- Nie stand so tief gebeugt ein König - Aber es wendete sich das Schuldblatt ...
Wohl ist die Langmut Tugend der Könige, Doch, wo das Maß voll, hebe der Fürst den Arm, Und sinkt sein Glücksstern, bleibt der Ruhm ihm Eines erhabenen Untergangs.
Du aber, Herr, mögst unter den Glücklichen, Mögst Deines Volks heilbringender Führer sein; Doch - bei der Größe Deiner Ahnen - Fasse den flatternden Zaum, sei König!
Es sind das, in der Humboldts- wie in der Königsode, Strophen, die sich wohl neben den besten seines Meisters und Vorbildes behaupten können.
Ganz besonders beanlagt war er für das höhere Gelegenheitsgedicht, also für jene feineren und weit jenseits von "Polterabend" und "Hochzeit" liegenden Extrafälle, wo's einen Mann von politischer oder künstlerischer Bedeutung zu feiern galt. Er war sich - übrigens immer humorvoll und nie bedrücklich für etwaige Konkurrenten - über dies sein virtuoses Können auch vollkommen klar und vor allem darüber, daß, wenn ich solcher Feier beiwohnte, wenigstens einer da war, der ihn herzlich und ehrlich bewunderte. Wie viele Male, daß er, wenn wir beim Tafel-Umgang anstießen, mir leise zuflüsterte: "'s hat's keiner so recht verstanden; aber du hast." Unter "verstehen" verstand er "würdigen, eingehen auf jede kleine Form-
– Nie stand so tief gebeugt ein König – Aber es wendete sich das Schuldblatt …
Wohl ist die Langmut Tugend der Könige, Doch, wo das Maß voll, hebe der Fürst den Arm, Und sinkt sein Glücksstern, bleibt der Ruhm ihm Eines erhabenen Untergangs.
Du aber, Herr, mögst unter den Glücklichen, Mögst Deines Volks heilbringender Führer sein; Doch – bei der Größe Deiner Ahnen – Fasse den flatternden Zaum, sei König!
Es sind das, in der Humboldts- wie in der Königsode, Strophen, die sich wohl neben den besten seines Meisters und Vorbildes behaupten können.
Ganz besonders beanlagt war er für das höhere Gelegenheitsgedicht, also für jene feineren und weit jenseits von „Polterabend“ und „Hochzeit“ liegenden Extrafälle, wo’s einen Mann von politischer oder künstlerischer Bedeutung zu feiern galt. Er war sich – übrigens immer humorvoll und nie bedrücklich für etwaige Konkurrenten – über dies sein virtuoses Können auch vollkommen klar und vor allem darüber, daß, wenn ich solcher Feier beiwohnte, wenigstens einer da war, der ihn herzlich und ehrlich bewunderte. Wie viele Male, daß er, wenn wir beim Tafel-Umgang anstießen, mir leise zuflüsterte: „’s hat’s keiner so recht verstanden; aber du hast.“ Unter „verstehen“ verstand er „würdigen, eingehen auf jede kleine Form-
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– Nie stand so tief gebeugt ein König –
Aber es wendete sich das Schuldblatt …
Wohl ist die Langmut Tugend der Könige,
Doch, wo das Maß voll, hebe der Fürst den Arm,
Und sinkt sein Glücksstern, bleibt der Ruhm ihm
Eines erhabenen Untergangs.
Du aber, Herr, mögst unter den Glücklichen,
Mögst Deines Volks heilbringender Führer sein;
Doch – bei der Größe Deiner Ahnen –
Fasse den flatternden Zaum, sei König!
Es sind das, in der Humboldts- wie in der Königsode, Strophen, die sich wohl neben den besten seines Meisters und Vorbildes behaupten können.
Ganz besonders beanlagt war er für das höhere Gelegenheitsgedicht, also für jene feineren und weit jenseits von „Polterabend“ und „Hochzeit“ liegenden Extrafälle, wo’s einen Mann von politischer oder künstlerischer Bedeutung zu feiern galt. Er war sich – übrigens immer humorvoll und nie bedrücklich für etwaige Konkurrenten – über dies sein virtuoses Können auch vollkommen klar und vor allem darüber, daß, wenn ich solcher Feier beiwohnte, wenigstens einer da war, der ihn herzlich und ehrlich bewunderte. Wie viele Male, daß er, wenn wir beim Tafel-Umgang anstießen, mir leise zuflüsterte: „’s hat’s keiner so recht verstanden; aber du hast.“ Unter „verstehen“ verstand er „würdigen, eingehen auf jede kleine Form-
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Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 489. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/498>, abgerufen am 27.07.2024.
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