigkeit“ haben, die Lob und Tadel gleichmäßig als Ulk auffaßt, – sonst geht es nicht. Im Sommerhalbjahr, oder was dasselbe sagen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0256" n="247"/> hielt er sich in seiner Kritik innerhalb bestimmter Grenzen, als er aber der Führung der sechsten Kompagnie gedachte, goß er, immer heftiger werdend, die Schalen seines Zornes über meinen unglücklichen Hauptmann aus. Nichts war gut und es gereicht mir noch in diesem Augenblick zum Troste, daß wenigstens meiner in die Irre gegangenen Patrouille gar nicht dabei gedacht wurde; die Hauptfehler – <hi rendition="#g">wenn</hi> es Fehler waren, denn auch Bataillons-Kommandeure können irren – schienen nach ganz anderer Seite hin zu liegen. Armer Hauptmann! Da stand er nun am rechten Flügel, die Augen zur Erde gerichtet, mit einem Ausdruck von Bitterkeit und Sorge, ja auch von Sorge, weil er, neben dem Tadel, auch noch allerhand anderes Unliebsame mit herausgehört haben mochte. Das furchtbar Schwere dieses so beneideten und auch so beneidenswerten Berufes kam mir in jener Minute zu vollem Bewußtsein. Immer schweigen und sich höchstens an dem Satze „heute mir, morgen Dir“ aufrichten zu müssen, – das ist hart und nicht jedermanns Sache. Man muß es hinnehmen wie sein Schicksal, oder jene berühmte „Wurschtigkeit“ haben, die Lob und Tadel gleichmäßig als Ulk auffaßt, – sonst geht es nicht.</p><lb/> <p>Im Sommerhalbjahr, oder was dasselbe sagen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [247/0256]
hielt er sich in seiner Kritik innerhalb bestimmter Grenzen, als er aber der Führung der sechsten Kompagnie gedachte, goß er, immer heftiger werdend, die Schalen seines Zornes über meinen unglücklichen Hauptmann aus. Nichts war gut und es gereicht mir noch in diesem Augenblick zum Troste, daß wenigstens meiner in die Irre gegangenen Patrouille gar nicht dabei gedacht wurde; die Hauptfehler – wenn es Fehler waren, denn auch Bataillons-Kommandeure können irren – schienen nach ganz anderer Seite hin zu liegen. Armer Hauptmann! Da stand er nun am rechten Flügel, die Augen zur Erde gerichtet, mit einem Ausdruck von Bitterkeit und Sorge, ja auch von Sorge, weil er, neben dem Tadel, auch noch allerhand anderes Unliebsame mit herausgehört haben mochte. Das furchtbar Schwere dieses so beneideten und auch so beneidenswerten Berufes kam mir in jener Minute zu vollem Bewußtsein. Immer schweigen und sich höchstens an dem Satze „heute mir, morgen Dir“ aufrichten zu müssen, – das ist hart und nicht jedermanns Sache. Man muß es hinnehmen wie sein Schicksal, oder jene berühmte „Wurschtigkeit“ haben, die Lob und Tadel gleichmäßig als Ulk auffaßt, – sonst geht es nicht.
Im Sommerhalbjahr, oder was dasselbe sagen
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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