Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.der, wie schon Eingangs erwähnt, auch die Garnisonskirche gehörte. Diese griff mannigfach in unser Leben ein. Meist um Ostern und Pfingsten herum, gab es in dieser Kirche große Musik-Aufführungen, Oratorien von Graun, Händel, Mendelssohn, und an solchem Oratoriumstage verwandelte sich dann unsre Apotheke in eine Art Tempelvorhalle, drin die Billets verkauft wurden. Ich war jedesmal der "Mann am Schalter" und hatte dabei das Vergnügen - statt der üblichen Sommersprossenschönheiten mit krausem roten Haar, die Kurellasches Brustpulver oder Lippenpomade kauften - ein gut Teil der vornehmen berliner Welt an meinem Schiebefenster erscheinen zu sehn. Zum Schluß dann, wenn an weitren Billetverkauf nicht mehr zu denken war, ging ich auch wohl selber in die Kirche, blieb aber nie lange. Der erste Eindruck, wenn die Töne mächtig einsetzten, war immer groß und ich fühlte mich wie gen Himmel gezogen; aber nach zehn Minuten schon kam eine gewisse Schläfrigkeit über mich, und ich machte dann, daß ich wieder fort kam. So ist es mir, bei großen Musikaufführungen, mein Lebelang ergangen. Man muß etwas davon verstehn, muß folgen können; kann man das nicht - und die Meisten bilden sich wohl nur ein, daß sie's können - so wird das "angenehme Geräusch" sehr der, wie schon Eingangs erwähnt, auch die Garnisonskirche gehörte. Diese griff mannigfach in unser Leben ein. Meist um Ostern und Pfingsten herum, gab es in dieser Kirche große Musik-Aufführungen, Oratorien von Graun, Händel, Mendelssohn, und an solchem Oratoriumstage verwandelte sich dann unsre Apotheke in eine Art Tempelvorhalle, drin die Billets verkauft wurden. Ich war jedesmal der „Mann am Schalter“ und hatte dabei das Vergnügen – statt der üblichen Sommersprossenschönheiten mit krausem roten Haar, die Kurellasches Brustpulver oder Lippenpomade kauften – ein gut Teil der vornehmen berliner Welt an meinem Schiebefenster erscheinen zu sehn. Zum Schluß dann, wenn an weitren Billetverkauf nicht mehr zu denken war, ging ich auch wohl selber in die Kirche, blieb aber nie lange. Der erste Eindruck, wenn die Töne mächtig einsetzten, war immer groß und ich fühlte mich wie gen Himmel gezogen; aber nach zehn Minuten schon kam eine gewisse Schläfrigkeit über mich, und ich machte dann, daß ich wieder fort kam. So ist es mir, bei großen Musikaufführungen, mein Lebelang ergangen. Man muß etwas davon verstehn, muß folgen können; kann man das nicht – und die Meisten bilden sich wohl nur ein, daß sie’s können – so wird das „angenehme Geräusch“ sehr <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0030" n="21"/> der, wie schon Eingangs erwähnt, auch die Garnisonskirche gehörte. Diese griff mannigfach in unser Leben ein. Meist um Ostern und Pfingsten herum, gab es in dieser Kirche große Musik-Aufführungen, Oratorien von Graun, Händel, Mendelssohn, und an solchem Oratoriumstage verwandelte sich dann unsre Apotheke in eine Art Tempelvorhalle, drin die Billets verkauft wurden. Ich war jedesmal der „Mann am Schalter“ und hatte dabei das Vergnügen – statt der üblichen Sommersprossenschönheiten mit krausem roten Haar, die Kurellasches Brustpulver oder Lippenpomade kauften – ein gut Teil der vornehmen berliner Welt an meinem Schiebefenster erscheinen zu sehn. Zum Schluß dann, wenn an weitren Billetverkauf nicht mehr zu denken war, ging ich auch wohl selber in die Kirche, blieb aber nie lange. Der erste Eindruck, wenn die Töne mächtig einsetzten, war immer groß und ich fühlte mich wie gen Himmel gezogen; aber nach zehn Minuten schon kam eine gewisse Schläfrigkeit über mich, und ich machte dann, daß ich wieder fort kam. So ist es mir, bei großen Musikaufführungen, mein Lebelang ergangen. Man muß etwas davon verstehn, muß folgen können; kann man das nicht – und die Meisten bilden sich wohl nur ein, daß sie’s können – so wird das „angenehme Geräusch“ sehr<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [21/0030]
der, wie schon Eingangs erwähnt, auch die Garnisonskirche gehörte. Diese griff mannigfach in unser Leben ein. Meist um Ostern und Pfingsten herum, gab es in dieser Kirche große Musik-Aufführungen, Oratorien von Graun, Händel, Mendelssohn, und an solchem Oratoriumstage verwandelte sich dann unsre Apotheke in eine Art Tempelvorhalle, drin die Billets verkauft wurden. Ich war jedesmal der „Mann am Schalter“ und hatte dabei das Vergnügen – statt der üblichen Sommersprossenschönheiten mit krausem roten Haar, die Kurellasches Brustpulver oder Lippenpomade kauften – ein gut Teil der vornehmen berliner Welt an meinem Schiebefenster erscheinen zu sehn. Zum Schluß dann, wenn an weitren Billetverkauf nicht mehr zu denken war, ging ich auch wohl selber in die Kirche, blieb aber nie lange. Der erste Eindruck, wenn die Töne mächtig einsetzten, war immer groß und ich fühlte mich wie gen Himmel gezogen; aber nach zehn Minuten schon kam eine gewisse Schläfrigkeit über mich, und ich machte dann, daß ich wieder fort kam. So ist es mir, bei großen Musikaufführungen, mein Lebelang ergangen. Man muß etwas davon verstehn, muß folgen können; kann man das nicht – und die Meisten bilden sich wohl nur ein, daß sie’s können – so wird das „angenehme Geräusch“ sehr
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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