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Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.

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Trotz dieser Anerkennung muß ich aber hier wiederholentlich sagen, daß mein alter Lepel mit seinen Direktiven nicht immer am richtigen Platze war. Desto glücklicher dagegen war er in seiner Kritik, in seinem Urteil über mein Thun. Er vermied dabei, ganz feiner Mann der er war, alle großen Worte, traf aber immer den Nagel auf den Kopf und wirkte dadurch in hohem Maße erzieherisch. Als ich als Franz-Grenadier unter ihm diente, traf es sich, daß er mal als ein patrouilleführender "Feind" an mich heran trat und auf meinen Anruf die Losung oder das Feldgeschrei nicht recht wußte. Zwischen uns lag ein kleiner Graben, und die Fichten der Jungfernheide säuselten über mir. Ohne mich lange zu besinnen knallte ich los, und ein Wunder, daß das Patronenpapier ihm nicht ins Gesicht fuhr. Es war eine Eselei, der ich mich noch in diesem Augenblick schäme. Damals aber erheiterte mich meine Heldenthat, und ich kam erst wieder zu mir, als er mich, nach Rückkehr von der Felddienstübung, in seine Stube rufen ließ. Er war anscheinend ganz ruhig und fragte mich nur: "Ob ich vielleicht geglaubt hätte, mir das ihm gegenüber herausnehmen zu dürfen." Ich spielte bei diesem Verhör eine ziemlich traurige Figur und war froh, als ich aus der Zwickmühle heraus war. Jeder andere hätte

Trotz dieser Anerkennung muß ich aber hier wiederholentlich sagen, daß mein alter Lepel mit seinen Direktiven nicht immer am richtigen Platze war. Desto glücklicher dagegen war er in seiner Kritik, in seinem Urteil über mein Thun. Er vermied dabei, ganz feiner Mann der er war, alle großen Worte, traf aber immer den Nagel auf den Kopf und wirkte dadurch in hohem Maße erzieherisch. Als ich als Franz-Grenadier unter ihm diente, traf es sich, daß er mal als ein patrouilleführender „Feind“ an mich heran trat und auf meinen Anruf die Losung oder das Feldgeschrei nicht recht wußte. Zwischen uns lag ein kleiner Graben, und die Fichten der Jungfernheide säuselten über mir. Ohne mich lange zu besinnen knallte ich los, und ein Wunder, daß das Patronenpapier ihm nicht ins Gesicht fuhr. Es war eine Eselei, der ich mich noch in diesem Augenblick schäme. Damals aber erheiterte mich meine Heldenthat, und ich kam erst wieder zu mir, als er mich, nach Rückkehr von der Felddienstübung, in seine Stube rufen ließ. Er war anscheinend ganz ruhig und fragte mich nur: „Ob ich vielleicht geglaubt hätte, mir das ihm gegenüber herausnehmen zu dürfen.“ Ich spielte bei diesem Verhör eine ziemlich traurige Figur und war froh, als ich aus der Zwickmühle heraus war. Jeder andere hätte

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[505/0514] Trotz dieser Anerkennung muß ich aber hier wiederholentlich sagen, daß mein alter Lepel mit seinen Direktiven nicht immer am richtigen Platze war. Desto glücklicher dagegen war er in seiner Kritik, in seinem Urteil über mein Thun. Er vermied dabei, ganz feiner Mann der er war, alle großen Worte, traf aber immer den Nagel auf den Kopf und wirkte dadurch in hohem Maße erzieherisch. Als ich als Franz-Grenadier unter ihm diente, traf es sich, daß er mal als ein patrouilleführender „Feind“ an mich heran trat und auf meinen Anruf die Losung oder das Feldgeschrei nicht recht wußte. Zwischen uns lag ein kleiner Graben, und die Fichten der Jungfernheide säuselten über mir. Ohne mich lange zu besinnen knallte ich los, und ein Wunder, daß das Patronenpapier ihm nicht ins Gesicht fuhr. Es war eine Eselei, der ich mich noch in diesem Augenblick schäme. Damals aber erheiterte mich meine Heldenthat, und ich kam erst wieder zu mir, als er mich, nach Rückkehr von der Felddienstübung, in seine Stube rufen ließ. Er war anscheinend ganz ruhig und fragte mich nur: „Ob ich vielleicht geglaubt hätte, mir das ihm gegenüber herausnehmen zu dürfen.“ Ich spielte bei diesem Verhör eine ziemlich traurige Figur und war froh, als ich aus der Zwickmühle heraus war. Jeder andere hätte

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Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2018-07-25T10:02:20Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-25T10:02:20Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 505. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/514>, abgerufen am 16.06.2024.