Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.die seines großen Vorbildes, aber an Splendidität und Geldverachtung, halb aus Güte und halb aus Laune, war er ihm womöglich noch überlegen. Sein "ich marchandiere nicht" hab' ich an manchem Abend erlebt, mitunter halb schaudernd. Wenn um acht die Tunnelsitzung schloß, so hieß es seinerseits, wenn er nicht gerade 'was anderes vor hatte: "Ja, was machen wir nun mit dem angebrochenen Abend?" Und ehe noch wer antworten konnte, waren auch schon etliche von den Jüngeren eingeladen, im "Großfürst Alexander" - Neue Friedrichsstraße - seine Gäste zu sein. Die Vornehmeren unter uns lehnten natürlich ab, aber wer seine Bedenken einigermaßen bezwingen konnte, nahm gern an, weil er sicher war, einem zwar anfechtbaren, aber immer interessanten Bacchanal entgegen zu gehen. In Kolonne rückten wir nun in das vorgenannte Hotel ein, wo Hesekiel, ich weiß nicht worauf hin, unbeschränkten Kredit hatte. Mit Rotwein oder Mosel zu beginnen, wäre lächerlich gewesen; es gehörte zum guten Ton, mit schwerem Rheinwein, am liebsten mit Sherry, Port oder herbem Ungar einzusetzen, und eh' eine Stunde um war, hatten wir ein Wettschwimmen in Cynismen. In Cynismen, aber nicht in Unanständigkeiten. Alles wurde gesagt, aber doch in der Form wohlerzogener Menschen, ja, die seines großen Vorbildes, aber an Splendidität und Geldverachtung, halb aus Güte und halb aus Laune, war er ihm womöglich noch überlegen. Sein „ich marchandiere nicht“ hab’ ich an manchem Abend erlebt, mitunter halb schaudernd. Wenn um acht die Tunnelsitzung schloß, so hieß es seinerseits, wenn er nicht gerade ’was anderes vor hatte: „Ja, was machen wir nun mit dem angebrochenen Abend?“ Und ehe noch wer antworten konnte, waren auch schon etliche von den Jüngeren eingeladen, im „Großfürst Alexander“ – Neue Friedrichsstraße – seine Gäste zu sein. Die Vornehmeren unter uns lehnten natürlich ab, aber wer seine Bedenken einigermaßen bezwingen konnte, nahm gern an, weil er sicher war, einem zwar anfechtbaren, aber immer interessanten Bacchanal entgegen zu gehen. In Kolonne rückten wir nun in das vorgenannte Hotel ein, wo Hesekiel, ich weiß nicht worauf hin, unbeschränkten Kredit hatte. Mit Rotwein oder Mosel zu beginnen, wäre lächerlich gewesen; es gehörte zum guten Ton, mit schwerem Rheinwein, am liebsten mit Sherry, Port oder herbem Ungar einzusetzen, und eh’ eine Stunde um war, hatten wir ein Wettschwimmen in Cynismen. In Cynismen, aber nicht in Unanständigkeiten. Alles wurde gesagt, aber doch in der Form wohlerzogener Menschen, ja, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0450" n="441"/> die seines großen Vorbildes, aber an Splendidität und Geldverachtung, halb aus Güte und halb aus Laune, war er ihm womöglich noch überlegen.</p><lb/> <p>Sein „ich marchandiere nicht“ hab’ ich an manchem Abend erlebt, mitunter halb schaudernd. Wenn um acht die Tunnelsitzung schloß, so hieß es seinerseits, wenn er nicht gerade ’was anderes vor hatte: „Ja, was machen wir nun mit dem angebrochenen Abend?“ Und ehe noch wer antworten konnte, waren auch schon etliche von den Jüngeren eingeladen, im „Großfürst Alexander“ – Neue Friedrichsstraße – seine Gäste zu sein. Die Vornehmeren unter uns lehnten natürlich ab, aber wer seine Bedenken einigermaßen bezwingen konnte, nahm gern an, weil er sicher war, einem zwar anfechtbaren, aber immer interessanten Bacchanal entgegen zu gehen. In Kolonne rückten wir nun in das vorgenannte Hotel ein, wo Hesekiel, ich weiß nicht worauf hin, unbeschränkten Kredit hatte. Mit Rotwein oder Mosel zu beginnen, wäre lächerlich gewesen; es gehörte zum guten Ton, mit schwerem Rheinwein, am liebsten mit Sherry, Port oder herbem Ungar einzusetzen, und eh’ eine Stunde um war, hatten wir ein Wettschwimmen in Cynismen. In Cynismen, aber nicht in Unanständigkeiten. Alles wurde gesagt, aber doch in der Form wohlerzogener Menschen, ja,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [441/0450]
die seines großen Vorbildes, aber an Splendidität und Geldverachtung, halb aus Güte und halb aus Laune, war er ihm womöglich noch überlegen.
Sein „ich marchandiere nicht“ hab’ ich an manchem Abend erlebt, mitunter halb schaudernd. Wenn um acht die Tunnelsitzung schloß, so hieß es seinerseits, wenn er nicht gerade ’was anderes vor hatte: „Ja, was machen wir nun mit dem angebrochenen Abend?“ Und ehe noch wer antworten konnte, waren auch schon etliche von den Jüngeren eingeladen, im „Großfürst Alexander“ – Neue Friedrichsstraße – seine Gäste zu sein. Die Vornehmeren unter uns lehnten natürlich ab, aber wer seine Bedenken einigermaßen bezwingen konnte, nahm gern an, weil er sicher war, einem zwar anfechtbaren, aber immer interessanten Bacchanal entgegen zu gehen. In Kolonne rückten wir nun in das vorgenannte Hotel ein, wo Hesekiel, ich weiß nicht worauf hin, unbeschränkten Kredit hatte. Mit Rotwein oder Mosel zu beginnen, wäre lächerlich gewesen; es gehörte zum guten Ton, mit schwerem Rheinwein, am liebsten mit Sherry, Port oder herbem Ungar einzusetzen, und eh’ eine Stunde um war, hatten wir ein Wettschwimmen in Cynismen. In Cynismen, aber nicht in Unanständigkeiten. Alles wurde gesagt, aber doch in der Form wohlerzogener Menschen, ja,
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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