uns selbst, und so kam es, daß zeitweilig jeden Morgen der Chefredakteur an meinen Platz trat und mir mit seiner leisen Stimme zuflüsterte: "Wenn irgend möglich, heute nur ein paar Zeilen; je weniger, desto besser." Ich war immer ganz einverstanden damit und hatte bequeme Tage. Zuletzt freilich wurde mir das bloße Stundenabsitzen langweilig, und ich trat - ein kleiner Streit kam hinzu - meinen Rückzug von der Zeitung an.
Ich könnte hier noch Welten erzählen, sei's über Hesekiels persönliches Gebahren, sei's über Leben und Treiben auf der Redaktion selbst. Ich ziehe es aber vor, hier abzubrechen und in Nachstehendem über das gesellschaftliche Leben auf der Kreuzzeitung, auf das ich schon kurz hinwies, zu berichten. Dies war das denkbar angenehmste, weil alles, was zum Bau gehörte, nicht bloß politisch oder redaktionell, sondern auch gesellschaftlich mitzählte. Mit Vergnügen denk' ich an den trotz vieler Reibereien und persönlicher Gegensätze doch immer kameradschaftlichen Ton zurück, und ein Ausspruch, den, wenn ich nicht irre, General von Gerlach oder aber sein Bruder, der Magdeburger Ober-Appellationsgerichtspräsident, that,
uns selbst, und so kam es, daß zeitweilig jeden Morgen der Chefredakteur an meinen Platz trat und mir mit seiner leisen Stimme zuflüsterte: „Wenn irgend möglich, heute nur ein paar Zeilen; je weniger, desto besser.“ Ich war immer ganz einverstanden damit und hatte bequeme Tage. Zuletzt freilich wurde mir das bloße Stundenabsitzen langweilig, und ich trat – ein kleiner Streit kam hinzu – meinen Rückzug von der Zeitung an.
Ich könnte hier noch Welten erzählen, sei’s über Hesekiels persönliches Gebahren, sei’s über Leben und Treiben auf der Redaktion selbst. Ich ziehe es aber vor, hier abzubrechen und in Nachstehendem über das gesellschaftliche Leben auf der Kreuzzeitung, auf das ich schon kurz hinwies, zu berichten. Dies war das denkbar angenehmste, weil alles, was zum Bau gehörte, nicht bloß politisch oder redaktionell, sondern auch gesellschaftlich mitzählte. Mit Vergnügen denk’ ich an den trotz vieler Reibereien und persönlicher Gegensätze doch immer kameradschaftlichen Ton zurück, und ein Ausspruch, den, wenn ich nicht irre, General von Gerlach oder aber sein Bruder, der Magdeburger Ober-Appellationsgerichtspräsident, that,
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uns selbst, und so kam es, daß zeitweilig jeden Morgen der Chefredakteur an meinen Platz trat und mir mit seiner leisen Stimme zuflüsterte: „Wenn irgend möglich, heute nur ein paar Zeilen; je weniger, desto besser.“ Ich war immer ganz einverstanden damit und hatte bequeme Tage. Zuletzt freilich wurde mir das bloße Stundenabsitzen langweilig, und ich trat – ein kleiner Streit kam hinzu – meinen Rückzug von der Zeitung an.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Ich könnte hier noch Welten erzählen, sei’s über Hesekiels persönliches Gebahren, sei’s über Leben und Treiben auf der Redaktion selbst. Ich ziehe es aber vor, hier abzubrechen und in Nachstehendem über das <hirendition="#g">gesellschaftliche</hi> Leben auf der Kreuzzeitung, auf das ich schon kurz hinwies, zu berichten. Dies war das denkbar angenehmste, weil alles, was zum Bau gehörte, nicht bloß politisch oder redaktionell, sondern auch gesellschaftlich mitzählte. Mit Vergnügen denk’ ich an den trotz vieler Reibereien und persönlicher Gegensätze doch immer kameradschaftlichen Ton zurück, und ein Ausspruch, den, wenn ich nicht irre, General von Gerlach oder aber sein Bruder, der Magdeburger Ober-Appellationsgerichtspräsident, that,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
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uns selbst, und so kam es, daß zeitweilig jeden Morgen der Chefredakteur an meinen Platz trat und mir mit seiner leisen Stimme zuflüsterte: „Wenn irgend möglich, heute nur ein paar Zeilen; je weniger, desto besser.“ Ich war immer ganz einverstanden damit und hatte bequeme Tage. Zuletzt freilich wurde mir das bloße Stundenabsitzen langweilig, und ich trat – ein kleiner Streit kam hinzu – meinen Rückzug von der Zeitung an.
Ich könnte hier noch Welten erzählen, sei’s über Hesekiels persönliches Gebahren, sei’s über Leben und Treiben auf der Redaktion selbst. Ich ziehe es aber vor, hier abzubrechen und in Nachstehendem über das gesellschaftliche Leben auf der Kreuzzeitung, auf das ich schon kurz hinwies, zu berichten. Dies war das denkbar angenehmste, weil alles, was zum Bau gehörte, nicht bloß politisch oder redaktionell, sondern auch gesellschaftlich mitzählte. Mit Vergnügen denk’ ich an den trotz vieler Reibereien und persönlicher Gegensätze doch immer kameradschaftlichen Ton zurück, und ein Ausspruch, den, wenn ich nicht irre, General von Gerlach oder aber sein Bruder, der Magdeburger Ober-Appellationsgerichtspräsident, that,
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Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 454. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/463>, abgerufen am 27.07.2024.
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