Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.ein für allemal gesichert zu sein. Er beschloß nämlich, sich an biblische Stoffe zu machen, also durch den Stoff die Familie zu versöhnen und durfte das auch ohne große Untreue gegen sich selbst und - mich. Denn so viel uns zeitlebens die Stofffrage beschäftigt und gegolten hatte, so waren wir als echte Platenianer doch auch andererseits wieder von der Gleichgiltigkeit des Stofflichen durchdrungen. Form war alles; die Form machte den Dichter, und so durfte sich Lepel denn nicht nur unter der Zustimmung seiner Familie, sondern auch im eignen künstlerischen Gewissen durchaus beruhigt, an biblische Stoffe heran machen. Er verfuhr dabei zugleich sehr praktisch. Langsamer Arbeiter von Natur, wurde er es jetzt auch aus Prinzip und lebte sich, als kluger Feldherr, in den Gedanken ein, die Produktion von "mehr als einem Akt pro Jahr" als Ueberproduktion oder was dasselbe sagen will, als ein Etwas anzusehen, das er vor dem Ernst der Kunst nicht verantworten könne. Dank dieser seiner halb echten halb erkünstelten litterarischen Gewissenhaftigkeit, kam er in die für seine Finanzen überaus glückliche Lage, der Ungeduld seiner Schwiegereltern gegenüber auf das langsame Heranwachsen der fünf Akte seines Zukunftsdramas als auf etwas durchaus "Höheres" hinweisen zu können. Aber freilich, zuletzt mußte doch 'mal was kommen. Und es ein für allemal gesichert zu sein. Er beschloß nämlich, sich an biblische Stoffe zu machen, also durch den Stoff die Familie zu versöhnen und durfte das auch ohne große Untreue gegen sich selbst und – mich. Denn so viel uns zeitlebens die Stofffrage beschäftigt und gegolten hatte, so waren wir als echte Platenianer doch auch andererseits wieder von der Gleichgiltigkeit des Stofflichen durchdrungen. Form war alles; die Form machte den Dichter, und so durfte sich Lepel denn nicht nur unter der Zustimmung seiner Familie, sondern auch im eignen künstlerischen Gewissen durchaus beruhigt, an biblische Stoffe heran machen. Er verfuhr dabei zugleich sehr praktisch. Langsamer Arbeiter von Natur, wurde er es jetzt auch aus Prinzip und lebte sich, als kluger Feldherr, in den Gedanken ein, die Produktion von „mehr als einem Akt pro Jahr“ als Ueberproduktion oder was dasselbe sagen will, als ein Etwas anzusehen, das er vor dem Ernst der Kunst nicht verantworten könne. Dank dieser seiner halb echten halb erkünstelten litterarischen Gewissenhaftigkeit, kam er in die für seine Finanzen überaus glückliche Lage, der Ungeduld seiner Schwiegereltern gegenüber auf das langsame Heranwachsen der fünf Akte seines Zukunftsdramas als auf etwas durchaus „Höheres“ hinweisen zu können. Aber freilich, zuletzt mußte doch ’mal was kommen. Und es <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0507" n="498"/> ein für allemal gesichert zu sein. Er beschloß nämlich, sich an biblische Stoffe zu machen, also durch den Stoff die Familie zu versöhnen und durfte das auch ohne große Untreue gegen sich selbst und – mich. Denn so viel uns zeitlebens die Stofffrage beschäftigt und gegolten hatte, so waren wir als echte Platenianer doch auch andererseits wieder von der Gleichgiltigkeit des Stofflichen durchdrungen. Form war alles; die Form machte den Dichter, und so durfte sich Lepel denn nicht nur unter der Zustimmung seiner Familie, sondern auch im eignen künstlerischen Gewissen durchaus beruhigt, an biblische Stoffe heran machen. Er verfuhr dabei zugleich sehr praktisch. Langsamer Arbeiter von Natur, wurde er es jetzt auch aus Prinzip und lebte sich, als kluger Feldherr, in den Gedanken ein, die Produktion von „mehr als einem Akt pro Jahr“ als Ueberproduktion oder was dasselbe sagen will, als ein Etwas anzusehen, das er vor dem Ernst der Kunst nicht verantworten könne. Dank dieser seiner halb echten halb erkünstelten litterarischen Gewissenhaftigkeit, kam er in die für seine Finanzen überaus glückliche Lage, der Ungeduld seiner Schwiegereltern gegenüber auf das langsame Heranwachsen der fünf Akte seines Zukunftsdramas als auf etwas durchaus „Höheres“ hinweisen zu können. Aber freilich, zuletzt mußte doch ’mal was kommen. Und es<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [498/0507]
ein für allemal gesichert zu sein. Er beschloß nämlich, sich an biblische Stoffe zu machen, also durch den Stoff die Familie zu versöhnen und durfte das auch ohne große Untreue gegen sich selbst und – mich. Denn so viel uns zeitlebens die Stofffrage beschäftigt und gegolten hatte, so waren wir als echte Platenianer doch auch andererseits wieder von der Gleichgiltigkeit des Stofflichen durchdrungen. Form war alles; die Form machte den Dichter, und so durfte sich Lepel denn nicht nur unter der Zustimmung seiner Familie, sondern auch im eignen künstlerischen Gewissen durchaus beruhigt, an biblische Stoffe heran machen. Er verfuhr dabei zugleich sehr praktisch. Langsamer Arbeiter von Natur, wurde er es jetzt auch aus Prinzip und lebte sich, als kluger Feldherr, in den Gedanken ein, die Produktion von „mehr als einem Akt pro Jahr“ als Ueberproduktion oder was dasselbe sagen will, als ein Etwas anzusehen, das er vor dem Ernst der Kunst nicht verantworten könne. Dank dieser seiner halb echten halb erkünstelten litterarischen Gewissenhaftigkeit, kam er in die für seine Finanzen überaus glückliche Lage, der Ungeduld seiner Schwiegereltern gegenüber auf das langsame Heranwachsen der fünf Akte seines Zukunftsdramas als auf etwas durchaus „Höheres“ hinweisen zu können. Aber freilich, zuletzt mußte doch ’mal was kommen. Und es
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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