Fritz Esselbach grüßte hinauf. Der junge Mann, dem dieser Gruß galt - ein Mädchenkopf, mit einer in die Stirn gezogenen gelben Studentenkappe - wirkte stark renommistisch; noch viel renommistischer aber wirkte seine Pfeife. Diese hatte die Länge eines Pendels an einer Turm- oder Kirchenuhr und hing, über die Ladenthür fort, fast bis auf das Straßenpflaster nieder. Vor der Ladenthür, weil gerade "Oelstunde" war, war ein reger Verkehr, so daß die Pfeife beständig Pendelbewegungen nach links oder rechts machen mußte, um den Eingang für die Kunden, die kamen, frei zu geben. Natürlich wär' es für den Ladeninhaber, der zugleich Hausbesitzer war, ein Kleines gewesen, sich dies zu verbitten, er ließ den Studenten da oben aber gern gewähren, weil dieser seltsame Schlagbaum ein Gegenstand stärkster Anziehung, eine Freude für die Dienstmädchen der ganzen Umgegend war; alle wollten an der Studentenpfeife vorbei.
"Wer ist denn das?" fragte ich. "Du grüßtest ja hinauf."
"Das ist Hermann Maron."
"Kenn' ihn nicht."
"Dann mußt Du ihn kennen lernen. Er macht auch Verse, ja, ich glaube besser als Du. Nächsten Sonnabend ist Sitzung unseres Lenau-Vereins. Ich
Fritz Esselbach grüßte hinauf. Der junge Mann, dem dieser Gruß galt – ein Mädchenkopf, mit einer in die Stirn gezogenen gelben Studentenkappe – wirkte stark renommistisch; noch viel renommistischer aber wirkte seine Pfeife. Diese hatte die Länge eines Pendels an einer Turm- oder Kirchenuhr und hing, über die Ladenthür fort, fast bis auf das Straßenpflaster nieder. Vor der Ladenthür, weil gerade „Oelstunde“ war, war ein reger Verkehr, so daß die Pfeife beständig Pendelbewegungen nach links oder rechts machen mußte, um den Eingang für die Kunden, die kamen, frei zu geben. Natürlich wär’ es für den Ladeninhaber, der zugleich Hausbesitzer war, ein Kleines gewesen, sich dies zu verbitten, er ließ den Studenten da oben aber gern gewähren, weil dieser seltsame Schlagbaum ein Gegenstand stärkster Anziehung, eine Freude für die Dienstmädchen der ganzen Umgegend war; alle wollten an der Studentenpfeife vorbei.
„Wer ist denn das?“ fragte ich. „Du grüßtest ja hinauf.“
„Das ist Hermann Maron.“
„Kenn’ ihn nicht.“
„Dann mußt Du ihn kennen lernen. Er macht auch Verse, ja, ich glaube besser als Du. Nächsten Sonnabend ist Sitzung unseres Lenau-Vereins. Ich
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Fritz Esselbach grüßte hinauf. Der junge Mann, dem dieser Gruß galt – ein Mädchenkopf, mit einer in die Stirn gezogenen gelben Studentenkappe – wirkte stark renommistisch; noch viel renommistischer aber wirkte seine Pfeife. Diese hatte die Länge eines Pendels an einer Turm- oder Kirchenuhr und hing, über die Ladenthür fort, fast bis auf das Straßenpflaster nieder. Vor der Ladenthür, weil gerade „Oelstunde“ war, war ein reger Verkehr, so daß die Pfeife beständig Pendelbewegungen nach links oder rechts machen mußte, um den Eingang für die Kunden, die kamen, frei zu geben. Natürlich wär’ es für den Ladeninhaber, der zugleich Hausbesitzer war, ein Kleines gewesen, sich dies zu verbitten, er ließ den Studenten da oben aber gern gewähren, weil dieser seltsame Schlagbaum ein Gegenstand stärkster Anziehung, eine Freude für die Dienstmädchen der ganzen Umgegend war; alle wollten an der Studentenpfeife vorbei.</p><lb/><p>„Wer ist denn das?“ fragte ich. „Du grüßtest ja hinauf.“</p><lb/><p>„Das ist<hirendition="#g"> Hermann Maron</hi>.“</p><lb/><p>„Kenn’ ihn nicht.“</p><lb/><p>„Dann mußt Du ihn kennen lernen. Er macht auch Verse, ja, ich glaube besser als Du. Nächsten Sonnabend ist Sitzung unseres Lenau-Vereins. Ich<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
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Fritz Esselbach grüßte hinauf. Der junge Mann, dem dieser Gruß galt – ein Mädchenkopf, mit einer in die Stirn gezogenen gelben Studentenkappe – wirkte stark renommistisch; noch viel renommistischer aber wirkte seine Pfeife. Diese hatte die Länge eines Pendels an einer Turm- oder Kirchenuhr und hing, über die Ladenthür fort, fast bis auf das Straßenpflaster nieder. Vor der Ladenthür, weil gerade „Oelstunde“ war, war ein reger Verkehr, so daß die Pfeife beständig Pendelbewegungen nach links oder rechts machen mußte, um den Eingang für die Kunden, die kamen, frei zu geben. Natürlich wär’ es für den Ladeninhaber, der zugleich Hausbesitzer war, ein Kleines gewesen, sich dies zu verbitten, er ließ den Studenten da oben aber gern gewähren, weil dieser seltsame Schlagbaum ein Gegenstand stärkster Anziehung, eine Freude für die Dienstmädchen der ganzen Umgegend war; alle wollten an der Studentenpfeife vorbei.
„Wer ist denn das?“ fragte ich. „Du grüßtest ja hinauf.“
„Das ist Hermann Maron.“
„Kenn’ ihn nicht.“
„Dann mußt Du ihn kennen lernen. Er macht auch Verse, ja, ich glaube besser als Du. Nächsten Sonnabend ist Sitzung unseres Lenau-Vereins. Ich
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Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/53>, abgerufen am 16.02.2025.
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