Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.Ich würde mit diesem Bekenntnis hier wahrscheinlich zurückgehalten haben, wenn ich nicht einem der Strachwitz'schen Gedichte meine Treue bewahrt hätte, und zwar so ganz und so stark, daß dadurch alle meine Untreue gegen ihn wieder aufgewogen wird. Um eines Stückes willen geliebt werden, aber nun auch gründlich, ist das Schönste, was einem Dichter zu teil werden kann. Ich brauche bloß Bürger und seine "Leonore" zu nennen. Da kann nichts gegen an. Aehnlich liegt es mit Strachwitz und seinem "Herz von Douglas". Es zählt zu dem Schönsten, was wir überhaupt haben, und wenn ich mir dann vergegenwärtige, daß der Tunnel zwei solcher Prachtgedichte hervorgebracht hat, erst den "Verlornen Sohn" von Scherenberg - ein Gedicht, das den ganzen übrigen Scherenberg aufwiegt - und dann das "Herz von Douglas", so darf man sagen: "Dieser Tunnel hat nicht umsonst gelebt." Ich kann der Versuchung nicht widerstehen, hier, bei dieser leider viel zu wenig bekannt gewordenen Strachwitz'schen Ballade, noch einen Augenblick zu verweilen. König Robert Bruce liegt im Sterben, und weil er ein am Tage von Bannockburn von ihm geleistetes Gelübde, "gen Jerusalem zu ziehen", nicht erfüllen konnte - "Es hat, wer Schottland bändigen will, Zum Pilgern wenig Zeit" -, so will er sich Ich würde mit diesem Bekenntnis hier wahrscheinlich zurückgehalten haben, wenn ich nicht einem der Strachwitz’schen Gedichte meine Treue bewahrt hätte, und zwar so ganz und so stark, daß dadurch alle meine Untreue gegen ihn wieder aufgewogen wird. Um eines Stückes willen geliebt werden, aber nun auch gründlich, ist das Schönste, was einem Dichter zu teil werden kann. Ich brauche bloß Bürger und seine „Leonore“ zu nennen. Da kann nichts gegen an. Aehnlich liegt es mit Strachwitz und seinem „Herz von Douglas“. Es zählt zu dem Schönsten, was wir überhaupt haben, und wenn ich mir dann vergegenwärtige, daß der Tunnel zwei solcher Prachtgedichte hervorgebracht hat, erst den „Verlornen Sohn“ von Scherenberg – ein Gedicht, das den ganzen übrigen Scherenberg aufwiegt – und dann das „Herz von Douglas“, so darf man sagen: „Dieser Tunnel hat nicht umsonst gelebt.“ Ich kann der Versuchung nicht widerstehen, hier, bei dieser leider viel zu wenig bekannt gewordenen Strachwitz’schen Ballade, noch einen Augenblick zu verweilen. König Robert Bruce liegt im Sterben, und weil er ein am Tage von Bannockburn von ihm geleistetes Gelübde, „gen Jerusalem zu ziehen“, nicht erfüllen konnte – „Es hat, wer Schottland bändigen will, Zum Pilgern wenig Zeit“ –, so will er sich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0297" n="288"/> <p>Ich würde mit diesem Bekenntnis hier wahrscheinlich zurückgehalten haben, wenn ich nicht <hi rendition="#g">einem</hi> der Strachwitz’schen Gedichte meine Treue bewahrt hätte, und zwar so ganz und so stark, daß dadurch alle meine Untreue gegen ihn wieder aufgewogen wird. Um <hi rendition="#g">eines</hi> Stückes willen geliebt werden, aber nun auch gründlich, ist das Schönste, was einem Dichter zu teil werden kann. Ich brauche bloß Bürger und seine „Leonore“ zu nennen. Da kann nichts gegen an. Aehnlich liegt es mit Strachwitz und seinem „Herz von Douglas“. Es zählt zu dem Schönsten, was wir überhaupt haben, und wenn ich mir dann vergegenwärtige, daß der Tunnel <hi rendition="#g">zwei</hi> solcher Prachtgedichte hervorgebracht hat, erst den „Verlornen Sohn“ von Scherenberg – ein Gedicht, das den ganzen übrigen Scherenberg aufwiegt – und dann das „Herz von Douglas“, so darf man sagen: „Dieser Tunnel hat nicht umsonst gelebt.“</p><lb/> <p>Ich kann der Versuchung nicht widerstehen, hier, bei dieser leider viel zu wenig bekannt gewordenen Strachwitz’schen Ballade, noch einen Augenblick zu verweilen. König Robert Bruce liegt im Sterben, und weil er ein am Tage von Bannockburn von ihm geleistetes Gelübde, „gen Jerusalem zu ziehen“, nicht erfüllen konnte – „Es hat, wer Schottland bändigen will, Zum Pilgern wenig Zeit“ –, so will er sich<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [288/0297]
Ich würde mit diesem Bekenntnis hier wahrscheinlich zurückgehalten haben, wenn ich nicht einem der Strachwitz’schen Gedichte meine Treue bewahrt hätte, und zwar so ganz und so stark, daß dadurch alle meine Untreue gegen ihn wieder aufgewogen wird. Um eines Stückes willen geliebt werden, aber nun auch gründlich, ist das Schönste, was einem Dichter zu teil werden kann. Ich brauche bloß Bürger und seine „Leonore“ zu nennen. Da kann nichts gegen an. Aehnlich liegt es mit Strachwitz und seinem „Herz von Douglas“. Es zählt zu dem Schönsten, was wir überhaupt haben, und wenn ich mir dann vergegenwärtige, daß der Tunnel zwei solcher Prachtgedichte hervorgebracht hat, erst den „Verlornen Sohn“ von Scherenberg – ein Gedicht, das den ganzen übrigen Scherenberg aufwiegt – und dann das „Herz von Douglas“, so darf man sagen: „Dieser Tunnel hat nicht umsonst gelebt.“
Ich kann der Versuchung nicht widerstehen, hier, bei dieser leider viel zu wenig bekannt gewordenen Strachwitz’schen Ballade, noch einen Augenblick zu verweilen. König Robert Bruce liegt im Sterben, und weil er ein am Tage von Bannockburn von ihm geleistetes Gelübde, „gen Jerusalem zu ziehen“, nicht erfüllen konnte – „Es hat, wer Schottland bändigen will, Zum Pilgern wenig Zeit“ –, so will er sich
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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