Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.Gastwirten ist bei Strafe, daß sonst nicht länger als 6 Uhr geschenkt werden dürfe, geboten, Tanz zu halten. Viele finden sich dazu freilich nicht ein; aber man weiß, wie es geht; der eine fürchtet, die Kundschaft der flott lebenden dänischen Beamtenschaft zu verlieren, der andere hat die Furcht im allgemeinen, der dritte will den befreundeten Wirt nicht stecken lassen. Und zuletzt ist zuzugestehen, keine Bevölkerung im großen und ganzen hat auf die Dauer Lust, für ihre Ueberzeugung zum Märtyrer zu werden. So machen sie denn ihren Bückling und knirschen heimlich mit den Zähnen. So dankbar man im Grunde der dänischen Regierung sein sollte, daß sie durch diese Brutalität das Gedächtnis unserer historischen Unglückstage so unauslöschlich den Herzen der besseren deutschen Bevölkerung einätzt, so ist es doch ein Gefühl zum Ersticken, ohnmächtig und stumm dies gegen die Bevölkerung angewandte Demoralisationssystem mit ansehen zu müssen. Doch wie geht es Ihnen? Sie sind krank, nicht in Berlin. Hoffentlich werde ich, falls ich im August dorthin kommen sollte, Sie sehen! - Der Artikel in der "Preußischen Zeitung" ist mir durch den Drucker zugegangen, und ich sage Ihnen meinen aufrichtigen Dank, daß Sie sich die Mühe gemacht Gastwirten ist bei Strafe, daß sonst nicht länger als 6 Uhr geschenkt werden dürfe, geboten, Tanz zu halten. Viele finden sich dazu freilich nicht ein; aber man weiß, wie es geht; der eine fürchtet, die Kundschaft der flott lebenden dänischen Beamtenschaft zu verlieren, der andere hat die Furcht im allgemeinen, der dritte will den befreundeten Wirt nicht stecken lassen. Und zuletzt ist zuzugestehen, keine Bevölkerung im großen und ganzen hat auf die Dauer Lust, für ihre Ueberzeugung zum Märtyrer zu werden. So machen sie denn ihren Bückling und knirschen heimlich mit den Zähnen. So dankbar man im Grunde der dänischen Regierung sein sollte, daß sie durch diese Brutalität das Gedächtnis unserer historischen Unglückstage so unauslöschlich den Herzen der besseren deutschen Bevölkerung einätzt, so ist es doch ein Gefühl zum Ersticken, ohnmächtig und stumm dies gegen die Bevölkerung angewandte Demoralisationssystem mit ansehen zu müssen. Doch wie geht es Ihnen? Sie sind krank, nicht in Berlin. Hoffentlich werde ich, falls ich im August dorthin kommen sollte, Sie sehen! – Der Artikel in der „Preußischen Zeitung“ ist mir durch den Drucker zugegangen, und ich sage Ihnen meinen aufrichtigen Dank, daß Sie sich die Mühe gemacht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <floatingText> <body> <div type="letter"> <p><pb facs="#f0350" n="341"/> Gastwirten ist bei Strafe, daß sonst nicht länger als 6 Uhr geschenkt werden dürfe, geboten, Tanz zu halten. Viele finden sich dazu freilich nicht ein; aber man weiß, wie es geht; der eine fürchtet, die Kundschaft der flott lebenden dänischen Beamtenschaft zu verlieren, der andere hat die Furcht im allgemeinen, der dritte will den befreundeten Wirt nicht stecken lassen. Und zuletzt ist zuzugestehen, keine Bevölkerung im großen und ganzen hat auf die Dauer Lust, für ihre Ueberzeugung zum Märtyrer zu werden. So machen sie denn ihren Bückling und knirschen heimlich mit den Zähnen.</p><lb/> <p>So dankbar man im Grunde der dänischen Regierung sein sollte, daß sie durch diese Brutalität das Gedächtnis unserer historischen Unglückstage so unauslöschlich den Herzen der besseren deutschen Bevölkerung einätzt, so ist es doch ein Gefühl zum Ersticken, ohnmächtig und stumm dies gegen die Bevölkerung angewandte Demoralisationssystem mit ansehen zu müssen.</p><lb/> <p>Doch wie geht es Ihnen? Sie sind krank, nicht in Berlin. Hoffentlich werde ich, falls ich im August dorthin kommen sollte, Sie sehen! – Der Artikel in der „Preußischen Zeitung“ ist mir durch den Drucker zugegangen, und ich sage Ihnen meinen aufrichtigen Dank, daß Sie sich die Mühe gemacht<lb/></p> </div> </body> </floatingText> </div> </div> </body> </text> </TEI> [341/0350]
Gastwirten ist bei Strafe, daß sonst nicht länger als 6 Uhr geschenkt werden dürfe, geboten, Tanz zu halten. Viele finden sich dazu freilich nicht ein; aber man weiß, wie es geht; der eine fürchtet, die Kundschaft der flott lebenden dänischen Beamtenschaft zu verlieren, der andere hat die Furcht im allgemeinen, der dritte will den befreundeten Wirt nicht stecken lassen. Und zuletzt ist zuzugestehen, keine Bevölkerung im großen und ganzen hat auf die Dauer Lust, für ihre Ueberzeugung zum Märtyrer zu werden. So machen sie denn ihren Bückling und knirschen heimlich mit den Zähnen.
So dankbar man im Grunde der dänischen Regierung sein sollte, daß sie durch diese Brutalität das Gedächtnis unserer historischen Unglückstage so unauslöschlich den Herzen der besseren deutschen Bevölkerung einätzt, so ist es doch ein Gefühl zum Ersticken, ohnmächtig und stumm dies gegen die Bevölkerung angewandte Demoralisationssystem mit ansehen zu müssen.
Doch wie geht es Ihnen? Sie sind krank, nicht in Berlin. Hoffentlich werde ich, falls ich im August dorthin kommen sollte, Sie sehen! – Der Artikel in der „Preußischen Zeitung“ ist mir durch den Drucker zugegangen, und ich sage Ihnen meinen aufrichtigen Dank, daß Sie sich die Mühe gemacht
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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