Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.Dies kam so. Wollheim bewohnte, während seines Berliner Aufenthaltes, ein bescheidenes kleines Zimmer in der Luisenstraße und hatte über dem Waschtisch, der dicht neben der Eingangsthür in einer durch Wand und Kleiderschrank gebildeten Ecke stand, eine "ewige Lampe" angebracht. Diese "ewige Lampe" choquierte mehrere Vereinsmitglieder, besonders den Charitee-Rendanten Müller, der im Tunnel natürlich "Ernst Schulze" hieß und sich - vielleicht um sich als solcher zu legitimieren - dann und wann in ursentimentalen Gedichten erging. Diese Sentimentalität hielt ihn aber nicht ab, mit vieler Malice darüber nachzusinnen, wie er dem da Fonseca'schen Erzkatholizismus, an den er natürlich nicht glaubte, einen Schabernack spielen könne. Die Gelegenheit dazu fand sich bald. Müller erschien eines Sonntags bei Wollheim, um diesen zum Tunnel abzuholen, und im selben Augenblicke, wo man das Zimmer gemeinschaftlich verlassen wollte, trat Müller an das kleine Binsennachtlicht heran, steckte sich die Zigarre an und pustete dann die "ewige Lampe" aus. Daraus entstand eine sehr heftige Szene, und am nächsten Sonntag sollte die Sache im Grunewald, ganz in der Nähe von Pichelsberg, mit Pistolen ausgefochten werden. Zum Glück hatte Louis Schneider die Sache in die Hand genommen und hielt, als man sich in zwei Dies kam so. Wollheim bewohnte, während seines Berliner Aufenthaltes, ein bescheidenes kleines Zimmer in der Luisenstraße und hatte über dem Waschtisch, der dicht neben der Eingangsthür in einer durch Wand und Kleiderschrank gebildeten Ecke stand, eine „ewige Lampe“ angebracht. Diese „ewige Lampe“ choquierte mehrere Vereinsmitglieder, besonders den Charitee-Rendanten Müller, der im Tunnel natürlich „Ernst Schulze“ hieß und sich – vielleicht um sich als solcher zu legitimieren – dann und wann in ursentimentalen Gedichten erging. Diese Sentimentalität hielt ihn aber nicht ab, mit vieler Malice darüber nachzusinnen, wie er dem da Fonseca’schen Erzkatholizismus, an den er natürlich nicht glaubte, einen Schabernack spielen könne. Die Gelegenheit dazu fand sich bald. Müller erschien eines Sonntags bei Wollheim, um diesen zum Tunnel abzuholen, und im selben Augenblicke, wo man das Zimmer gemeinschaftlich verlassen wollte, trat Müller an das kleine Binsennachtlicht heran, steckte sich die Zigarre an und pustete dann die „ewige Lampe“ aus. Daraus entstand eine sehr heftige Szene, und am nächsten Sonntag sollte die Sache im Grunewald, ganz in der Nähe von Pichelsberg, mit Pistolen ausgefochten werden. Zum Glück hatte Louis Schneider die Sache in die Hand genommen und hielt, als man sich in zwei <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0338" n="329"/> <p>Dies kam so. Wollheim bewohnte, während seines Berliner Aufenthaltes, ein bescheidenes kleines Zimmer in der Luisenstraße und hatte über dem Waschtisch, der dicht neben der Eingangsthür in einer durch Wand und Kleiderschrank gebildeten Ecke stand, eine „ewige Lampe“ angebracht. Diese „ewige Lampe“ choquierte mehrere Vereinsmitglieder, besonders den Charitee-Rendanten Müller, der im Tunnel natürlich „Ernst Schulze“ hieß und sich – vielleicht um sich als solcher zu legitimieren – dann und wann in ursentimentalen Gedichten erging. Diese Sentimentalität hielt ihn aber nicht ab, mit vieler Malice darüber nachzusinnen, wie er dem da Fonseca’schen Erzkatholizismus, an den er natürlich nicht glaubte, einen Schabernack spielen könne. Die Gelegenheit dazu fand sich bald. Müller erschien eines Sonntags bei Wollheim, um diesen zum Tunnel abzuholen, und im selben Augenblicke, wo man das Zimmer gemeinschaftlich verlassen wollte, trat Müller an das kleine Binsennachtlicht heran, steckte sich die Zigarre an und pustete dann die „ewige Lampe“ aus. Daraus entstand eine sehr heftige Szene, und am nächsten Sonntag sollte die Sache im Grunewald, ganz in der Nähe von Pichelsberg, mit Pistolen ausgefochten werden. Zum Glück hatte Louis Schneider die Sache in die Hand genommen und hielt, als man sich in zwei<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [329/0338]
Dies kam so. Wollheim bewohnte, während seines Berliner Aufenthaltes, ein bescheidenes kleines Zimmer in der Luisenstraße und hatte über dem Waschtisch, der dicht neben der Eingangsthür in einer durch Wand und Kleiderschrank gebildeten Ecke stand, eine „ewige Lampe“ angebracht. Diese „ewige Lampe“ choquierte mehrere Vereinsmitglieder, besonders den Charitee-Rendanten Müller, der im Tunnel natürlich „Ernst Schulze“ hieß und sich – vielleicht um sich als solcher zu legitimieren – dann und wann in ursentimentalen Gedichten erging. Diese Sentimentalität hielt ihn aber nicht ab, mit vieler Malice darüber nachzusinnen, wie er dem da Fonseca’schen Erzkatholizismus, an den er natürlich nicht glaubte, einen Schabernack spielen könne. Die Gelegenheit dazu fand sich bald. Müller erschien eines Sonntags bei Wollheim, um diesen zum Tunnel abzuholen, und im selben Augenblicke, wo man das Zimmer gemeinschaftlich verlassen wollte, trat Müller an das kleine Binsennachtlicht heran, steckte sich die Zigarre an und pustete dann die „ewige Lampe“ aus. Daraus entstand eine sehr heftige Szene, und am nächsten Sonntag sollte die Sache im Grunewald, ganz in der Nähe von Pichelsberg, mit Pistolen ausgefochten werden. Zum Glück hatte Louis Schneider die Sache in die Hand genommen und hielt, als man sich in zwei
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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