Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.viel boshafter, persönlich beleidigender, vor allem unendlich überheblicher. Er lief darauf hinaus, alle Welt außer der eigenen werten Person, als dumm hinzustellen und Freund und Feind zu dupieren. Die Lust daran beherrschte die damalige höher potenzierte Menschheit, oder doch die, die sich dafür hielten, mit einer geradezu diabolischen Gewalt. Es war eine Geisteskrankheit der höheren Stände, letzter Rest jener schrecklichen Ironie, die zur Tieck-Schlegel-Zeit den ganzen Ton bestimmt hatte. Mir persönlich fehlt jedes Organ dafür. Ich find es einfach albern. Es ist nichts, als Personen in den April schicken, Leute, die meist klüger sind als die, die sich über sie erheben möchten. In diesem Dupierungsfanatismus waren die "Sieben" groß, wobei sie sich übrigens selber beständig beschummelten und ihre Niederlage, wenn sie sich ertappt sahen, mit Falstaff-Humor ertrugen. Einmal war Faucher sechs Wochen lang fortgewesen. Als er wiederkam, erzählte er von seinen Reiseabenteuern in Spanien und Südfrankreich und gab die glänzendsten Schilderungen. Das ging so eine ganze Weile. Dann aber unterbrach ihn Ludwig Buhl und sagte: "Du Vater der Lüge. Ich habe das Buch, draus Du das alles genommen hast, zufällig auch gelesen. Du warst in Ahlbeck, viel boshafter, persönlich beleidigender, vor allem unendlich überheblicher. Er lief darauf hinaus, alle Welt außer der eigenen werten Person, als dumm hinzustellen und Freund und Feind zu dupieren. Die Lust daran beherrschte die damalige höher potenzierte Menschheit, oder doch die, die sich dafür hielten, mit einer geradezu diabolischen Gewalt. Es war eine Geisteskrankheit der höheren Stände, letzter Rest jener schrecklichen Ironie, die zur Tieck-Schlegel-Zeit den ganzen Ton bestimmt hatte. Mir persönlich fehlt jedes Organ dafür. Ich find es einfach albern. Es ist nichts, als Personen in den April schicken, Leute, die meist klüger sind als die, die sich über sie erheben möchten. In diesem Dupierungsfanatismus waren die „Sieben“ groß, wobei sie sich übrigens selber beständig beschummelten und ihre Niederlage, wenn sie sich ertappt sahen, mit Falstaff-Humor ertrugen. Einmal war Faucher sechs Wochen lang fortgewesen. Als er wiederkam, erzählte er von seinen Reiseabenteuern in Spanien und Südfrankreich und gab die glänzendsten Schilderungen. Das ging so eine ganze Weile. Dann aber unterbrach ihn Ludwig Buhl und sagte: „Du Vater der Lüge. Ich habe das Buch, draus Du das alles genommen hast, zufällig auch gelesen. Du warst in Ahlbeck, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0069" n="60"/> viel boshafter, persönlich beleidigender, vor allem unendlich überheblicher. Er lief darauf hinaus, alle Welt außer der eigenen werten Person, als dumm hinzustellen und Freund und Feind zu dupieren. Die Lust daran beherrschte die damalige höher potenzierte Menschheit, oder doch die, die sich dafür hielten, mit einer geradezu diabolischen Gewalt. Es war eine Geisteskrankheit der höheren Stände, letzter Rest jener schrecklichen Ironie, die zur Tieck-Schlegel-Zeit den ganzen Ton bestimmt hatte. Mir persönlich fehlt jedes Organ dafür. Ich find es einfach albern. Es ist nichts, als Personen in den April schicken, Leute, die meist klüger sind als die, die sich über sie erheben möchten.</p><lb/> <p>In diesem Dupierungsfanatismus waren die „Sieben“ groß, wobei sie sich übrigens selber beständig beschummelten und ihre Niederlage, wenn sie sich ertappt sahen, mit Falstaff-Humor ertrugen. Einmal war Faucher sechs Wochen lang fortgewesen. Als er wiederkam, erzählte er von seinen Reiseabenteuern in Spanien und Südfrankreich und gab die glänzendsten Schilderungen. Das ging so eine ganze Weile. Dann aber unterbrach ihn Ludwig Buhl und sagte: „Du Vater der Lüge. Ich habe das Buch, draus Du das alles genommen hast, zufällig auch gelesen. Du warst in Ahlbeck,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [60/0069]
viel boshafter, persönlich beleidigender, vor allem unendlich überheblicher. Er lief darauf hinaus, alle Welt außer der eigenen werten Person, als dumm hinzustellen und Freund und Feind zu dupieren. Die Lust daran beherrschte die damalige höher potenzierte Menschheit, oder doch die, die sich dafür hielten, mit einer geradezu diabolischen Gewalt. Es war eine Geisteskrankheit der höheren Stände, letzter Rest jener schrecklichen Ironie, die zur Tieck-Schlegel-Zeit den ganzen Ton bestimmt hatte. Mir persönlich fehlt jedes Organ dafür. Ich find es einfach albern. Es ist nichts, als Personen in den April schicken, Leute, die meist klüger sind als die, die sich über sie erheben möchten.
In diesem Dupierungsfanatismus waren die „Sieben“ groß, wobei sie sich übrigens selber beständig beschummelten und ihre Niederlage, wenn sie sich ertappt sahen, mit Falstaff-Humor ertrugen. Einmal war Faucher sechs Wochen lang fortgewesen. Als er wiederkam, erzählte er von seinen Reiseabenteuern in Spanien und Südfrankreich und gab die glänzendsten Schilderungen. Das ging so eine ganze Weile. Dann aber unterbrach ihn Ludwig Buhl und sagte: „Du Vater der Lüge. Ich habe das Buch, draus Du das alles genommen hast, zufällig auch gelesen. Du warst in Ahlbeck,
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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