Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.beneidenswert würdigen Haltung, über "Humanität" und "Christliche Gesinnung", die beide durch Bartels schwer geschädigt worden seien, gegen mich ausgesprochen hatte. Zur selben Zeit, als wir uns dieses guten "Nassau-Usingers" erfreuten, hatten wir auch einen viven kleinen Sachsen in unsrer Mitte, der ein Bruder des damals noch unberühmten und seinen städtischen Beinamen noch nicht führenden Schulze-Delitzsch war. Dieser letztre, zu jener Zeit noch Assessor, sprach öfter bei uns vor und brachte mir seine nun wohl schon längst in Vergessenheit geratenen Dichtungen mit, an denen ich mich aufrichtig erbaute. Besonders an einem Liede, das, glaub ich "der Verbannte" oder "der Geächtete" hieß und mit den Worten schloß: Frei allein sind im Walde die Vögel, Und ich, ich bin vogelfrei ... Das erschien mir großartig und ich war ganz hingerissen davon. Ich habe bis hierher von den Personen im Hause gesprochen und möchte nun auch erzählen, wie das Leben darin war. Dies hatte manches Eigentümliche, was zum Teil an der lokalen Umgebung lag, zu beneidenswert würdigen Haltung, über „Humanität“ und „Christliche Gesinnung“, die beide durch Bartels schwer geschädigt worden seien, gegen mich ausgesprochen hatte. Zur selben Zeit, als wir uns dieses guten „Nassau-Usingers“ erfreuten, hatten wir auch einen viven kleinen Sachsen in unsrer Mitte, der ein Bruder des damals noch unberühmten und seinen städtischen Beinamen noch nicht führenden Schulze-Delitzsch war. Dieser letztre, zu jener Zeit noch Assessor, sprach öfter bei uns vor und brachte mir seine nun wohl schon längst in Vergessenheit geratenen Dichtungen mit, an denen ich mich aufrichtig erbaute. Besonders an einem Liede, das, glaub ich „der Verbannte“ oder „der Geächtete“ hieß und mit den Worten schloß: Frei allein sind im Walde die Vögel, Und ich, ich bin vogelfrei … Das erschien mir großartig und ich war ganz hingerissen davon. Ich habe bis hierher von den Personen im Hause gesprochen und möchte nun auch erzählen, wie das Leben darin war. Dies hatte manches Eigentümliche, was zum Teil an der lokalen Umgebung lag, zu <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0029" n="20"/> beneidenswert würdigen Haltung, über „Humanität“ und „Christliche Gesinnung“, die beide durch Bartels schwer geschädigt worden seien, gegen mich ausgesprochen hatte.</p><lb/> <p>Zur selben Zeit, als wir uns dieses guten „Nassau-Usingers“ erfreuten, hatten wir auch einen viven kleinen Sachsen in unsrer Mitte, der ein Bruder des damals noch unberühmten und seinen städtischen Beinamen noch nicht führenden Schulze-Delitzsch war. Dieser letztre, zu jener Zeit noch Assessor, sprach öfter bei uns vor und brachte mir seine nun wohl schon längst in Vergessenheit geratenen Dichtungen mit, an denen ich mich aufrichtig erbaute. Besonders an einem Liede, das, glaub ich „der Verbannte“ oder „der Geächtete“ hieß und mit den Worten schloß:<lb/><lg type="poem"><l>Frei allein sind im Walde die Vögel,</l><lb/><l>Und ich, ich bin vogelfrei …</l><lb/></lg> </p><lb/> <p>Das erschien mir großartig und ich war ganz hingerissen davon.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Ich habe bis hierher von den Personen im Hause gesprochen und möchte nun auch erzählen, wie das Leben darin war. Dies hatte manches Eigentümliche, was zum Teil an der lokalen Umgebung lag, zu<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [20/0029]
beneidenswert würdigen Haltung, über „Humanität“ und „Christliche Gesinnung“, die beide durch Bartels schwer geschädigt worden seien, gegen mich ausgesprochen hatte.
Zur selben Zeit, als wir uns dieses guten „Nassau-Usingers“ erfreuten, hatten wir auch einen viven kleinen Sachsen in unsrer Mitte, der ein Bruder des damals noch unberühmten und seinen städtischen Beinamen noch nicht führenden Schulze-Delitzsch war. Dieser letztre, zu jener Zeit noch Assessor, sprach öfter bei uns vor und brachte mir seine nun wohl schon längst in Vergessenheit geratenen Dichtungen mit, an denen ich mich aufrichtig erbaute. Besonders an einem Liede, das, glaub ich „der Verbannte“ oder „der Geächtete“ hieß und mit den Worten schloß:
Frei allein sind im Walde die Vögel,
Und ich, ich bin vogelfrei …
Das erschien mir großartig und ich war ganz hingerissen davon.
Ich habe bis hierher von den Personen im Hause gesprochen und möchte nun auch erzählen, wie das Leben darin war. Dies hatte manches Eigentümliche, was zum Teil an der lokalen Umgebung lag, zu
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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