Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.mich von dem Tag an fallen lassen; aber dazu war er viel zu gütig, und nach einer Woche war alles vergessen. Eine andere Reprimande, die, weil viele Jahre später, keinen dienstlichen Charakter mehr hatte, machte trotzdem einen ähnlich tiefen Eindruck auf mich. Ich war mit meinem dicken Hesekiel nach Sonnenburg hinüber gefahren, um dort einer Feierlichkeit des Johanniterordens beizuwohnen. Der alte Prinz Carl, damals Herrenmeister, erteilte den Ritterschlag. Ich schrieb einen Bericht darüber in die Kreuzzeitung, in dem ich hervorhob, daß der Prinz diesen Ritterschlag mit "Geschicklichkeit und Würde" - oder so ähnlich - vollzogen habe. Den nächsten Tag kam Lepel zu mir, breitete das Blatt vor mir aus und sagte: "Fontan, du hast dich da vergaloppiert; wenn ein preußischer Prinz einen Ritterschlag vollführt, so ist es immer voll ,Geschicklichkeit' und ,Würde', selbst dann noch, wenn es ausnahmsweise nicht der Fall sein sollte. So was sagt man einem Prinzen nicht. Lob der Art wirkt im günstigsten Falle komisch." Er hatte vollkommen recht, und ich habe denn auch nie wieder dergleichen geschrieben. Eher kann man einen Prinzen tadeln. Am gütigsten war er, Lepel, gegen mich, wenn mich von dem Tag an fallen lassen; aber dazu war er viel zu gütig, und nach einer Woche war alles vergessen. Eine andere Reprimande, die, weil viele Jahre später, keinen dienstlichen Charakter mehr hatte, machte trotzdem einen ähnlich tiefen Eindruck auf mich. Ich war mit meinem dicken Hesekiel nach Sonnenburg hinüber gefahren, um dort einer Feierlichkeit des Johanniterordens beizuwohnen. Der alte Prinz Carl, damals Herrenmeister, erteilte den Ritterschlag. Ich schrieb einen Bericht darüber in die Kreuzzeitung, in dem ich hervorhob, daß der Prinz diesen Ritterschlag mit „Geschicklichkeit und Würde“ – oder so ähnlich – vollzogen habe. Den nächsten Tag kam Lepel zu mir, breitete das Blatt vor mir aus und sagte: „Fontan, du hast dich da vergaloppiert; wenn ein preußischer Prinz einen Ritterschlag vollführt, so ist es immer voll ‚Geschicklichkeit‘ und ‚Würde‘, selbst dann noch, wenn es ausnahmsweise nicht der Fall sein sollte. So was sagt man einem Prinzen nicht. Lob der Art wirkt im günstigsten Falle komisch.“ Er hatte vollkommen recht, und ich habe denn auch nie wieder dergleichen geschrieben. Eher kann man einen Prinzen tadeln. Am gütigsten war er, Lepel, gegen mich, wenn <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0515" n="506"/> mich von dem Tag an fallen lassen; aber dazu war er viel zu gütig, und nach einer Woche war alles vergessen.</p><lb/> <p>Eine andere Reprimande, die, weil viele Jahre später, keinen dienstlichen Charakter mehr hatte, machte trotzdem einen ähnlich tiefen Eindruck auf mich. Ich war mit meinem dicken Hesekiel nach Sonnenburg hinüber gefahren, um dort einer Feierlichkeit des Johanniterordens beizuwohnen. Der alte Prinz Carl, damals Herrenmeister, erteilte den Ritterschlag. Ich schrieb einen Bericht darüber in die Kreuzzeitung, in dem ich hervorhob, daß der Prinz diesen Ritterschlag mit „Geschicklichkeit und Würde“ – oder so ähnlich – vollzogen habe. Den nächsten Tag kam Lepel zu mir, breitete das Blatt vor mir aus und sagte: „Fontan, du hast dich da vergaloppiert; wenn ein preußischer Prinz einen Ritterschlag vollführt, so ist es immer voll <choice><sic>„Geschicklichkeit“</sic><corr>‚Geschicklichkeit‘</corr></choice> und <choice><sic>„Würde“</sic><corr>‚Würde‘</corr></choice>, selbst dann noch, wenn es ausnahmsweise nicht der Fall sein sollte. So was sagt man einem Prinzen nicht. Lob der Art wirkt im günstigsten Falle komisch.“</p><lb/> <p>Er hatte vollkommen recht, und ich habe denn auch nie wieder dergleichen geschrieben. Eher kann man einen Prinzen tadeln.</p><lb/> <p>Am gütigsten war er, Lepel, gegen mich, wenn<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [506/0515]
mich von dem Tag an fallen lassen; aber dazu war er viel zu gütig, und nach einer Woche war alles vergessen.
Eine andere Reprimande, die, weil viele Jahre später, keinen dienstlichen Charakter mehr hatte, machte trotzdem einen ähnlich tiefen Eindruck auf mich. Ich war mit meinem dicken Hesekiel nach Sonnenburg hinüber gefahren, um dort einer Feierlichkeit des Johanniterordens beizuwohnen. Der alte Prinz Carl, damals Herrenmeister, erteilte den Ritterschlag. Ich schrieb einen Bericht darüber in die Kreuzzeitung, in dem ich hervorhob, daß der Prinz diesen Ritterschlag mit „Geschicklichkeit und Würde“ – oder so ähnlich – vollzogen habe. Den nächsten Tag kam Lepel zu mir, breitete das Blatt vor mir aus und sagte: „Fontan, du hast dich da vergaloppiert; wenn ein preußischer Prinz einen Ritterschlag vollführt, so ist es immer voll ‚Geschicklichkeit‘ und ‚Würde‘, selbst dann noch, wenn es ausnahmsweise nicht der Fall sein sollte. So was sagt man einem Prinzen nicht. Lob der Art wirkt im günstigsten Falle komisch.“
Er hatte vollkommen recht, und ich habe denn auch nie wieder dergleichen geschrieben. Eher kann man einen Prinzen tadeln.
Am gütigsten war er, Lepel, gegen mich, wenn
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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