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Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.

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wie von dem ganzen Kreise, so auch von Faucher ab. Erst fünf Jahre später sah ich ihn wieder. Ich war damals in der Schachtschen Apotheke, Ecke der Friedrichs- und Mittelstraße. Eines Abends, auf dem Heimwege, sah ich mich, keine dreißig Schritt mehr von meiner Wohnung entfernt, von sechs, acht Strolchen, die sofort einen Kreis um mich schlossen, angebettelt. Alle hatten die Rockkragen in die Höhe geklappt und die Mützen und Hüte tief 'runter gezogen; ein paar humpelten, einer schien bucklig oder wenigstens mit sehr hoher Schulter. Dieser trat an mich heran, streckte mit gemachter Aengstlichkeit seine hohle Hand gegen mich aus und sagte: "Herr Jraf, bloß Zweigroschen." Es war Faucher. Ich hätte nun sagen können, "Faucher, seien Sie nicht verrückt." Aber das wäre Spielverderberei gewesen und hätte vielleicht auch zu sonderbaren Auseinandersetzungen geführt. Ich suchte also nach dem geforderten Geldstück und weil ich ein solches leider nicht finden konnte, mußte ich mich mit einem Viergroschenstück loslösen, wofür ich unter devoten Bücklingen und heitrem Gejohle im Hintergrunde, belobt wurde. Bald darauf erfuhr ich, daß die Raubzüge dieser Bande mit einer Art Regelmäßigkeit unternommen würden, immer in nächster Nähe der Linden, und daß sie's dabei bis auf mehrere Thaler brächten, die

wie von dem ganzen Kreise, so auch von Faucher ab. Erst fünf Jahre später sah ich ihn wieder. Ich war damals in der Schachtschen Apotheke, Ecke der Friedrichs- und Mittelstraße. Eines Abends, auf dem Heimwege, sah ich mich, keine dreißig Schritt mehr von meiner Wohnung entfernt, von sechs, acht Strolchen, die sofort einen Kreis um mich schlossen, angebettelt. Alle hatten die Rockkragen in die Höhe geklappt und die Mützen und Hüte tief ’runter gezogen; ein paar humpelten, einer schien bucklig oder wenigstens mit sehr hoher Schulter. Dieser trat an mich heran, streckte mit gemachter Aengstlichkeit seine hohle Hand gegen mich aus und sagte: „Herr Jraf, bloß Zweigroschen.“ Es war Faucher. Ich hätte nun sagen können, „Faucher, seien Sie nicht verrückt.“ Aber das wäre Spielverderberei gewesen und hätte vielleicht auch zu sonderbaren Auseinandersetzungen geführt. Ich suchte also nach dem geforderten Geldstück und weil ich ein solches leider nicht finden konnte, mußte ich mich mit einem Viergroschenstück loslösen, wofür ich unter devoten Bücklingen und heitrem Gejohle im Hintergrunde, belobt wurde. Bald darauf erfuhr ich, daß die Raubzüge dieser Bande mit einer Art Regelmäßigkeit unternommen würden, immer in nächster Nähe der Linden, und daß sie’s dabei bis auf mehrere Thaler brächten, die

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[53/0062] wie von dem ganzen Kreise, so auch von Faucher ab. Erst fünf Jahre später sah ich ihn wieder. Ich war damals in der Schachtschen Apotheke, Ecke der Friedrichs- und Mittelstraße. Eines Abends, auf dem Heimwege, sah ich mich, keine dreißig Schritt mehr von meiner Wohnung entfernt, von sechs, acht Strolchen, die sofort einen Kreis um mich schlossen, angebettelt. Alle hatten die Rockkragen in die Höhe geklappt und die Mützen und Hüte tief ’runter gezogen; ein paar humpelten, einer schien bucklig oder wenigstens mit sehr hoher Schulter. Dieser trat an mich heran, streckte mit gemachter Aengstlichkeit seine hohle Hand gegen mich aus und sagte: „Herr Jraf, bloß Zweigroschen.“ Es war Faucher. Ich hätte nun sagen können, „Faucher, seien Sie nicht verrückt.“ Aber das wäre Spielverderberei gewesen und hätte vielleicht auch zu sonderbaren Auseinandersetzungen geführt. Ich suchte also nach dem geforderten Geldstück und weil ich ein solches leider nicht finden konnte, mußte ich mich mit einem Viergroschenstück loslösen, wofür ich unter devoten Bücklingen und heitrem Gejohle im Hintergrunde, belobt wurde. Bald darauf erfuhr ich, daß die Raubzüge dieser Bande mit einer Art Regelmäßigkeit unternommen würden, immer in nächster Nähe der Linden, und daß sie’s dabei bis auf mehrere Thaler brächten, die

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2018-07-25T10:02:20Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-25T10:02:20Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/62>, abgerufen am 21.11.2024.