und in der nächsten Morgenzeitung liest die Hauptstadt, die Freudens- beziehungsweise Schreckensnachricht: "daß Preßfreiheit ausgebrochen sei".
Die zweite Geschichte - der "Frack des Herrn von Chergal" - bleibt an künstlerischer Abrundung hinter der ersten zurück, steht aber doch höher, trotzdem sie das Schicksal so vieler Satiren teilt, ohne Kommentar gar nicht verstanden zu werden. Wem dieser Kommentar fehlt, der erfährt nur von einem uralten legitimistischen Erbfrack, den sein Inhaber, eben der Herr von Chergal, a tout prix bei Leben erhalten will, was dann schließlich dahin führt, daß besagter Frack infolge beständiger Ausflickungen und Aenderungen gar nicht mehr er selber ist, aber trotzdem noch immer als das "unantastbare Heiligtum von ehedem" angesehen und getragen wird. Die Wendungen und Wandlungen, die das arme Ding durchmacht und die doch alle darauf hinauslaufen in ihm etwas "Unwandelbares" besitzen zu wollen, bilden den Inhalt der Erzählung, in der man es, oberflächlich angesehen, lediglich mit einem excentrischen oder spleenhaften alten Herrn zu thun hat, der eigensinnig an einer Schrulle festhält. Was eigentlich dahinter steckt, davon merkt man nichts oder merkt es zu spät oder merkt es falsch. Dieser Frack des Herrn von Chergal ist nämlich nichts als die altmodische
und in der nächsten Morgenzeitung liest die Hauptstadt, die Freudens- beziehungsweise Schreckensnachricht: „daß Preßfreiheit ausgebrochen sei“.
Die zweite Geschichte – der „Frack des Herrn von Chergal“ – bleibt an künstlerischer Abrundung hinter der ersten zurück, steht aber doch höher, trotzdem sie das Schicksal so vieler Satiren teilt, ohne Kommentar gar nicht verstanden zu werden. Wem dieser Kommentar fehlt, der erfährt nur von einem uralten legitimistischen Erbfrack, den sein Inhaber, eben der Herr von Chergal, à tout prix bei Leben erhalten will, was dann schließlich dahin führt, daß besagter Frack infolge beständiger Ausflickungen und Aenderungen gar nicht mehr er selber ist, aber trotzdem noch immer als das „unantastbare Heiligtum von ehedem“ angesehen und getragen wird. Die Wendungen und Wandlungen, die das arme Ding durchmacht und die doch alle darauf hinauslaufen in ihm etwas „Unwandelbares“ besitzen zu wollen, bilden den Inhalt der Erzählung, in der man es, oberflächlich angesehen, lediglich mit einem excentrischen oder spleenhaften alten Herrn zu thun hat, der eigensinnig an einer Schrulle festhält. Was eigentlich dahinter steckt, davon merkt man nichts oder merkt es zu spät oder merkt es falsch. Dieser Frack des Herrn von Chergal ist nämlich nichts als die altmodische
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und in der nächsten Morgenzeitung liest die Hauptstadt, die Freudens- beziehungsweise Schreckensnachricht: „daß Preßfreiheit ausgebrochen sei“.</p><lb/><p>Die zweite Geschichte – der „Frack des Herrn von Chergal“– bleibt an künstlerischer Abrundung hinter der ersten zurück, steht aber doch höher, trotzdem sie das Schicksal so vieler Satiren teilt, ohne Kommentar gar nicht verstanden zu werden. Wem dieser Kommentar fehlt, der erfährt nur von einem uralten legitimistischen Erbfrack, den sein Inhaber, eben der Herr von Chergal, <hirendition="#aq">à tout prix</hi> bei Leben erhalten will, was dann schließlich dahin führt, daß besagter Frack infolge beständiger Ausflickungen und Aenderungen gar nicht mehr er selber ist, aber trotzdem noch immer als das „unantastbare Heiligtum von ehedem“ angesehen und getragen wird. Die Wendungen und Wandlungen, die das arme Ding durchmacht und die doch alle darauf hinauslaufen in ihm etwas „Unwandelbares“ besitzen zu wollen, bilden den Inhalt der Erzählung, in der man es, oberflächlich angesehen, lediglich mit einem excentrischen oder spleenhaften alten Herrn zu thun hat, der eigensinnig an einer Schrulle festhält. Was <hirendition="#g">eigentlich</hi> dahinter steckt, davon merkt man nichts oder merkt es zu spät oder merkt es falsch. Dieser Frack des Herrn von Chergal ist nämlich nichts als die <hirendition="#g">altmodische</hi><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
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und in der nächsten Morgenzeitung liest die Hauptstadt, die Freudens- beziehungsweise Schreckensnachricht: „daß Preßfreiheit ausgebrochen sei“.
Die zweite Geschichte – der „Frack des Herrn von Chergal“ – bleibt an künstlerischer Abrundung hinter der ersten zurück, steht aber doch höher, trotzdem sie das Schicksal so vieler Satiren teilt, ohne Kommentar gar nicht verstanden zu werden. Wem dieser Kommentar fehlt, der erfährt nur von einem uralten legitimistischen Erbfrack, den sein Inhaber, eben der Herr von Chergal, à tout prix bei Leben erhalten will, was dann schließlich dahin führt, daß besagter Frack infolge beständiger Ausflickungen und Aenderungen gar nicht mehr er selber ist, aber trotzdem noch immer als das „unantastbare Heiligtum von ehedem“ angesehen und getragen wird. Die Wendungen und Wandlungen, die das arme Ding durchmacht und die doch alle darauf hinauslaufen in ihm etwas „Unwandelbares“ besitzen zu wollen, bilden den Inhalt der Erzählung, in der man es, oberflächlich angesehen, lediglich mit einem excentrischen oder spleenhaften alten Herrn zu thun hat, der eigensinnig an einer Schrulle festhält. Was eigentlich dahinter steckt, davon merkt man nichts oder merkt es zu spät oder merkt es falsch. Dieser Frack des Herrn von Chergal ist nämlich nichts als die altmodische
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Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 529. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/538>, abgerufen am 18.06.2024.
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