klein bißchen anders wären, so wären sie ausgezeichnet." Er lachte. "Nun gut. Aber was ist das ,kleine bißchen', das Sie wohl anders wünschten?" Ich habe nicht mehr gegenwärtig, was ich ihm geantwortet habe; wahrscheinlich war es allerlei, was tastend und vermutend um die Sache herum ging. Jetzt nachträglich weiß ich ganz genau, was dies meiner Meinung nach Fehlende war, denn im Aelterwerden beschäftigt man sich, durchaus ungesucht, auch mit der Theorie der Dinge. Blomberg las allerhand alte Bücher, fand einen geschichtlichen und anekdotischen Hergang, der ihm gefiel und brachte diesen Hergang in Verse. Er verfuhr dabei mit großer äußerlicher Kunst, alles war vorzüglich aufgebaut, knapp und klar im Ausdruck, aber trotzdem blieb es eine gereimte Geschichte. Das ist, wie mir jetzt feststeht, ein Mangel. Es muß durchaus noch 'was Persönliches hinzukommen, vor allem ein eigener Stil, an dem man sofort erkennt: "ah, das ist der." Man denke nur an Heine. So lag es aber bei Blomberg nicht. Die Sachen waren sehr gut, aber sie konnten auch von zehn Anderen sein; sie hatten kein Eigenleben. Einige seiner Balladen können freilich als Ausnahmen gelten, so "die Dame von Faverne" - zuerst in der "Argo" von 1856 erschienen -, ein sehr schönes Gedicht.
klein bißchen anders wären, so wären sie ausgezeichnet.“ Er lachte. „Nun gut. Aber was ist das ‚kleine bißchen‘, das Sie wohl anders wünschten?“ Ich habe nicht mehr gegenwärtig, was ich ihm geantwortet habe; wahrscheinlich war es allerlei, was tastend und vermutend um die Sache herum ging. Jetzt nachträglich weiß ich ganz genau, was dies meiner Meinung nach Fehlende war, denn im Aelterwerden beschäftigt man sich, durchaus ungesucht, auch mit der Theorie der Dinge. Blomberg las allerhand alte Bücher, fand einen geschichtlichen und anekdotischen Hergang, der ihm gefiel und brachte diesen Hergang in Verse. Er verfuhr dabei mit großer äußerlicher Kunst, alles war vorzüglich aufgebaut, knapp und klar im Ausdruck, aber trotzdem blieb es eine gereimte Geschichte. Das ist, wie mir jetzt feststeht, ein Mangel. Es muß durchaus noch ’was Persönliches hinzukommen, vor allem ein eigener Stil, an dem man sofort erkennt: „ah, das ist der.“ Man denke nur an Heine. So lag es aber bei Blomberg nicht. Die Sachen waren sehr gut, aber sie konnten auch von zehn Anderen sein; sie hatten kein Eigenleben. Einige seiner Balladen können freilich als Ausnahmen gelten, so „die Dame von Faverne“ – zuerst in der „Argo“ von 1856 erschienen –, ein sehr schönes Gedicht.
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klein bißchen anders wären, so wären sie ausgezeichnet.“ Er lachte. „Nun gut. Aber was ist das ‚kleine bißchen‘, das Sie wohl anders wünschten?“ Ich habe nicht mehr gegenwärtig, was ich ihm geantwortet habe; wahrscheinlich war es allerlei, was tastend und vermutend um die Sache herum ging. Jetzt nachträglich weiß ich ganz genau, was dies meiner Meinung nach Fehlende war, denn im Aelterwerden beschäftigt man sich, durchaus ungesucht, auch mit der Theorie der Dinge. Blomberg las allerhand alte Bücher, fand einen geschichtlichen und anekdotischen Hergang, der ihm gefiel und brachte diesen Hergang in Verse. Er verfuhr dabei mit großer äußerlicher Kunst, alles war vorzüglich aufgebaut, knapp und klar im Ausdruck, aber trotzdem blieb es eine gereimte Geschichte. Das ist, wie mir jetzt feststeht, ein Mangel. Es muß durchaus noch ’was Persönliches hinzukommen, vor allem ein eigener Stil, an dem man sofort erkennt: „ah, das ist der.“ Man denke nur an Heine. So lag es aber bei Blomberg nicht. Die Sachen waren sehr gut, aber sie konnten auch von zehn Anderen sein; sie hatten kein Eigenleben. Einige seiner Balladen können freilich als Ausnahmen gelten, so „die Dame von Faverne“ – zuerst in der „Argo“ von 1856 erschienen –, ein sehr schönes Gedicht.
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Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/404>, abgerufen am 16.06.2024.
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