Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.als "sein Ehepaar" ansah, das ohne seinen so gutgemeinten Schreibebrief nach Altona hin gar nicht existieren würde, weshalb er denn auch für dasselbe zu sorgen habe. Seine Hilfe wurde nun zwar durch mich nicht angerufen - was er mir wohl auch zum Guten hin angerechnet haben wird - aber auch ohne diesen Anruf war die Hilfe jederzeit da, vor allem dadurch, daß ich mich moralisch immer an seiner und seiner Frau Hand über Wasser halten konnte. Zu dieser Zeit war es auch, daß ich in sein Haus kam und da die Krisis verhältnismäßig rasch vorüberging, so brachen, als ich den Kopf wieder oben hatte, sehr glückliche Tage für mich an, die Tage Merckel'schen Hausverkehrs und Merckel'scher Gesellschaftlichkeit. Ich habe später an reicheren, auch wohl amüsanteren und namentlich an politisch und international mehr bietenden Tafeln gesessen, aber einer in ihrem innersten Wesen höher stehenden Gastlichkeit bin ich nicht wieder begegnet, deshalb nicht, weil es sich bei diesen kleinen Gesellschaften niemals um eine mehr oder weniger pflichtmäßig, durch Gewohnheit oder Sitte vorgeschriebene Repräsentation handelte, sondern um etwas rein Aesthetisches, das in kunst- und zugleich liebevollster Weise bieten zu können, die als „sein Ehepaar“ ansah, das ohne seinen so gutgemeinten Schreibebrief nach Altona hin gar nicht existieren würde, weshalb er denn auch für dasselbe zu sorgen habe. Seine Hilfe wurde nun zwar durch mich nicht angerufen – was er mir wohl auch zum Guten hin angerechnet haben wird – aber auch ohne diesen Anruf war die Hilfe jederzeit da, vor allem dadurch, daß ich mich moralisch immer an seiner und seiner Frau Hand über Wasser halten konnte. Zu dieser Zeit war es auch, daß ich in sein Haus kam und da die Krisis verhältnismäßig rasch vorüberging, so brachen, als ich den Kopf wieder oben hatte, sehr glückliche Tage für mich an, die Tage Merckel’schen Hausverkehrs und Merckel’scher Gesellschaftlichkeit. Ich habe später an reicheren, auch wohl amüsanteren und namentlich an politisch und international mehr bietenden Tafeln gesessen, aber einer in ihrem innersten Wesen höher stehenden Gastlichkeit bin ich nicht wieder begegnet, deshalb nicht, weil es sich bei diesen kleinen Gesellschaften niemals um eine mehr oder weniger pflichtmäßig, durch Gewohnheit oder Sitte vorgeschriebene Repräsentation handelte, sondern um etwas rein Aesthetisches, das in kunst- und zugleich liebevollster Weise bieten zu können, die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0525" n="516"/> als „sein Ehepaar“ ansah, das ohne seinen so gutgemeinten Schreibebrief nach Altona hin gar nicht existieren würde, weshalb er denn auch für dasselbe zu sorgen habe. Seine Hilfe wurde nun zwar durch mich nicht angerufen – was er mir wohl auch zum Guten hin angerechnet haben wird – aber auch ohne diesen Anruf war die Hilfe jederzeit da, vor allem dadurch, daß ich mich moralisch immer an seiner und seiner Frau Hand über Wasser halten konnte.</p><lb/> <p>Zu dieser Zeit war es auch, daß ich in sein Haus kam und da die Krisis verhältnismäßig rasch vorüberging, so brachen, als ich den Kopf wieder oben hatte, sehr glückliche Tage für mich an, die Tage Merckel’schen Hausverkehrs und Merckel’scher Gesellschaftlichkeit.</p><lb/> <p>Ich habe später an reicheren, auch wohl amüsanteren und namentlich an politisch und international mehr bietenden Tafeln gesessen, aber einer in ihrem innersten Wesen höher stehenden Gastlichkeit bin ich nicht wieder begegnet, deshalb nicht, weil es sich bei diesen kleinen Gesellschaften niemals um eine mehr oder weniger pflichtmäßig, durch Gewohnheit oder Sitte vorgeschriebene Repräsentation handelte, sondern um etwas rein Aesthetisches, das in kunst- und zugleich liebevollster Weise bieten zu können, die<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [516/0525]
als „sein Ehepaar“ ansah, das ohne seinen so gutgemeinten Schreibebrief nach Altona hin gar nicht existieren würde, weshalb er denn auch für dasselbe zu sorgen habe. Seine Hilfe wurde nun zwar durch mich nicht angerufen – was er mir wohl auch zum Guten hin angerechnet haben wird – aber auch ohne diesen Anruf war die Hilfe jederzeit da, vor allem dadurch, daß ich mich moralisch immer an seiner und seiner Frau Hand über Wasser halten konnte.
Zu dieser Zeit war es auch, daß ich in sein Haus kam und da die Krisis verhältnismäßig rasch vorüberging, so brachen, als ich den Kopf wieder oben hatte, sehr glückliche Tage für mich an, die Tage Merckel’schen Hausverkehrs und Merckel’scher Gesellschaftlichkeit.
Ich habe später an reicheren, auch wohl amüsanteren und namentlich an politisch und international mehr bietenden Tafeln gesessen, aber einer in ihrem innersten Wesen höher stehenden Gastlichkeit bin ich nicht wieder begegnet, deshalb nicht, weil es sich bei diesen kleinen Gesellschaften niemals um eine mehr oder weniger pflichtmäßig, durch Gewohnheit oder Sitte vorgeschriebene Repräsentation handelte, sondern um etwas rein Aesthetisches, das in kunst- und zugleich liebevollster Weise bieten zu können, die
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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