Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.in einem echten alten Potsdamer Hause, das noch ganz den Stempel Friedrich Wilhelms I. trug. Er hatte sich alles sehr wohnlich zurecht gemacht und sein Arbeitszimmer, das bei großer Tiefe nach hinten zu jede Lichtabstufung zeigte, konnte als ein Ideal in seiner Art gelten. In allem etwas prinzipienreitrig, war er denn auch unentwegt der Mann des Stehpults geblieben, also einer Stellage von gut berechneter Höhe, darauf er alles zur Hand hatte, was er brauchte, besonders auch ein Glas mit kaltem, russischem Thee. So fand ich ihn regelmäßig vor, in Nähe des Pults ein langer Tisch, darauf zahllose Zeitungen teils aufgetürmt, teils ausgebreitet lagen. Er empfing mich immer gleich liebenswürdig, spielte nie den Gestörten oder wohl gar den "in seinen Gedanken Unterbrochenen" und gab mir Aufschluß über das Mannigfaltigste, besonders über Reiserouten, wobei er's nur in dem einen versah, daß er mich immer dahin dirigieren wollte, wo vorher noch niemand gewesen war. Dies auf Entdeckungen ausziehn hätte ja nun sehr gut und für mich sehr verführerisch sein können; aber er hatte dabei nur den Sinn für eine herzustellende möglichste Vollständigkeit des Materials, - wie das Material schließlich ausfiel, war ihm gleichgültig, mir aber keineswegs. Er ging durchaus nicht dem Interessanten oder Poetischen nach und in einem echten alten Potsdamer Hause, das noch ganz den Stempel Friedrich Wilhelms I. trug. Er hatte sich alles sehr wohnlich zurecht gemacht und sein Arbeitszimmer, das bei großer Tiefe nach hinten zu jede Lichtabstufung zeigte, konnte als ein Ideal in seiner Art gelten. In allem etwas prinzipienreitrig, war er denn auch unentwegt der Mann des Stehpults geblieben, also einer Stellage von gut berechneter Höhe, darauf er alles zur Hand hatte, was er brauchte, besonders auch ein Glas mit kaltem, russischem Thee. So fand ich ihn regelmäßig vor, in Nähe des Pults ein langer Tisch, darauf zahllose Zeitungen teils aufgetürmt, teils ausgebreitet lagen. Er empfing mich immer gleich liebenswürdig, spielte nie den Gestörten oder wohl gar den „in seinen Gedanken Unterbrochenen“ und gab mir Aufschluß über das Mannigfaltigste, besonders über Reiserouten, wobei er’s nur in dem einen versah, daß er mich immer dahin dirigieren wollte, wo vorher noch niemand gewesen war. Dies auf Entdeckungen ausziehn hätte ja nun sehr gut und für mich sehr verführerisch sein können; aber er hatte dabei nur den Sinn für eine herzustellende möglichste Vollständigkeit des Materials, – wie das Material schließlich ausfiel, war ihm gleichgültig, mir aber keineswegs. Er ging durchaus nicht dem Interessanten oder Poetischen nach und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0435" n="426"/> in einem echten alten Potsdamer Hause, das noch ganz den Stempel Friedrich Wilhelms <hi rendition="#aq">I.</hi> trug. Er hatte sich alles sehr wohnlich zurecht gemacht und sein Arbeitszimmer, das bei großer Tiefe nach hinten zu jede Lichtabstufung zeigte, konnte als ein Ideal in seiner Art gelten. In allem etwas prinzipienreitrig, war er denn auch unentwegt der Mann des Stehpults geblieben, also einer Stellage von gut berechneter Höhe, darauf er alles zur Hand hatte, was er brauchte, besonders auch ein Glas mit kaltem, russischem Thee. So fand ich ihn regelmäßig vor, in Nähe des Pults ein langer Tisch, darauf zahllose Zeitungen teils aufgetürmt, teils ausgebreitet lagen. Er empfing mich immer gleich liebenswürdig, spielte nie den Gestörten oder wohl gar den „in seinen Gedanken Unterbrochenen“ und gab mir Aufschluß über das Mannigfaltigste, besonders über Reiserouten, wobei er’s nur in dem einen versah, daß er mich immer dahin dirigieren wollte, wo vorher noch niemand gewesen war. Dies auf Entdeckungen ausziehn hätte ja nun sehr gut und für mich sehr verführerisch sein können; aber er hatte dabei nur den Sinn für eine herzustellende möglichste Vollständigkeit des Materials, – <hi rendition="#g">wie</hi> das Material schließlich ausfiel, war ihm gleichgültig, <hi rendition="#g">mir</hi> aber keineswegs. Er ging durchaus nicht dem Interessanten oder Poetischen nach und<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [426/0435]
in einem echten alten Potsdamer Hause, das noch ganz den Stempel Friedrich Wilhelms I. trug. Er hatte sich alles sehr wohnlich zurecht gemacht und sein Arbeitszimmer, das bei großer Tiefe nach hinten zu jede Lichtabstufung zeigte, konnte als ein Ideal in seiner Art gelten. In allem etwas prinzipienreitrig, war er denn auch unentwegt der Mann des Stehpults geblieben, also einer Stellage von gut berechneter Höhe, darauf er alles zur Hand hatte, was er brauchte, besonders auch ein Glas mit kaltem, russischem Thee. So fand ich ihn regelmäßig vor, in Nähe des Pults ein langer Tisch, darauf zahllose Zeitungen teils aufgetürmt, teils ausgebreitet lagen. Er empfing mich immer gleich liebenswürdig, spielte nie den Gestörten oder wohl gar den „in seinen Gedanken Unterbrochenen“ und gab mir Aufschluß über das Mannigfaltigste, besonders über Reiserouten, wobei er’s nur in dem einen versah, daß er mich immer dahin dirigieren wollte, wo vorher noch niemand gewesen war. Dies auf Entdeckungen ausziehn hätte ja nun sehr gut und für mich sehr verführerisch sein können; aber er hatte dabei nur den Sinn für eine herzustellende möglichste Vollständigkeit des Materials, – wie das Material schließlich ausfiel, war ihm gleichgültig, mir aber keineswegs. Er ging durchaus nicht dem Interessanten oder Poetischen nach und
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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