Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.von der Frage der Freiheitlichkeit absieht, zahlloseste Gründe vorhanden waren: Anhänglichkeit an das eigene Herrscherhaus, Liebe zu einem patriarchalischen König, wie er in reinerer Gestalt nie da gewesen ist, Dankbarkeit, politischer Vorteil - weil zunächst wenigstens politische Sicherheit - und nicht zuletzt: ein bestimmtes und berechtigtes Prinzip. Dies muß ich ganz besonders betonen. Denn so gewiß ich, meinen Empfindungen und meiner Erkenntnis nach, alles Heil in der Freiheit sehe, so ist auch diese Frage, wie jede andere, nicht derartig abgethan, daß die entgegengesetzte Anschauung bloß Unsinn und Verbrechen wäre. Gott sei Dank, daß wir das Russische los sind, nicht mehr im Schlepptau fahren; aber ich kann mich über die nicht entrüsten, die vordem an Kaiser Nikolaus gehangen haben. Mit der sehr gefährlichen Anschauung muß, mein' ich, gebrochen werden, daß jeder Freiheitsschwärmer ein Ideal und jeder Kaiser Nikolausschwärmer ein Schufterle sei. Frankreich ist jetzt Republik und drängt sich huldigend an die russische Seite. Was über den Menschen entscheidet, ist seine Gesinnung, Ehrlichkeit der Ueberzeugungen. Und die hatte Louis Schneider, auch wenn er hundert Tabatieren empfangen haben sollte. Daß "ehrliche Manieren" - in denen Schneider, beiläufig, exzellierte - täuschen können, weiß ich; die von der Frage der Freiheitlichkeit absieht, zahlloseste Gründe vorhanden waren: Anhänglichkeit an das eigene Herrscherhaus, Liebe zu einem patriarchalischen König, wie er in reinerer Gestalt nie da gewesen ist, Dankbarkeit, politischer Vorteil – weil zunächst wenigstens politische Sicherheit – und nicht zuletzt: ein bestimmtes und berechtigtes Prinzip. Dies muß ich ganz besonders betonen. Denn so gewiß ich, meinen Empfindungen und meiner Erkenntnis nach, alles Heil in der Freiheit sehe, so ist auch diese Frage, wie jede andere, nicht derartig abgethan, daß die entgegengesetzte Anschauung bloß Unsinn und Verbrechen wäre. Gott sei Dank, daß wir das Russische los sind, nicht mehr im Schlepptau fahren; aber ich kann mich über die nicht entrüsten, die vordem an Kaiser Nikolaus gehangen haben. Mit der sehr gefährlichen Anschauung muß, mein’ ich, gebrochen werden, daß jeder Freiheitsschwärmer ein Ideal und jeder Kaiser Nikolausschwärmer ein Schufterle sei. Frankreich ist jetzt Republik und drängt sich huldigend an die russische Seite. Was über den Menschen entscheidet, ist seine Gesinnung, Ehrlichkeit der Ueberzeugungen. Und die hatte Louis Schneider, auch wenn er hundert Tabatièren empfangen haben sollte. Daß „ehrliche Manieren“ – in denen Schneider, beiläufig, exzellierte – täuschen können, weiß ich; die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0427" n="418"/> von der Frage der Freiheitlichkeit absieht, zahlloseste Gründe vorhanden waren: Anhänglichkeit an das eigene Herrscherhaus, Liebe zu einem patriarchalischen König, wie er in reinerer Gestalt nie da gewesen ist, Dankbarkeit, politischer Vorteil – weil zunächst wenigstens politische Sicherheit – und nicht zuletzt: ein bestimmtes und berechtigtes Prinzip. Dies muß ich ganz besonders betonen. Denn so gewiß ich, meinen Empfindungen und meiner Erkenntnis nach, alles Heil in der Freiheit sehe, so ist auch <hi rendition="#g">diese</hi> Frage, wie jede andere, nicht derartig abgethan, daß die entgegengesetzte Anschauung bloß Unsinn und Verbrechen wäre. Gott sei Dank, daß wir das Russische los sind, nicht mehr im Schlepptau fahren; aber ich kann mich über <hi rendition="#g">die</hi> nicht entrüsten, die vordem an Kaiser Nikolaus gehangen haben. Mit der sehr gefährlichen Anschauung muß, mein’ ich, gebrochen werden, daß jeder Freiheitsschwärmer ein Ideal und jeder Kaiser Nikolausschwärmer ein Schufterle sei. Frankreich ist jetzt Republik und drängt sich huldigend an die russische Seite. Was über den Menschen entscheidet, ist seine Gesinnung, Ehrlichkeit der Ueberzeugungen. Und <hi rendition="#g">die</hi> hatte Louis Schneider, auch wenn er hundert Tabatièren empfangen haben sollte. Daß „ehrliche Manieren“ – in denen Schneider, beiläufig, exzellierte – täuschen können, weiß ich; die<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [418/0427]
von der Frage der Freiheitlichkeit absieht, zahlloseste Gründe vorhanden waren: Anhänglichkeit an das eigene Herrscherhaus, Liebe zu einem patriarchalischen König, wie er in reinerer Gestalt nie da gewesen ist, Dankbarkeit, politischer Vorteil – weil zunächst wenigstens politische Sicherheit – und nicht zuletzt: ein bestimmtes und berechtigtes Prinzip. Dies muß ich ganz besonders betonen. Denn so gewiß ich, meinen Empfindungen und meiner Erkenntnis nach, alles Heil in der Freiheit sehe, so ist auch diese Frage, wie jede andere, nicht derartig abgethan, daß die entgegengesetzte Anschauung bloß Unsinn und Verbrechen wäre. Gott sei Dank, daß wir das Russische los sind, nicht mehr im Schlepptau fahren; aber ich kann mich über die nicht entrüsten, die vordem an Kaiser Nikolaus gehangen haben. Mit der sehr gefährlichen Anschauung muß, mein’ ich, gebrochen werden, daß jeder Freiheitsschwärmer ein Ideal und jeder Kaiser Nikolausschwärmer ein Schufterle sei. Frankreich ist jetzt Republik und drängt sich huldigend an die russische Seite. Was über den Menschen entscheidet, ist seine Gesinnung, Ehrlichkeit der Ueberzeugungen. Und die hatte Louis Schneider, auch wenn er hundert Tabatièren empfangen haben sollte. Daß „ehrliche Manieren“ – in denen Schneider, beiläufig, exzellierte – täuschen können, weiß ich; die
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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