Ich würde mit diesem Bekenntnis hier wahrscheinlich zurückgehalten haben, wenn ich nicht einem der Strachwitz'schen Gedichte meine Treue bewahrt hätte, und zwar so ganz und so stark, daß dadurch alle meine Untreue gegen ihn wieder aufgewogen wird. Um eines Stückes willen geliebt werden, aber nun auch gründlich, ist das Schönste, was einem Dichter zu teil werden kann. Ich brauche bloß Bürger und seine "Leonore" zu nennen. Da kann nichts gegen an. Aehnlich liegt es mit Strachwitz und seinem "Herz von Douglas". Es zählt zu dem Schönsten, was wir überhaupt haben, und wenn ich mir dann vergegenwärtige, daß der Tunnel zwei solcher Prachtgedichte hervorgebracht hat, erst den "Verlornen Sohn" von Scherenberg - ein Gedicht, das den ganzen übrigen Scherenberg aufwiegt - und dann das "Herz von Douglas", so darf man sagen: "Dieser Tunnel hat nicht umsonst gelebt."
Ich kann der Versuchung nicht widerstehen, hier, bei dieser leider viel zu wenig bekannt gewordenen Strachwitz'schen Ballade, noch einen Augenblick zu verweilen. König Robert Bruce liegt im Sterben, und weil er ein am Tage von Bannockburn von ihm geleistetes Gelübde, "gen Jerusalem zu ziehen", nicht erfüllen konnte - "Es hat, wer Schottland bändigen will, Zum Pilgern wenig Zeit" -, so will er sich
Ich würde mit diesem Bekenntnis hier wahrscheinlich zurückgehalten haben, wenn ich nicht einem der Strachwitz’schen Gedichte meine Treue bewahrt hätte, und zwar so ganz und so stark, daß dadurch alle meine Untreue gegen ihn wieder aufgewogen wird. Um eines Stückes willen geliebt werden, aber nun auch gründlich, ist das Schönste, was einem Dichter zu teil werden kann. Ich brauche bloß Bürger und seine „Leonore“ zu nennen. Da kann nichts gegen an. Aehnlich liegt es mit Strachwitz und seinem „Herz von Douglas“. Es zählt zu dem Schönsten, was wir überhaupt haben, und wenn ich mir dann vergegenwärtige, daß der Tunnel zwei solcher Prachtgedichte hervorgebracht hat, erst den „Verlornen Sohn“ von Scherenberg – ein Gedicht, das den ganzen übrigen Scherenberg aufwiegt – und dann das „Herz von Douglas“, so darf man sagen: „Dieser Tunnel hat nicht umsonst gelebt.“
Ich kann der Versuchung nicht widerstehen, hier, bei dieser leider viel zu wenig bekannt gewordenen Strachwitz’schen Ballade, noch einen Augenblick zu verweilen. König Robert Bruce liegt im Sterben, und weil er ein am Tage von Bannockburn von ihm geleistetes Gelübde, „gen Jerusalem zu ziehen“, nicht erfüllen konnte – „Es hat, wer Schottland bändigen will, Zum Pilgern wenig Zeit“ –, so will er sich
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0297"n="288"/><p>Ich würde mit diesem Bekenntnis hier wahrscheinlich zurückgehalten haben, wenn ich nicht <hirendition="#g">einem</hi> der Strachwitz’schen Gedichte meine Treue bewahrt hätte, und zwar so ganz und so stark, daß dadurch alle meine Untreue gegen ihn wieder aufgewogen wird. Um <hirendition="#g">eines</hi> Stückes willen geliebt werden, aber nun auch gründlich, ist das Schönste, was einem Dichter zu teil werden kann. Ich brauche bloß Bürger und seine „Leonore“ zu nennen. Da kann nichts gegen an. Aehnlich liegt es mit Strachwitz und seinem „Herz von Douglas“. Es zählt zu dem Schönsten, was wir überhaupt haben, und wenn ich mir dann vergegenwärtige, daß der Tunnel <hirendition="#g">zwei</hi> solcher Prachtgedichte hervorgebracht hat, erst den „Verlornen Sohn“ von Scherenberg – ein Gedicht, das den ganzen übrigen Scherenberg aufwiegt – und dann das „Herz von Douglas“, so darf man sagen: „Dieser Tunnel hat nicht umsonst gelebt.“</p><lb/><p>Ich kann der Versuchung nicht widerstehen, hier, bei dieser leider viel zu wenig bekannt gewordenen Strachwitz’schen Ballade, noch einen Augenblick zu verweilen. König Robert Bruce liegt im Sterben, und weil er ein am Tage von Bannockburn von ihm geleistetes Gelübde, „gen Jerusalem zu ziehen“, nicht erfüllen konnte –„Es hat, wer Schottland bändigen will, Zum Pilgern wenig Zeit“–, so will er sich<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[288/0297]
Ich würde mit diesem Bekenntnis hier wahrscheinlich zurückgehalten haben, wenn ich nicht einem der Strachwitz’schen Gedichte meine Treue bewahrt hätte, und zwar so ganz und so stark, daß dadurch alle meine Untreue gegen ihn wieder aufgewogen wird. Um eines Stückes willen geliebt werden, aber nun auch gründlich, ist das Schönste, was einem Dichter zu teil werden kann. Ich brauche bloß Bürger und seine „Leonore“ zu nennen. Da kann nichts gegen an. Aehnlich liegt es mit Strachwitz und seinem „Herz von Douglas“. Es zählt zu dem Schönsten, was wir überhaupt haben, und wenn ich mir dann vergegenwärtige, daß der Tunnel zwei solcher Prachtgedichte hervorgebracht hat, erst den „Verlornen Sohn“ von Scherenberg – ein Gedicht, das den ganzen übrigen Scherenberg aufwiegt – und dann das „Herz von Douglas“, so darf man sagen: „Dieser Tunnel hat nicht umsonst gelebt.“
Ich kann der Versuchung nicht widerstehen, hier, bei dieser leider viel zu wenig bekannt gewordenen Strachwitz’schen Ballade, noch einen Augenblick zu verweilen. König Robert Bruce liegt im Sterben, und weil er ein am Tage von Bannockburn von ihm geleistetes Gelübde, „gen Jerusalem zu ziehen“, nicht erfüllen konnte – „Es hat, wer Schottland bändigen will, Zum Pilgern wenig Zeit“ –, so will er sich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/297>, abgerufen am 27.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.