Betreffende mit seiner Improvisation den Vogel abschießen. Denn in solchen Ausnahmefällen erhebt sich das Bummlige zum Natürlichen und stattet nun das bloß Hingeworfene mit einem naiven oder auch mit jenem Inspirationszauber aus, den das bloß Kunstvolle nie hat. Und zu solchem Ausnahmefalle brachte es Eggers, als er, auf eine kleine Zeitungsnotiz gestützt, in einer Winternacht 1871 sein Gedicht schrieb "Die Fahne vom 61. Regiment".
Es lautet:
Wo ist die Fahne geblieben Vom einundsechzigsten Regiment? Im Kampf umher getrieben Wo er am allerschwülsten brennt. Kaum war der Streit entglommen, Sie wehte straff, sie wehte hoch, Die Wogen geh'n und kommen, Und immer steht sie noch.
Ihr habt sie sehen sinken, Doch sich erheben bald darauf Und immer wieder winken - Zuletzt da stand sie nicht mehr auf. "Wo ist sie hingekommen, Barg sie der Feind in seinem Zelt?" Er hat sie nicht genommen, Er fand sie auf dem Feld.
Sie war zerfetzt, zerschossen, Die Stange gebrochen und angebrannt, So gaben sie die Genossen Von sterbender Hand zu sterbender Hand.
Betreffende mit seiner Improvisation den Vogel abschießen. Denn in solchen Ausnahmefällen erhebt sich das Bummlige zum Natürlichen und stattet nun das bloß Hingeworfene mit einem naiven oder auch mit jenem Inspirationszauber aus, den das bloß Kunstvolle nie hat. Und zu solchem Ausnahmefalle brachte es Eggers, als er, auf eine kleine Zeitungsnotiz gestützt, in einer Winternacht 1871 sein Gedicht schrieb „Die Fahne vom 61. Regiment“.
Es lautet:
Wo ist die Fahne geblieben Vom einundsechzigsten Regiment? Im Kampf umher getrieben Wo er am allerschwülsten brennt. Kaum war der Streit entglommen, Sie wehte straff, sie wehte hoch, Die Wogen geh’n und kommen, Und immer steht sie noch.
Ihr habt sie sehen sinken, Doch sich erheben bald darauf Und immer wieder winken – Zuletzt da stand sie nicht mehr auf. „Wo ist sie hingekommen, Barg sie der Feind in seinem Zelt?“ Er hat sie nicht genommen, Er fand sie auf dem Feld.
Sie war zerfetzt, zerschossen, Die Stange gebrochen und angebrannt, So gaben sie die Genossen Von sterbender Hand zu sterbender Hand.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0324"n="315"/>
Betreffende mit seiner Improvisation den Vogel abschießen. Denn in solchen Ausnahmefällen erhebt sich das Bummlige zum Natürlichen und stattet nun das bloß Hingeworfene mit einem naiven oder auch mit jenem Inspirationszauber aus, den das bloß Kunstvolle nie hat. Und zu solchem Ausnahmefalle brachte es Eggers, als er, auf eine kleine Zeitungsnotiz gestützt, in einer Winternacht 1871 sein Gedicht schrieb „<hirendition="#g">Die Fahne vom 61. Regiment</hi>“.</p><lb/><p>Es lautet:</p><lb/><lgtype="poem"><lgn="1"><l>Wo ist die Fahne geblieben</l><lb/><l>Vom einundsechzigsten Regiment?</l><lb/><l>Im Kampf umher getrieben</l><lb/><l>Wo er am allerschwülsten brennt.</l><lb/><l>Kaum war der Streit entglommen,</l><lb/><l>Sie wehte straff, sie wehte hoch,</l><lb/><l>Die Wogen geh’n und kommen,</l><lb/><l>Und immer steht sie noch.</l><lb/></lg><lgn="2"><l>Ihr habt sie sehen sinken,</l><lb/><l>Doch sich erheben bald darauf</l><lb/><l>Und immer wieder winken –</l><lb/><l>Zuletzt da stand sie nicht mehr auf.</l><lb/><l>„Wo ist sie hingekommen,</l><lb/><l>Barg sie der Feind in seinem Zelt?“</l><lb/><l>Er hat sie nicht genommen,</l><lb/><l>Er fand sie auf dem Feld.</l><lb/></lg><lgn="3"><l>Sie war zerfetzt, zerschossen,</l><lb/><l>Die Stange gebrochen und angebrannt,</l><lb/><l>So gaben sie die Genossen</l><lb/><l>Von sterbender Hand zu sterbender Hand.</l></lg><lb/></lg></div></div></div></body></text></TEI>
[315/0324]
Betreffende mit seiner Improvisation den Vogel abschießen. Denn in solchen Ausnahmefällen erhebt sich das Bummlige zum Natürlichen und stattet nun das bloß Hingeworfene mit einem naiven oder auch mit jenem Inspirationszauber aus, den das bloß Kunstvolle nie hat. Und zu solchem Ausnahmefalle brachte es Eggers, als er, auf eine kleine Zeitungsnotiz gestützt, in einer Winternacht 1871 sein Gedicht schrieb „Die Fahne vom 61. Regiment“.
Es lautet:
Wo ist die Fahne geblieben
Vom einundsechzigsten Regiment?
Im Kampf umher getrieben
Wo er am allerschwülsten brennt.
Kaum war der Streit entglommen,
Sie wehte straff, sie wehte hoch,
Die Wogen geh’n und kommen,
Und immer steht sie noch.
Ihr habt sie sehen sinken,
Doch sich erheben bald darauf
Und immer wieder winken –
Zuletzt da stand sie nicht mehr auf.
„Wo ist sie hingekommen,
Barg sie der Feind in seinem Zelt?“
Er hat sie nicht genommen,
Er fand sie auf dem Feld.
Sie war zerfetzt, zerschossen,
Die Stange gebrochen und angebrannt,
So gaben sie die Genossen
Von sterbender Hand zu sterbender Hand.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/324>, abgerufen am 27.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.