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Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.

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neuer Zahl und Menge gebraut, den ganzen Tisch entlang standen Vergißmeinnichtkränze in Schüsseln, Toaste drängten sich an Toaste und so sangen wir bis in die Nacht hinein. Mir ist nachträglich immer das hohe Maß von Freiheit erstaunlich, das sich die Jugend unter allen Umständen zu verschaffen weiß. Dabei muß ich noch hinzusetzen, daß das, was ich damals peccierte, nur ein schwacher Ausläufer dessen war, was, Mitte der dreißiger Jahre, meine Lehrlings-Vorgänger geleistet hatten. Einer dieser letztern war ein junger Falkenberg, entzückender Kerl, angehender oder auch schon etablierter Don Juan und dabei Sohn eines richtigen, in seiner Sphäre sogar berühmt gewordenen Polizeirats. Dieser junge Falkenberg nun - er besaß später die Viktoria-Apotheke, Friedrichstraße, dicht am Belle-Alliance-Platz - war ein Ausbund von Keckheit und Ausgelassenheit, worin er nur noch von seinem ältren Kollegen, einem Roseschen Neffen, übertroffen wurde. Mit diesem zusammen hatte Falkenberg, in Tagen und Wochen, wo sie gemeinschaftlich den Nachtdienst hatten, die ganze Spandauerstraßengegend devastiert und auf den Kopf gestellt und zwar dadurch, daß sie, der eine mit einer kleinen festen Leiter, der andre mit allerlei Handwerkszeug ausgerüstet, überall die Geschäftsschilder abbrachen und diese vertauschten,

neuer Zahl und Menge gebraut, den ganzen Tisch entlang standen Vergißmeinnichtkränze in Schüsseln, Toaste drängten sich an Toaste und so sangen wir bis in die Nacht hinein. Mir ist nachträglich immer das hohe Maß von Freiheit erstaunlich, das sich die Jugend unter allen Umständen zu verschaffen weiß. Dabei muß ich noch hinzusetzen, daß das, was ich damals peccierte, nur ein schwacher Ausläufer dessen war, was, Mitte der dreißiger Jahre, meine Lehrlings-Vorgänger geleistet hatten. Einer dieser letztern war ein junger Falkenberg, entzückender Kerl, angehender oder auch schon etablierter Don Juan und dabei Sohn eines richtigen, in seiner Sphäre sogar berühmt gewordenen Polizeirats. Dieser junge Falkenberg nun – er besaß später die Viktoria-Apotheke, Friedrichstraße, dicht am Belle-Alliance-Platz – war ein Ausbund von Keckheit und Ausgelassenheit, worin er nur noch von seinem ältren Kollegen, einem Roseschen Neffen, übertroffen wurde. Mit diesem zusammen hatte Falkenberg, in Tagen und Wochen, wo sie gemeinschaftlich den Nachtdienst hatten, die ganze Spandauerstraßengegend devastiert und auf den Kopf gestellt und zwar dadurch, daß sie, der eine mit einer kleinen festen Leiter, der andre mit allerlei Handwerkszeug ausgerüstet, überall die Geschäftsschilder abbrachen und diese vertauschten,

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[26/0035] neuer Zahl und Menge gebraut, den ganzen Tisch entlang standen Vergißmeinnichtkränze in Schüsseln, Toaste drängten sich an Toaste und so sangen wir bis in die Nacht hinein. Mir ist nachträglich immer das hohe Maß von Freiheit erstaunlich, das sich die Jugend unter allen Umständen zu verschaffen weiß. Dabei muß ich noch hinzusetzen, daß das, was ich damals peccierte, nur ein schwacher Ausläufer dessen war, was, Mitte der dreißiger Jahre, meine Lehrlings-Vorgänger geleistet hatten. Einer dieser letztern war ein junger Falkenberg, entzückender Kerl, angehender oder auch schon etablierter Don Juan und dabei Sohn eines richtigen, in seiner Sphäre sogar berühmt gewordenen Polizeirats. Dieser junge Falkenberg nun – er besaß später die Viktoria-Apotheke, Friedrichstraße, dicht am Belle-Alliance-Platz – war ein Ausbund von Keckheit und Ausgelassenheit, worin er nur noch von seinem ältren Kollegen, einem Roseschen Neffen, übertroffen wurde. Mit diesem zusammen hatte Falkenberg, in Tagen und Wochen, wo sie gemeinschaftlich den Nachtdienst hatten, die ganze Spandauerstraßengegend devastiert und auf den Kopf gestellt und zwar dadurch, daß sie, der eine mit einer kleinen festen Leiter, der andre mit allerlei Handwerkszeug ausgerüstet, überall die Geschäftsschilder abbrachen und diese vertauschten,

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2018-07-25T10:02:20Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-25T10:02:20Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/35>, abgerufen am 03.05.2024.