werde es Ihnen im Privatgespräch nachher mitteilen." Dies geschah. Er nickte zu meinen Mitteilungen, war aber nicht voll überzeugt und wollte sich in Dresden - wo die Dinge gespielt hatten - erst nach dem Sachverhalt erkundigen. Dies that er denn auch, und die Angelegenheit kam nicht weiter zur Sprache. So fatal ihm der Zwischenfall war, so wußt' er mir doch schließlich Dank, ihn vor einer Unannehmlichkeit bewahrt zu haben. Denn er war, wie in allem korrekt, so auch sehr sittenstreng.
Im Tunnel waren wir allerspeziellste Nebenbuhler, weil die Ballade sowohl seine wie meine Domaine war. Ja, wir hatten sogar die Spezialgebiete gemein und behandelten beide mit besonderer Vorliebe: das Schottische, vor allem Maria Stuart, und das Fridericianisch-Preußische. Perfekter Kavalier, der er war, konnte von Eifersüchteleien bei ihm keine Rede sein und wie's - hier im Guten - in den Wald hineinschallte, so schallte es auch wieder heraus. Ich war stets seines Lobes voll, auch ganz aufrichtig, aber in meinem letzten Herzenswinkel doch immer mit einer kleineren oder größeren Einschränkung. Er merkte das auch und fragte mich mal danach. Es brachte mich nicht in Verlegenheit, im Gegenteil, es war mir lieb und ich sagte: "ja, Sie haben ganz recht. Es fehlt mir etwas in Ihren Balladen; wenn sie ein
werde es Ihnen im Privatgespräch nachher mitteilen.“ Dies geschah. Er nickte zu meinen Mitteilungen, war aber nicht voll überzeugt und wollte sich in Dresden – wo die Dinge gespielt hatten – erst nach dem Sachverhalt erkundigen. Dies that er denn auch, und die Angelegenheit kam nicht weiter zur Sprache. So fatal ihm der Zwischenfall war, so wußt’ er mir doch schließlich Dank, ihn vor einer Unannehmlichkeit bewahrt zu haben. Denn er war, wie in allem korrekt, so auch sehr sittenstreng.
Im Tunnel waren wir allerspeziellste Nebenbuhler, weil die Ballade sowohl seine wie meine Domaine war. Ja, wir hatten sogar die Spezialgebiete gemein und behandelten beide mit besonderer Vorliebe: das Schottische, vor allem Maria Stuart, und das Fridericianisch-Preußische. Perfekter Kavalier, der er war, konnte von Eifersüchteleien bei ihm keine Rede sein und wie’s – hier im Guten – in den Wald hineinschallte, so schallte es auch wieder heraus. Ich war stets seines Lobes voll, auch ganz aufrichtig, aber in meinem letzten Herzenswinkel doch immer mit einer kleineren oder größeren Einschränkung. Er merkte das auch und fragte mich mal danach. Es brachte mich nicht in Verlegenheit, im Gegenteil, es war mir lieb und ich sagte: „ja, Sie haben ganz recht. Es fehlt mir etwas in Ihren Balladen; wenn sie ein
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werde es Ihnen im Privatgespräch nachher mitteilen.“ Dies geschah. Er nickte zu meinen Mitteilungen, war aber nicht voll überzeugt und wollte sich in Dresden – wo die Dinge gespielt hatten – erst nach dem Sachverhalt erkundigen. Dies that er denn auch, und die Angelegenheit kam nicht weiter zur Sprache. So fatal ihm der Zwischenfall war, so wußt’ er mir doch schließlich Dank, ihn vor einer <choice><sic>Unnannehmlichkeit</sic><corr>Unannehmlichkeit</corr></choice> bewahrt zu haben. Denn er war, wie in allem korrekt, so auch sehr sittenstreng.</p><lb/><p>Im Tunnel waren wir allerspeziellste Nebenbuhler, weil die Ballade sowohl seine wie meine Domaine war. Ja, wir hatten sogar die Spezialgebiete gemein und behandelten beide mit besonderer Vorliebe: das Schottische, vor allem Maria Stuart, und das Fridericianisch-Preußische. Perfekter Kavalier, der er war, konnte von Eifersüchteleien bei ihm keine Rede sein und wie’s – hier im Guten – in den Wald hineinschallte, so schallte es auch wieder heraus. Ich war stets seines Lobes voll, auch ganz aufrichtig, aber in meinem letzten Herzenswinkel doch immer mit einer kleineren oder größeren Einschränkung. Er merkte das auch und fragte mich mal danach. Es brachte mich nicht in Verlegenheit, im Gegenteil, es war mir lieb und ich sagte: „ja, Sie haben ganz recht. Es fehlt mir etwas in Ihren Balladen; wenn sie ein<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
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werde es Ihnen im Privatgespräch nachher mitteilen.“ Dies geschah. Er nickte zu meinen Mitteilungen, war aber nicht voll überzeugt und wollte sich in Dresden – wo die Dinge gespielt hatten – erst nach dem Sachverhalt erkundigen. Dies that er denn auch, und die Angelegenheit kam nicht weiter zur Sprache. So fatal ihm der Zwischenfall war, so wußt’ er mir doch schließlich Dank, ihn vor einer Unannehmlichkeit bewahrt zu haben. Denn er war, wie in allem korrekt, so auch sehr sittenstreng.
Im Tunnel waren wir allerspeziellste Nebenbuhler, weil die Ballade sowohl seine wie meine Domaine war. Ja, wir hatten sogar die Spezialgebiete gemein und behandelten beide mit besonderer Vorliebe: das Schottische, vor allem Maria Stuart, und das Fridericianisch-Preußische. Perfekter Kavalier, der er war, konnte von Eifersüchteleien bei ihm keine Rede sein und wie’s – hier im Guten – in den Wald hineinschallte, so schallte es auch wieder heraus. Ich war stets seines Lobes voll, auch ganz aufrichtig, aber in meinem letzten Herzenswinkel doch immer mit einer kleineren oder größeren Einschränkung. Er merkte das auch und fragte mich mal danach. Es brachte mich nicht in Verlegenheit, im Gegenteil, es war mir lieb und ich sagte: „ja, Sie haben ganz recht. Es fehlt mir etwas in Ihren Balladen; wenn sie ein
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Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/403>, abgerufen am 23.06.2024.
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