Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

Professor Joachim'sche Haus in der Zeltenstraße - Schöpfungen, die selbst von denen, die, nach der Seite strenger Kunst hin, vielleicht manches daran auszusetzen haben, um ihres Esprit willen anerkannt werden. Er gehörte zur Schinkel'schen Schule, war aber späterhin beflissen, jene rigorose Schlichtheit und ängstliche Detailausbildung zu vermeiden, die gelegentlich zur Langenweile führt. "Ich habe mich früher zu sehr bei den ,Klinken' aufgehalten," pflegte er zu sagen, "jetzt weiß ich, daß es aufs Ganze ankommt." Diese freiere Behandlung der Dinge, zu der er sich allmählich durchgerungen, ward ihm, je nach dem Standpunkte des Beurteilers, hoch angerechnet oder auch verübelt. In einem Punkt aber stimmten alle Parteien überein: in der Anerkennung seiner großen Liebenswürdigkeit. Im Verkehr war er hinreißend, freilich immer vorausgesetzt, daß er sich von den ihn umgebenden Personen angeheimelt fühlte; war aber, und dies darf nicht verschwiegen werden, auch nur ein einziger da, der ihn durch Wichtigthuerei, Besserwissen oder irgend eine Sonderbarkeit anödete, so verfiel er sofort in demonstrative Gähnkrämpfe, gab Zeichen äußerster Ungeduld und verschwand. Ich habe sehr viele gute Gesellschafter kennen gelernt: Faucher, W. Lübke, Roquette, Lepel, Zöllner - Sekretär der Akademie der Künste -,

Professor Joachim’sche Haus in der Zeltenstraße – Schöpfungen, die selbst von denen, die, nach der Seite strenger Kunst hin, vielleicht manches daran auszusetzen haben, um ihres Esprit willen anerkannt werden. Er gehörte zur Schinkel’schen Schule, war aber späterhin beflissen, jene rigorose Schlichtheit und ängstliche Detailausbildung zu vermeiden, die gelegentlich zur Langenweile führt. „Ich habe mich früher zu sehr bei den ‚Klinken‘ aufgehalten,“ pflegte er zu sagen, „jetzt weiß ich, daß es aufs Ganze ankommt.“ Diese freiere Behandlung der Dinge, zu der er sich allmählich durchgerungen, ward ihm, je nach dem Standpunkte des Beurteilers, hoch angerechnet oder auch verübelt. In einem Punkt aber stimmten alle Parteien überein: in der Anerkennung seiner großen Liebenswürdigkeit. Im Verkehr war er hinreißend, freilich immer vorausgesetzt, daß er sich von den ihn umgebenden Personen angeheimelt fühlte; war aber, und dies darf nicht verschwiegen werden, auch nur ein einziger da, der ihn durch Wichtigthuerei, Besserwissen oder irgend eine Sonderbarkeit anödete, so verfiel er sofort in demonstrative Gähnkrämpfe, gab Zeichen äußerster Ungeduld und verschwand. Ich habe sehr viele gute Gesellschafter kennen gelernt: Faucher, W. Lübke, Roquette, Lepel, Zöllner – Sekretär der Akademie der Künste –,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0326" n="317"/>
Professor Joachim&#x2019;sche Haus in der Zeltenstraße &#x2013; Schöpfungen, die selbst von denen, die, nach der Seite strenger Kunst hin, vielleicht manches daran auszusetzen haben, um ihres Esprit willen anerkannt werden. Er gehörte zur Schinkel&#x2019;schen Schule, war aber späterhin beflissen, jene rigorose Schlichtheit und ängstliche Detailausbildung zu vermeiden, die gelegentlich zur Langenweile führt. &#x201E;Ich habe mich früher zu sehr bei den &#x201A;Klinken&#x2018; aufgehalten,&#x201C; pflegte er zu sagen, &#x201E;jetzt weiß ich, daß es aufs Ganze ankommt.&#x201C; Diese freiere Behandlung der Dinge, zu der er sich allmählich durchgerungen, ward ihm, je nach dem Standpunkte des Beurteilers, hoch angerechnet oder auch verübelt. In einem Punkt aber stimmten alle Parteien überein: in der Anerkennung seiner großen Liebenswürdigkeit. Im Verkehr war er hinreißend, freilich immer vorausgesetzt, daß er sich von den ihn umgebenden Personen angeheimelt fühlte; war aber, und dies darf nicht verschwiegen werden, auch nur ein einziger da, der ihn durch Wichtigthuerei, Besserwissen oder irgend eine Sonderbarkeit anödete, so verfiel er sofort in demonstrative Gähnkrämpfe, gab Zeichen äußerster Ungeduld und verschwand. Ich habe sehr viele gute Gesellschafter kennen gelernt: Faucher, W. Lübke, Roquette, Lepel, Zöllner &#x2013; Sekretär der Akademie der Künste &#x2013;,<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[317/0326] Professor Joachim’sche Haus in der Zeltenstraße – Schöpfungen, die selbst von denen, die, nach der Seite strenger Kunst hin, vielleicht manches daran auszusetzen haben, um ihres Esprit willen anerkannt werden. Er gehörte zur Schinkel’schen Schule, war aber späterhin beflissen, jene rigorose Schlichtheit und ängstliche Detailausbildung zu vermeiden, die gelegentlich zur Langenweile führt. „Ich habe mich früher zu sehr bei den ‚Klinken‘ aufgehalten,“ pflegte er zu sagen, „jetzt weiß ich, daß es aufs Ganze ankommt.“ Diese freiere Behandlung der Dinge, zu der er sich allmählich durchgerungen, ward ihm, je nach dem Standpunkte des Beurteilers, hoch angerechnet oder auch verübelt. In einem Punkt aber stimmten alle Parteien überein: in der Anerkennung seiner großen Liebenswürdigkeit. Im Verkehr war er hinreißend, freilich immer vorausgesetzt, daß er sich von den ihn umgebenden Personen angeheimelt fühlte; war aber, und dies darf nicht verschwiegen werden, auch nur ein einziger da, der ihn durch Wichtigthuerei, Besserwissen oder irgend eine Sonderbarkeit anödete, so verfiel er sofort in demonstrative Gähnkrämpfe, gab Zeichen äußerster Ungeduld und verschwand. Ich habe sehr viele gute Gesellschafter kennen gelernt: Faucher, W. Lübke, Roquette, Lepel, Zöllner – Sekretär der Akademie der Künste –,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2018-07-25T10:02:20Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-25T10:02:20Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

  • Bogensignaturen: nicht übernommen;
  • Druckfehler: dokumentiert;
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet;
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert;
  • langes s (ſ): als s transkribiert;
  • Normalisierungen: keine;
  • Seitenumbrüche markiert: ja;
  • Silbentrennung: aufgelöst;
  • Vollständigkeit: vollständig erfasst;
  • Zeichensetzung: wie Vorlage;
  • Zeilenumbrüche markiert: nein.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/326
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/326>, abgerufen am 25.11.2024.