Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.bald langweilig. Ich bin überzeugt, daß gerade wirkliche Musiker mir hierin Recht geben werden; es ist eben nicht für jeden. Der berühmte Satz "Kunst sei für alle" ist grundfalsch; Kunst ist umgekehrt für sehr wenige und mitunter ist es mir, als ob es immer weniger würden. Nur das Beefsteak, dem sich leicht folgen läßt, ist in einer steten Machtsteigerung begriffen. Unsre Apotheke war aber nicht bloß eine Verkaufsvorhalle für die Garnisonkirchen-Konzerte, der alte Rose suchte auch was darin, sein Haus selbst auf eine gewisse Kunsthöhe zu heben. Ohne was von diesen Dingen zu verstehn, fand er es doch fein und seines Namens würdig, sich um alles Dahingehörige zu kümmern und innerhalb eng gezogener Grenzen sogar den Mäcen zu spielen. Er verstieg sich dabei bis zu Bilderankäufen - kleine italienische Landschaften - und allerlei höhere Kunstleute gingen ein und aus, darunter Schinkel, der durch seine Frau ein ziemlich naher Verwandter des Hauses war. Trotz all dieser Allüren aber stand Kunst erst in zweiter Reihe; weit darüber hinaus wurde, wenigstens dem Anscheine nach, das Litterarische gepflegt. W. Rose war Mitbegründer eines eine bestimmte Zahl von Professorenfamilien umschließenden Lesezirkels und jeden dritten oder fünften Tag erschienen bald langweilig. Ich bin überzeugt, daß gerade wirkliche Musiker mir hierin Recht geben werden; es ist eben nicht für jeden. Der berühmte Satz „Kunst sei für alle“ ist grundfalsch; Kunst ist umgekehrt für sehr wenige und mitunter ist es mir, als ob es immer weniger würden. Nur das Beefsteak, dem sich leicht folgen läßt, ist in einer steten Machtsteigerung begriffen. Unsre Apotheke war aber nicht bloß eine Verkaufsvorhalle für die Garnisonkirchen-Konzerte, der alte Rose suchte auch was darin, sein Haus selbst auf eine gewisse Kunsthöhe zu heben. Ohne was von diesen Dingen zu verstehn, fand er es doch fein und seines Namens würdig, sich um alles Dahingehörige zu kümmern und innerhalb eng gezogener Grenzen sogar den Mäcen zu spielen. Er verstieg sich dabei bis zu Bilderankäufen – kleine italienische Landschaften – und allerlei höhere Kunstleute gingen ein und aus, darunter Schinkel, der durch seine Frau ein ziemlich naher Verwandter des Hauses war. Trotz all dieser Allüren aber stand Kunst erst in zweiter Reihe; weit darüber hinaus wurde, wenigstens dem Anscheine nach, das Litterarische gepflegt. W. Rose war Mitbegründer eines eine bestimmte Zahl von Professorenfamilien umschließenden Lesezirkels und jeden dritten oder fünften Tag erschienen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0031" n="22"/> bald langweilig. Ich bin überzeugt, daß gerade wirkliche Musiker mir hierin Recht geben werden; es ist eben nicht für jeden. Der berühmte Satz „Kunst sei für alle“ ist grundfalsch; Kunst ist umgekehrt für sehr wenige und mitunter ist es mir, als ob es immer weniger würden. Nur das Beefsteak, dem sich leicht folgen läßt, ist in einer steten Machtsteigerung begriffen.</p><lb/> <p>Unsre Apotheke war aber nicht bloß eine Verkaufsvorhalle für die Garnisonkirchen-Konzerte, der alte Rose suchte auch was darin, sein Haus selbst auf eine gewisse Kunsthöhe zu heben. Ohne was von diesen Dingen zu verstehn, fand er es doch fein und seines Namens würdig, sich um alles Dahingehörige zu kümmern und innerhalb eng gezogener Grenzen sogar den Mäcen zu spielen. Er verstieg sich dabei bis zu Bilderankäufen – kleine italienische Landschaften – und allerlei höhere Kunstleute gingen ein und aus, darunter Schinkel, der durch seine Frau ein ziemlich naher Verwandter des Hauses war. Trotz all dieser Allüren aber stand Kunst erst in zweiter Reihe; weit darüber hinaus wurde, wenigstens dem Anscheine nach, das Litterarische gepflegt. W. Rose war Mitbegründer eines eine bestimmte Zahl von Professorenfamilien umschließenden Lesezirkels und jeden dritten oder fünften Tag erschienen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [22/0031]
bald langweilig. Ich bin überzeugt, daß gerade wirkliche Musiker mir hierin Recht geben werden; es ist eben nicht für jeden. Der berühmte Satz „Kunst sei für alle“ ist grundfalsch; Kunst ist umgekehrt für sehr wenige und mitunter ist es mir, als ob es immer weniger würden. Nur das Beefsteak, dem sich leicht folgen läßt, ist in einer steten Machtsteigerung begriffen.
Unsre Apotheke war aber nicht bloß eine Verkaufsvorhalle für die Garnisonkirchen-Konzerte, der alte Rose suchte auch was darin, sein Haus selbst auf eine gewisse Kunsthöhe zu heben. Ohne was von diesen Dingen zu verstehn, fand er es doch fein und seines Namens würdig, sich um alles Dahingehörige zu kümmern und innerhalb eng gezogener Grenzen sogar den Mäcen zu spielen. Er verstieg sich dabei bis zu Bilderankäufen – kleine italienische Landschaften – und allerlei höhere Kunstleute gingen ein und aus, darunter Schinkel, der durch seine Frau ein ziemlich naher Verwandter des Hauses war. Trotz all dieser Allüren aber stand Kunst erst in zweiter Reihe; weit darüber hinaus wurde, wenigstens dem Anscheine nach, das Litterarische gepflegt. W. Rose war Mitbegründer eines eine bestimmte Zahl von Professorenfamilien umschließenden Lesezirkels und jeden dritten oder fünften Tag erschienen
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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