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Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.

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doch leichter auf; man sieht ihre Autorität nicht für voll an oder geht davon aus: "ach, diese armen Teufel müssen eine Ernsthaftigkeitskomödie bloß spielen; eigentlich wären sie gern so ausgelassen wie ihr selbst." Im ganzen lag es so, daß wir, während dieser herrenlosen Zeit, ordentlich und ehrlich unsre Schuldigkeit thaten, aber in den Freistunden um vieles ungebundner auftraten. Ich nun schon gewiß. So lange ich Lehrling war, waren dieser Ungebundenheit immer bestimmte Grenzen gezogen, aber vom Sommer 1840 ab benutzte ich mein inzwischen eingetretenes Avancement zu allerhand Tollheiten und eines Tages gab ich sogar ein Fest, ein reines Bacchanal, wenn ich die Dürftigkeit der Mittel erwäge, die mir zur Verfügung standen. Mein im Hinterhause gelegenes Zimmer war ausgeräumt worden, um eine lange Tafel decken zu können, an der nun, bunt untereinander gemischt, meine ganze Kollegenschaft und meine litterarischen Freunde saßen, unter diesen auch ein junger Offizier von der Garde, der aber wohlweislich seinen Offiziersrock mit einem Durchschnittscivil vertauscht hatte. Das Fest selbst galt meinem eben damals Berlin verlassenden Freunde Egbert Hanisch, den ich in einem spätren Kapitel ausführlicher zu schildern haben werde. Waldmeisterbowlen wurden in immer

doch leichter auf; man sieht ihre Autorität nicht für voll an oder geht davon aus: „ach, diese armen Teufel müssen eine Ernsthaftigkeitskomödie bloß spielen; eigentlich wären sie gern so ausgelassen wie ihr selbst.“ Im ganzen lag es so, daß wir, während dieser herrenlosen Zeit, ordentlich und ehrlich unsre Schuldigkeit thaten, aber in den Freistunden um vieles ungebundner auftraten. Ich nun schon gewiß. So lange ich Lehrling war, waren dieser Ungebundenheit immer bestimmte Grenzen gezogen, aber vom Sommer 1840 ab benutzte ich mein inzwischen eingetretenes Avancement zu allerhand Tollheiten und eines Tages gab ich sogar ein Fest, ein reines Bacchanal, wenn ich die Dürftigkeit der Mittel erwäge, die mir zur Verfügung standen. Mein im Hinterhause gelegenes Zimmer war ausgeräumt worden, um eine lange Tafel decken zu können, an der nun, bunt untereinander gemischt, meine ganze Kollegenschaft und meine litterarischen Freunde saßen, unter diesen auch ein junger Offizier von der Garde, der aber wohlweislich seinen Offiziersrock mit einem Durchschnittscivil vertauscht hatte. Das Fest selbst galt meinem eben damals Berlin verlassenden Freunde Egbert Hanisch, den ich in einem spätren Kapitel ausführlicher zu schildern haben werde. Waldmeisterbowlen wurden in immer

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[25/0034] doch leichter auf; man sieht ihre Autorität nicht für voll an oder geht davon aus: „ach, diese armen Teufel müssen eine Ernsthaftigkeitskomödie bloß spielen; eigentlich wären sie gern so ausgelassen wie ihr selbst.“ Im ganzen lag es so, daß wir, während dieser herrenlosen Zeit, ordentlich und ehrlich unsre Schuldigkeit thaten, aber in den Freistunden um vieles ungebundner auftraten. Ich nun schon gewiß. So lange ich Lehrling war, waren dieser Ungebundenheit immer bestimmte Grenzen gezogen, aber vom Sommer 1840 ab benutzte ich mein inzwischen eingetretenes Avancement zu allerhand Tollheiten und eines Tages gab ich sogar ein Fest, ein reines Bacchanal, wenn ich die Dürftigkeit der Mittel erwäge, die mir zur Verfügung standen. Mein im Hinterhause gelegenes Zimmer war ausgeräumt worden, um eine lange Tafel decken zu können, an der nun, bunt untereinander gemischt, meine ganze Kollegenschaft und meine litterarischen Freunde saßen, unter diesen auch ein junger Offizier von der Garde, der aber wohlweislich seinen Offiziersrock mit einem Durchschnittscivil vertauscht hatte. Das Fest selbst galt meinem eben damals Berlin verlassenden Freunde Egbert Hanisch, den ich in einem spätren Kapitel ausführlicher zu schildern haben werde. Waldmeisterbowlen wurden in immer

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2018-07-25T10:02:20Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-25T10:02:20Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/34>, abgerufen am 09.11.2024.