Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.so daß wo beispielsweise "Pastor Berduscheck" wohnte, den Tag darauf "Hebamme Mittermeier" zu lesen war und umgekehrt. Wie sich denken läßt, kam es ihnen bei diesem Treiben darauf an, sich in Anzüglichkeiten zu überbieten. Mitunter aber scheiterten sie, wenn sie vor einem plötzlich sichtbar werdenden Nachtwächter die Flucht ergreifen mußten; in solchem Falle nahmen sie dann die bereits abgerissenen, aber noch nicht umgetauschten Schilder einfach als gute Prise mit nach Hause. Diese Prisenstücke hatten sich, wie sich denken läßt, im Laufe zweier Jahre zu einem förmlichen, in einem Kohlenkeller untergebrachten Museum erweitert. Da standen und lagen sie, verstaubt und vergessen, bis der endliche Abgang des vorgenannten Roseschen Neffen ihnen noch einmal zu einer fröhlichen Auferstehung verhalf. Falkenberg, dem Scheidenden ein Fest gebend, wandelte das gemeinschaftlich von ihnen bewohnte Zimmer in eine Art Ruhmeshalle um, drin all die geraubten Gegenstände, - darunter namentlich Doktorklingeln mit der Aufschrift "Nachtglocke", so wie auch von Weißbier- und Budikerkellern abgebrochene "Genrestücke" - hoch aufgespeichert waren. Alle diese Spolia opima standen, lagen oder hingen umher, Tannenguirlanden dazwischen und unter Absingung wehmutsvoller Lieder, gedachte man so daß wo beispielsweise „Pastor Berduscheck“ wohnte, den Tag darauf „Hebamme Mittermeier“ zu lesen war und umgekehrt. Wie sich denken läßt, kam es ihnen bei diesem Treiben darauf an, sich in Anzüglichkeiten zu überbieten. Mitunter aber scheiterten sie, wenn sie vor einem plötzlich sichtbar werdenden Nachtwächter die Flucht ergreifen mußten; in solchem Falle nahmen sie dann die bereits abgerissenen, aber noch nicht umgetauschten Schilder einfach als gute Prise mit nach Hause. Diese Prisenstücke hatten sich, wie sich denken läßt, im Laufe zweier Jahre zu einem förmlichen, in einem Kohlenkeller untergebrachten Museum erweitert. Da standen und lagen sie, verstaubt und vergessen, bis der endliche Abgang des vorgenannten Roseschen Neffen ihnen noch einmal zu einer fröhlichen Auferstehung verhalf. Falkenberg, dem Scheidenden ein Fest gebend, wandelte das gemeinschaftlich von ihnen bewohnte Zimmer in eine Art Ruhmeshalle um, drin all die geraubten Gegenstände, – darunter namentlich Doktorklingeln mit der Aufschrift „Nachtglocke“, so wie auch von Weißbier- und Budikerkellern abgebrochene „Genrestücke“ – hoch aufgespeichert waren. Alle diese Spolia opima standen, lagen oder hingen umher, Tannenguirlanden dazwischen und unter Absingung wehmutsvoller Lieder, gedachte man <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0036" n="27"/> so daß wo beispielsweise „Pastor Berduscheck“ wohnte, den Tag darauf „Hebamme Mittermeier“ zu lesen war und umgekehrt. Wie sich denken läßt, kam es ihnen bei diesem Treiben darauf an, sich in Anzüglichkeiten zu überbieten. Mitunter aber scheiterten sie, wenn sie vor einem plötzlich sichtbar werdenden Nachtwächter die Flucht ergreifen mußten; in solchem Falle nahmen sie dann die bereits abgerissenen, aber noch nicht umgetauschten Schilder einfach als gute Prise mit nach Hause. Diese Prisenstücke hatten sich, wie sich denken läßt, im Laufe zweier Jahre zu einem förmlichen, in einem Kohlenkeller untergebrachten Museum erweitert. Da standen und lagen sie, verstaubt und vergessen, bis der endliche Abgang des vorgenannten Roseschen Neffen ihnen noch einmal zu einer fröhlichen Auferstehung verhalf. Falkenberg, dem Scheidenden ein Fest gebend, wandelte das gemeinschaftlich von ihnen bewohnte Zimmer in eine Art Ruhmeshalle um, drin all die geraubten Gegenstände, – darunter namentlich Doktorklingeln mit der Aufschrift „Nachtglocke“, so wie auch von Weißbier- und Budikerkellern abgebrochene „Genrestücke“ – hoch aufgespeichert waren. Alle diese <hi rendition="#aq">Spolia opima</hi> standen, lagen oder hingen umher, Tannenguirlanden dazwischen und unter Absingung wehmutsvoller Lieder, gedachte man<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [27/0036]
so daß wo beispielsweise „Pastor Berduscheck“ wohnte, den Tag darauf „Hebamme Mittermeier“ zu lesen war und umgekehrt. Wie sich denken läßt, kam es ihnen bei diesem Treiben darauf an, sich in Anzüglichkeiten zu überbieten. Mitunter aber scheiterten sie, wenn sie vor einem plötzlich sichtbar werdenden Nachtwächter die Flucht ergreifen mußten; in solchem Falle nahmen sie dann die bereits abgerissenen, aber noch nicht umgetauschten Schilder einfach als gute Prise mit nach Hause. Diese Prisenstücke hatten sich, wie sich denken läßt, im Laufe zweier Jahre zu einem förmlichen, in einem Kohlenkeller untergebrachten Museum erweitert. Da standen und lagen sie, verstaubt und vergessen, bis der endliche Abgang des vorgenannten Roseschen Neffen ihnen noch einmal zu einer fröhlichen Auferstehung verhalf. Falkenberg, dem Scheidenden ein Fest gebend, wandelte das gemeinschaftlich von ihnen bewohnte Zimmer in eine Art Ruhmeshalle um, drin all die geraubten Gegenstände, – darunter namentlich Doktorklingeln mit der Aufschrift „Nachtglocke“, so wie auch von Weißbier- und Budikerkellern abgebrochene „Genrestücke“ – hoch aufgespeichert waren. Alle diese Spolia opima standen, lagen oder hingen umher, Tannenguirlanden dazwischen und unter Absingung wehmutsvoller Lieder, gedachte man
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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