Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.kam auch. Nur leider zu keines Menschen Freude, nicht einmal zu der des Dichters. Das Stück - ein "König Herodes" - war verfehlt, mußte verfehlt sein; denn sein Verfasser, wie die meisten Stückeschreiber, die sich allem anderen vorauf, an Verse-Heraustüfftelung machen, hatte wenig dramatisches Talent. An einem Stück ist die Sprache zunächst ganz gleichgiltig. Erst wenn es von der Bühne her gefallen hat, wird man sich damit beschäftigen, ob es auch dichterisch und sprachlich von Wert ist. Hülsen, ein Freund Lepels, nahm das Stück an, aber alle Bemühungen konnten es nicht halten; es kam über drei Aufführungen nicht hinaus. Ich lebte damals in London und schrieb ihm, ich hätte von den drei üblichen "Schleifungen über die Bühne" gelesen und erwartete von seinem guten Humor, daß er sich rasch über die Sache trösten werde. Damit war es aber nichts; er war tief verstimmt, und so beispiellos gütig und nachsichtig er sonst gegen mich war, das Wort von den "drei Schleifungen" hat er mir nie verziehen. Als ich bald darauf nach Deutschland zurückkehrte, sprachen wir über all das, und ich sagte: "Nun, Lepel, ein Gutes hast du doch von deinem ,Herodes' gehabt: in den Augen deiner Familie dienst du darin der ,rechten Sache', und schon um deshalb kam auch. Nur leider zu keines Menschen Freude, nicht einmal zu der des Dichters. Das Stück – ein „König Herodes“ – war verfehlt, mußte verfehlt sein; denn sein Verfasser, wie die meisten Stückeschreiber, die sich allem anderen vorauf, an Verse-Heraustüfftelung machen, hatte wenig dramatisches Talent. An einem Stück ist die Sprache zunächst ganz gleichgiltig. Erst wenn es von der Bühne her gefallen hat, wird man sich damit beschäftigen, ob es auch dichterisch und sprachlich von Wert ist. Hülsen, ein Freund Lepels, nahm das Stück an, aber alle Bemühungen konnten es nicht halten; es kam über drei Aufführungen nicht hinaus. Ich lebte damals in London und schrieb ihm, ich hätte von den drei üblichen „Schleifungen über die Bühne“ gelesen und erwartete von seinem guten Humor, daß er sich rasch über die Sache trösten werde. Damit war es aber nichts; er war tief verstimmt, und so beispiellos gütig und nachsichtig er sonst gegen mich war, das Wort von den „drei Schleifungen“ hat er mir nie verziehen. Als ich bald darauf nach Deutschland zurückkehrte, sprachen wir über all das, und ich sagte: „Nun, Lepel, ein Gutes hast du doch von deinem ‚Herodes‘ gehabt: in den Augen deiner Familie dienst du darin der ‚rechten Sache‘, und schon um deshalb <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0508" n="499"/> kam auch. Nur leider zu keines Menschen Freude, nicht einmal zu der des Dichters. Das Stück – ein „König Herodes“ – war verfehlt, mußte verfehlt sein; denn sein Verfasser, wie die meisten Stückeschreiber, die sich allem anderen vorauf, an Verse-Heraustüfftelung machen, hatte wenig dramatisches Talent. An einem Stück ist die Sprache zunächst ganz gleichgiltig. Erst wenn es von der Bühne her gefallen hat, wird man sich damit beschäftigen, ob es auch dichterisch und sprachlich von Wert ist. Hülsen, ein Freund Lepels, nahm das Stück an, aber alle Bemühungen konnten es nicht halten; es kam über drei Aufführungen nicht hinaus. Ich lebte damals in London und schrieb ihm, ich hätte von den drei üblichen „Schleifungen über die Bühne“ gelesen und erwartete von seinem guten Humor, daß er sich rasch über die Sache trösten werde. Damit war es aber nichts; er war tief verstimmt, und so beispiellos gütig und nachsichtig er sonst gegen mich war, das Wort von den „drei Schleifungen“ hat er mir nie verziehen.</p><lb/> <p>Als ich bald darauf nach Deutschland zurückkehrte, sprachen wir über all das, und ich sagte: „Nun, Lepel, ein Gutes hast du doch von deinem <choice><sic>„Herodes“</sic><corr>‚Herodes‘</corr></choice> gehabt: in den Augen deiner Familie dienst du darin der <choice><sic>„rechten Sache“</sic><corr>‚rechten Sache‘</corr></choice>, und schon um deshalb<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [499/0508]
kam auch. Nur leider zu keines Menschen Freude, nicht einmal zu der des Dichters. Das Stück – ein „König Herodes“ – war verfehlt, mußte verfehlt sein; denn sein Verfasser, wie die meisten Stückeschreiber, die sich allem anderen vorauf, an Verse-Heraustüfftelung machen, hatte wenig dramatisches Talent. An einem Stück ist die Sprache zunächst ganz gleichgiltig. Erst wenn es von der Bühne her gefallen hat, wird man sich damit beschäftigen, ob es auch dichterisch und sprachlich von Wert ist. Hülsen, ein Freund Lepels, nahm das Stück an, aber alle Bemühungen konnten es nicht halten; es kam über drei Aufführungen nicht hinaus. Ich lebte damals in London und schrieb ihm, ich hätte von den drei üblichen „Schleifungen über die Bühne“ gelesen und erwartete von seinem guten Humor, daß er sich rasch über die Sache trösten werde. Damit war es aber nichts; er war tief verstimmt, und so beispiellos gütig und nachsichtig er sonst gegen mich war, das Wort von den „drei Schleifungen“ hat er mir nie verziehen.
Als ich bald darauf nach Deutschland zurückkehrte, sprachen wir über all das, und ich sagte: „Nun, Lepel, ein Gutes hast du doch von deinem ‚Herodes‘ gehabt: in den Augen deiner Familie dienst du darin der ‚rechten Sache‘, und schon um deshalb
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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