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Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.

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hatten, nicht weil sie sich überhaupt gezankt, denn er konnte sich auch zanken, sondern lediglich weil ihm dieser Zank unbequem war und ihn hinderte, seine Reisebeschreibung frischweg zu beginnen. Er hatte bloß einen Schein des Rechts auf seiner Seite. Daß es Interessen neben den seinigen gab, leuchtete ihm nicht ein; wir waren einfach Spielverderber. Er gehörte ganz in die Klasse der naiven Egoisten.



In eben diesem Sommer vierzig war ich sehr fleißig. Wie dies möglich war, ist mir in diesem Augenblicke ziemlich unfaßlich. Den Tag über treppauf treppab, so daß von Muße für Nebendinge keine Rede sein konnte, dazu nachts wenig Schlaf, weil nur allzuhäufig geklopft und geklingelt und ellenlange Rezepte durch eine kleine Kuckluke hineingereicht wurden. Ich weiß also wirklich nicht, wo die Zeit für mich herkam. Aber sie fand sich trotzdem. Ich kann es mir nur so erklären, daß meine geschäftliche Thätigkeit in zwei sehr verschiedene Hälften zerfiel und daß auf vier Wochen "Frontdienst" immer vier Wochen in der "Reserve" folgten. Der Frontdienst nahm mich jedesmal völlig in Anspruch, kam ich dann aber in die Reserve, das heißt in's Laboratorium, wo

hatten, nicht weil sie sich überhaupt gezankt, denn er konnte sich auch zanken, sondern lediglich weil ihm dieser Zank unbequem war und ihn hinderte, seine Reisebeschreibung frischweg zu beginnen. Er hatte bloß einen Schein des Rechts auf seiner Seite. Daß es Interessen neben den seinigen gab, leuchtete ihm nicht ein; wir waren einfach Spielverderber. Er gehörte ganz in die Klasse der naiven Egoisten.



In eben diesem Sommer vierzig war ich sehr fleißig. Wie dies möglich war, ist mir in diesem Augenblicke ziemlich unfaßlich. Den Tag über treppauf treppab, so daß von Muße für Nebendinge keine Rede sein konnte, dazu nachts wenig Schlaf, weil nur allzuhäufig geklopft und geklingelt und ellenlange Rezepte durch eine kleine Kuckluke hineingereicht wurden. Ich weiß also wirklich nicht, wo die Zeit für mich herkam. Aber sie fand sich trotzdem. Ich kann es mir nur so erklären, daß meine geschäftliche Thätigkeit in zwei sehr verschiedene Hälften zerfiel und daß auf vier Wochen „Frontdienst“ immer vier Wochen in der „Reserve“ folgten. Der Frontdienst nahm mich jedesmal völlig in Anspruch, kam ich dann aber in die Reserve, das heißt in’s Laboratorium, wo

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2018-07-25T10:02:20Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-25T10:02:20Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/39>, abgerufen am 03.05.2024.