Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.deshalb konnte ich von seinen Direktiven nur sehr selten Gebrauch machen. Er war noch aus jener merkwürdigen märkisch-historischen Schule, der die Feststellung einer "Kietzer Fischereigerechtigkeit" die Hauptsache bleibt. Wenn wir dann so eine kleine halbe Stunde geplaudert hatten, - eine Aufforderung zum Bleiben erging nie - erschien Frau Geheime Hofrätin Schneider aus ihrer an der andern Flurseite gelegenen Kemnate, um durch ihren Eintritt sowohl dem Gaste, wie auch ihrem Ehemanne anzudeuten "es sei nun genug". Sie war immer sehr sorglich gekleidet, von einer ausreichenden, aber doch sehr reservierten Artigkeit und trug Allüren zur Schau, wie man sie jetzt kaum noch findet und die vielleicht um eben dieses Hingeschwundenen willen, den Reiz eines kulturbildlichen Interesses für mich gewahrt haben. Nach Abstammung und Naturanlage war Frau Geheime Hofrätin Schneider lediglich dazu bestimmt, der Typus einer stattlichen Bourgeoise zu werden; ihr Lebensgang am Theater aber hatte Sorge dafür getragen, ihr noch einen Extra-Nimbus zu geben und dadurch jene feine Nebenspezies herzustellen, deren sich manche jetzt alten Berliner aus ihren jungen Tagen her wohl noch erinnern werden. Alle Berliner Schauspielerinnen und Sängerinnen, namentlich aber Tänzerinnen, deren Lebens- deshalb konnte ich von seinen Direktiven nur sehr selten Gebrauch machen. Er war noch aus jener merkwürdigen märkisch-historischen Schule, der die Feststellung einer „Kietzer Fischereigerechtigkeit“ die Hauptsache bleibt. Wenn wir dann so eine kleine halbe Stunde geplaudert hatten, – eine Aufforderung zum Bleiben erging nie – erschien Frau Geheime Hofrätin Schneider aus ihrer an der andern Flurseite gelegenen Kemnate, um durch ihren Eintritt sowohl dem Gaste, wie auch ihrem Ehemanne anzudeuten „es sei nun genug“. Sie war immer sehr sorglich gekleidet, von einer ausreichenden, aber doch sehr reservierten Artigkeit und trug Allüren zur Schau, wie man sie jetzt kaum noch findet und die vielleicht um eben dieses Hingeschwundenen willen, den Reiz eines kulturbildlichen Interesses für mich gewahrt haben. Nach Abstammung und Naturanlage war Frau Geheime Hofrätin Schneider lediglich dazu bestimmt, der Typus einer stattlichen Bourgeoise zu werden; ihr Lebensgang am Theater aber hatte Sorge dafür getragen, ihr noch einen Extra-Nimbus zu geben und dadurch jene feine Nebenspezies herzustellen, deren sich manche jetzt alten Berliner aus ihren jungen Tagen her wohl noch erinnern werden. Alle Berliner Schauspielerinnen und Sängerinnen, namentlich aber Tänzerinnen, deren Lebens- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0436" n="427"/> deshalb konnte ich von seinen Direktiven nur sehr selten Gebrauch machen. Er war noch aus jener merkwürdigen märkisch-historischen Schule, der die Feststellung einer „Kietzer Fischereigerechtigkeit“ die Hauptsache bleibt.</p><lb/> <p>Wenn wir dann so eine kleine halbe Stunde geplaudert hatten, – eine Aufforderung zum Bleiben erging nie – erschien Frau Geheime Hofrätin Schneider aus ihrer an der andern Flurseite gelegenen Kemnate, um durch ihren Eintritt sowohl dem Gaste, wie auch ihrem Ehemanne anzudeuten „es sei nun genug“. Sie war immer sehr sorglich gekleidet, von einer ausreichenden, aber doch sehr reservierten Artigkeit und trug Allüren zur Schau, wie man sie jetzt kaum noch findet und die vielleicht um eben dieses Hingeschwundenen willen, den Reiz eines kulturbildlichen Interesses für mich gewahrt haben. Nach Abstammung und Naturanlage war Frau Geheime Hofrätin Schneider lediglich dazu bestimmt, der Typus einer stattlichen Bourgeoise zu werden; ihr Lebensgang am Theater aber hatte Sorge dafür getragen, ihr noch einen Extra-Nimbus zu geben und dadurch jene feine Nebenspezies herzustellen, deren sich manche jetzt alten Berliner aus ihren jungen Tagen her wohl noch erinnern werden. Alle Berliner Schauspielerinnen und Sängerinnen, namentlich aber Tänzerinnen, deren Lebens-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [427/0436]
deshalb konnte ich von seinen Direktiven nur sehr selten Gebrauch machen. Er war noch aus jener merkwürdigen märkisch-historischen Schule, der die Feststellung einer „Kietzer Fischereigerechtigkeit“ die Hauptsache bleibt.
Wenn wir dann so eine kleine halbe Stunde geplaudert hatten, – eine Aufforderung zum Bleiben erging nie – erschien Frau Geheime Hofrätin Schneider aus ihrer an der andern Flurseite gelegenen Kemnate, um durch ihren Eintritt sowohl dem Gaste, wie auch ihrem Ehemanne anzudeuten „es sei nun genug“. Sie war immer sehr sorglich gekleidet, von einer ausreichenden, aber doch sehr reservierten Artigkeit und trug Allüren zur Schau, wie man sie jetzt kaum noch findet und die vielleicht um eben dieses Hingeschwundenen willen, den Reiz eines kulturbildlichen Interesses für mich gewahrt haben. Nach Abstammung und Naturanlage war Frau Geheime Hofrätin Schneider lediglich dazu bestimmt, der Typus einer stattlichen Bourgeoise zu werden; ihr Lebensgang am Theater aber hatte Sorge dafür getragen, ihr noch einen Extra-Nimbus zu geben und dadurch jene feine Nebenspezies herzustellen, deren sich manche jetzt alten Berliner aus ihren jungen Tagen her wohl noch erinnern werden. Alle Berliner Schauspielerinnen und Sängerinnen, namentlich aber Tänzerinnen, deren Lebens-
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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