Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.weg also mehr oder weniger einer perpetuellen Revue vor den Augen Seiner Majestät geglichen hatte, hatten unter diesem königlichen Augen-Einfluß ein Selbstbewußtsein ausgebildet, das sich in den leichteren Fällen bis zu einer einen gesellschaftlichen Unterschied stark markierenden Würde, in den schwereren Fällen bis zu eiskalter Unnahbarkeit steigerte. Die natürliche Grundlage blieb aber doch "die Berliner Madam", ein Etwas, das die Welt nicht zum zweiten Male gesehn. Frau Schneider übrigens, wie hier huldigend bemerkt sein mag, war von der milderen Observanz; sie war noch nicht absolut vergletschert, sie hatte noch ein Lächeln. Aber trotz dieses Lächelns, ihr Erscheinen, wie schon angedeutet, bedeutete doch jedesmal Rückzugsnotwendigkeit, der ich denn auch rasch gehorchte. Tags darauf erhielt ich meist ein Buch oder eine Zeitschrift, die den vielleicht ungünstigen Eindruck einer durch äußere Einflüsse etwas rasch abgebrochenen Verhandlung wieder begleichen sollte. Mehr noch als von Schneiders litterarischen Beihilfen hab' ich aber von seinen Geschichten und Anekdoten gehabt, denen ich immer ein sehr offenes Ohr entgegenbrachte. Wer ein bißchen das Leben kennt, wird wissen, daß man nach dieser Seite hin von den poetisch Geistreichen oder gar den "litterarischen Leuten" weg also mehr oder weniger einer perpetuellen Revue vor den Augen Seiner Majestät geglichen hatte, hatten unter diesem königlichen Augen-Einfluß ein Selbstbewußtsein ausgebildet, das sich in den leichteren Fällen bis zu einer einen gesellschaftlichen Unterschied stark markierenden Würde, in den schwereren Fällen bis zu eiskalter Unnahbarkeit steigerte. Die natürliche Grundlage blieb aber doch „die Berliner Madam“, ein Etwas, das die Welt nicht zum zweiten Male gesehn. Frau Schneider übrigens, wie hier huldigend bemerkt sein mag, war von der milderen Observanz; sie war noch nicht absolut vergletschert, sie hatte noch ein Lächeln. Aber trotz dieses Lächelns, ihr Erscheinen, wie schon angedeutet, bedeutete doch jedesmal Rückzugsnotwendigkeit, der ich denn auch rasch gehorchte. Tags darauf erhielt ich meist ein Buch oder eine Zeitschrift, die den vielleicht ungünstigen Eindruck einer durch äußere Einflüsse etwas rasch abgebrochenen Verhandlung wieder begleichen sollte. Mehr noch als von Schneiders litterarischen Beihilfen hab’ ich aber von seinen Geschichten und Anekdoten gehabt, denen ich immer ein sehr offenes Ohr entgegenbrachte. Wer ein bißchen das Leben kennt, wird wissen, daß man nach dieser Seite hin von den poetisch Geistreichen oder gar den „litterarischen Leuten“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0437" n="428"/> weg also mehr oder weniger einer perpetuellen Revue vor den Augen Seiner Majestät geglichen hatte, hatten unter diesem königlichen Augen-Einfluß ein Selbstbewußtsein ausgebildet, das sich in den leichteren Fällen bis zu einer einen gesellschaftlichen Unterschied stark markierenden Würde, in den schwereren Fällen bis zu eiskalter Unnahbarkeit steigerte. Die natürliche Grundlage blieb aber doch „die Berliner Madam“, ein Etwas, das die Welt nicht zum zweiten Male gesehn. Frau Schneider übrigens, wie hier huldigend bemerkt sein mag, war von der milderen Observanz; sie war noch nicht absolut vergletschert, sie hatte noch ein Lächeln.</p><lb/> <p>Aber trotz dieses Lächelns, ihr Erscheinen, wie schon angedeutet, bedeutete doch jedesmal Rückzugsnotwendigkeit, der ich denn auch rasch gehorchte. Tags darauf erhielt ich meist ein Buch oder eine Zeitschrift, die den vielleicht ungünstigen Eindruck einer durch äußere Einflüsse etwas rasch abgebrochenen Verhandlung wieder begleichen sollte.</p><lb/> <p>Mehr noch als von Schneiders litterarischen Beihilfen hab’ ich aber von seinen Geschichten und Anekdoten gehabt, denen ich immer ein sehr offenes Ohr entgegenbrachte. Wer ein bißchen das Leben kennt, wird wissen, daß man nach dieser Seite hin von den poetisch Geistreichen oder gar den „litterarischen Leuten“<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [428/0437]
weg also mehr oder weniger einer perpetuellen Revue vor den Augen Seiner Majestät geglichen hatte, hatten unter diesem königlichen Augen-Einfluß ein Selbstbewußtsein ausgebildet, das sich in den leichteren Fällen bis zu einer einen gesellschaftlichen Unterschied stark markierenden Würde, in den schwereren Fällen bis zu eiskalter Unnahbarkeit steigerte. Die natürliche Grundlage blieb aber doch „die Berliner Madam“, ein Etwas, das die Welt nicht zum zweiten Male gesehn. Frau Schneider übrigens, wie hier huldigend bemerkt sein mag, war von der milderen Observanz; sie war noch nicht absolut vergletschert, sie hatte noch ein Lächeln.
Aber trotz dieses Lächelns, ihr Erscheinen, wie schon angedeutet, bedeutete doch jedesmal Rückzugsnotwendigkeit, der ich denn auch rasch gehorchte. Tags darauf erhielt ich meist ein Buch oder eine Zeitschrift, die den vielleicht ungünstigen Eindruck einer durch äußere Einflüsse etwas rasch abgebrochenen Verhandlung wieder begleichen sollte.
Mehr noch als von Schneiders litterarischen Beihilfen hab’ ich aber von seinen Geschichten und Anekdoten gehabt, denen ich immer ein sehr offenes Ohr entgegenbrachte. Wer ein bißchen das Leben kennt, wird wissen, daß man nach dieser Seite hin von den poetisch Geistreichen oder gar den „litterarischen Leuten“
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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