pfünder Kugel (wie hier eingeschaltet werden mag) steckte desgleichen in einer Wand am Ende der Breiten Straße und zwar gerade da, wo man, kurz vor Beginn des Kampfes, eine Proklamation Friedrich Wilhelms IV. angeklebt hatte. Die Folge davon war, daß, unmittelbar über der Kugel, die Worte "An meine lieben Berliner" in Fettschrift zu lesen waren!
Die Stimmung in unserem Hause hatte sich mittlerweile sehr verändert. Jeder war abgespannt. Auch ich zog mich auf mein im Schutz des dicken alten Georgenturms gelegenes Zimmer zurück, und warf mich, in meinen Kleidern verbleibend, auf das hart am Fenster stehende Bett nieder, um zu schlafen. Alles war mir halb gleichgiltig geworden; ich sehnte mich nach Ruhe. Aber da hatte ich die Rechnung ohne den Wirt gemacht.
Ich lag noch keine zehn Minuten, als mich ein von der Landsbergerstraße her herüberschallendes Gejohl und Geschrei mit Flintengeknatter dazwischen und gleich danach ein sonderbares Geräusch aufschreckte, wie wenn große Hagelkörner massenhaft auf ein Schieferdach fallen. Ich sprang auf und machte, daß ich nach unten kam. Da stand denn auch schon alles an der eine gute Deckung gebenden Ecke des Hauses und starrte, nur dann und wann auf einen Augen-
pfünder Kugel (wie hier eingeschaltet werden mag) steckte desgleichen in einer Wand am Ende der Breiten Straße und zwar gerade da, wo man, kurz vor Beginn des Kampfes, eine Proklamation Friedrich Wilhelms IV. angeklebt hatte. Die Folge davon war, daß, unmittelbar über der Kugel, die Worte „An meine lieben Berliner“ in Fettschrift zu lesen waren!
Die Stimmung in unserem Hause hatte sich mittlerweile sehr verändert. Jeder war abgespannt. Auch ich zog mich auf mein im Schutz des dicken alten Georgenturms gelegenes Zimmer zurück, und warf mich, in meinen Kleidern verbleibend, auf das hart am Fenster stehende Bett nieder, um zu schlafen. Alles war mir halb gleichgiltig geworden; ich sehnte mich nach Ruhe. Aber da hatte ich die Rechnung ohne den Wirt gemacht.
Ich lag noch keine zehn Minuten, als mich ein von der Landsbergerstraße her herüberschallendes Gejohl und Geschrei mit Flintengeknatter dazwischen und gleich danach ein sonderbares Geräusch aufschreckte, wie wenn große Hagelkörner massenhaft auf ein Schieferdach fallen. Ich sprang auf und machte, daß ich nach unten kam. Da stand denn auch schon alles an der eine gute Deckung gebenden Ecke des Hauses und starrte, nur dann und wann auf einen Augen-
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pfünder Kugel (wie hier eingeschaltet werden mag) steckte desgleichen in einer Wand am Ende der Breiten Straße und zwar gerade da, wo man, kurz vor Beginn des Kampfes, eine Proklamation Friedrich Wilhelms <hirendition="#aq">IV.</hi> angeklebt hatte. Die Folge davon war, daß, unmittelbar über der Kugel, die Worte „<hirendition="#g">An meine lieben Berliner</hi>“ in Fettschrift zu lesen waren!</p><lb/><p>Die Stimmung in unserem Hause hatte sich mittlerweile sehr verändert. Jeder war abgespannt. Auch ich zog mich auf mein im Schutz des dicken alten Georgenturms gelegenes Zimmer zurück, und warf mich, in meinen Kleidern verbleibend, auf das hart am Fenster stehende Bett nieder, um zu schlafen. Alles war mir halb gleichgiltig geworden; ich sehnte mich nach Ruhe. Aber da hatte ich die Rechnung ohne den Wirt gemacht.</p><lb/><p>Ich lag noch keine zehn Minuten, als mich ein von der Landsbergerstraße her herüberschallendes Gejohl und Geschrei mit Flintengeknatter dazwischen und gleich danach ein sonderbares Geräusch aufschreckte, wie wenn große Hagelkörner massenhaft auf ein Schieferdach fallen. Ich sprang auf und machte, daß ich nach unten kam. Da stand denn auch schon alles an der eine gute Deckung gebenden Ecke des Hauses <choice><sic>nnd</sic><corr>und</corr></choice> starrte, nur dann und wann auf einen Augen-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
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pfünder Kugel (wie hier eingeschaltet werden mag) steckte desgleichen in einer Wand am Ende der Breiten Straße und zwar gerade da, wo man, kurz vor Beginn des Kampfes, eine Proklamation Friedrich Wilhelms IV. angeklebt hatte. Die Folge davon war, daß, unmittelbar über der Kugel, die Worte „An meine lieben Berliner“ in Fettschrift zu lesen waren!
Die Stimmung in unserem Hause hatte sich mittlerweile sehr verändert. Jeder war abgespannt. Auch ich zog mich auf mein im Schutz des dicken alten Georgenturms gelegenes Zimmer zurück, und warf mich, in meinen Kleidern verbleibend, auf das hart am Fenster stehende Bett nieder, um zu schlafen. Alles war mir halb gleichgiltig geworden; ich sehnte mich nach Ruhe. Aber da hatte ich die Rechnung ohne den Wirt gemacht.
Ich lag noch keine zehn Minuten, als mich ein von der Landsbergerstraße her herüberschallendes Gejohl und Geschrei mit Flintengeknatter dazwischen und gleich danach ein sonderbares Geräusch aufschreckte, wie wenn große Hagelkörner massenhaft auf ein Schieferdach fallen. Ich sprang auf und machte, daß ich nach unten kam. Da stand denn auch schon alles an der eine gute Deckung gebenden Ecke des Hauses und starrte, nur dann und wann auf einen Augen-
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Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 601. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/610>, abgerufen am 28.07.2024.
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