Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.anschließen, aber umgekehrt eine der Zeit nach weit zurückliegende Dichtung als Norm für modernes Leben zu nehmen, erscheint mir durchaus falsch. In Storms Potsdamer Hause ging es her wie in dem öfters von ihm beschriebenen Hause seiner Husumer Großmutter, und was das Schlimmste war, er war sehr stolz darauf und sah in dem, was er einem als Bild und Szene gab, etwas ein für allemal "poetisch Abgestempeltes". Das Lämpchen, der Theekessel, dessen Deckel klapperte, die holländische Theekanne daneben, das alles waren Dinge, darauf nicht bloß sein Blick andächtig ruhte - das hätte man ihm gönnen können -, nein, es waren auch Dinge, die gleiche Würdigung von denen erwarteten, die, weil anders geartet, nicht viel davon machen konnten und durch das Absichtliche darin ein wenig verstimmt wurden. Wie mir einmal ein Hamburger erzählte: "Ja, da war ja nun letzten Sommer Ihr Kronprinz bei uns, und da wird er wohl mal gesehen haben, was ein richtiges Mittagessen ist" - so glaubte Storm ganz ernsthaft, daß eine wirkliche Tasse Thee nur aus seiner Husumer Kanne kommen könne. Die Provinzialsimpelei steigert sich mitunter bis zum Großartigen. In einem gewissen Zusammenhange damit stand die Kindererziehung. Auch hier nahm Storm einen anschließen, aber umgekehrt eine der Zeit nach weit zurückliegende Dichtung als Norm für modernes Leben zu nehmen, erscheint mir durchaus falsch. In Storms Potsdamer Hause ging es her wie in dem öfters von ihm beschriebenen Hause seiner Husumer Großmutter, und was das Schlimmste war, er war sehr stolz darauf und sah in dem, was er einem als Bild und Szene gab, etwas ein für allemal „poetisch Abgestempeltes“. Das Lämpchen, der Theekessel, dessen Deckel klapperte, die holländische Theekanne daneben, das alles waren Dinge, darauf nicht bloß sein Blick andächtig ruhte – das hätte man ihm gönnen können –, nein, es waren auch Dinge, die gleiche Würdigung von denen erwarteten, die, weil anders geartet, nicht viel davon machen konnten und durch das Absichtliche darin ein wenig verstimmt wurden. Wie mir einmal ein Hamburger erzählte: „Ja, da war ja nun letzten Sommer Ihr Kronprinz bei uns, und da wird er wohl mal gesehen haben, was ein richtiges Mittagessen ist“ – so glaubte Storm ganz ernsthaft, daß eine wirkliche Tasse Thee nur aus seiner Husumer Kanne kommen könne. Die Provinzialsimpelei steigert sich mitunter bis zum Großartigen. In einem gewissen Zusammenhange damit stand die Kindererziehung. Auch hier nahm Storm einen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0370" n="361"/> anschließen, aber umgekehrt eine der Zeit nach weit zurückliegende Dichtung als Norm für modernes Leben zu nehmen, erscheint mir durchaus falsch. In Storms Potsdamer Hause ging es her wie in dem öfters von ihm beschriebenen Hause seiner Husumer Großmutter, und was das Schlimmste war, er war sehr stolz darauf und sah in dem, was er einem als Bild und Szene gab, etwas ein für allemal „poetisch Abgestempeltes“. Das Lämpchen, der Theekessel, dessen Deckel klapperte, die holländische Theekanne daneben, das alles waren Dinge, darauf nicht bloß sein Blick andächtig ruhte – das hätte man ihm gönnen können –, nein, es waren auch Dinge, die gleiche Würdigung von denen erwarteten, die, weil anders geartet, nicht viel davon machen konnten und durch das <hi rendition="#g">Absichtliche</hi> darin ein wenig verstimmt wurden. Wie mir einmal ein Hamburger erzählte: „Ja, da war ja nun letzten Sommer Ihr Kronprinz bei uns, und da wird er wohl mal gesehen haben, was ein richtiges Mittagessen ist“ – so glaubte Storm ganz ernsthaft, daß eine wirkliche Tasse Thee nur aus seiner Husumer Kanne kommen könne. Die Provinzialsimpelei steigert sich mitunter bis zum Großartigen.</p><lb/> <p>In einem gewissen Zusammenhange damit stand die Kindererziehung. Auch hier nahm Storm einen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [361/0370]
anschließen, aber umgekehrt eine der Zeit nach weit zurückliegende Dichtung als Norm für modernes Leben zu nehmen, erscheint mir durchaus falsch. In Storms Potsdamer Hause ging es her wie in dem öfters von ihm beschriebenen Hause seiner Husumer Großmutter, und was das Schlimmste war, er war sehr stolz darauf und sah in dem, was er einem als Bild und Szene gab, etwas ein für allemal „poetisch Abgestempeltes“. Das Lämpchen, der Theekessel, dessen Deckel klapperte, die holländische Theekanne daneben, das alles waren Dinge, darauf nicht bloß sein Blick andächtig ruhte – das hätte man ihm gönnen können –, nein, es waren auch Dinge, die gleiche Würdigung von denen erwarteten, die, weil anders geartet, nicht viel davon machen konnten und durch das Absichtliche darin ein wenig verstimmt wurden. Wie mir einmal ein Hamburger erzählte: „Ja, da war ja nun letzten Sommer Ihr Kronprinz bei uns, und da wird er wohl mal gesehen haben, was ein richtiges Mittagessen ist“ – so glaubte Storm ganz ernsthaft, daß eine wirkliche Tasse Thee nur aus seiner Husumer Kanne kommen könne. Die Provinzialsimpelei steigert sich mitunter bis zum Großartigen.
In einem gewissen Zusammenhange damit stand die Kindererziehung. Auch hier nahm Storm einen
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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